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Alonso coacht Kompany aus: Das Taktik-Duell in der Analyse
Alonso coacht Kompany aus: Das Taktik-Duell in der Analyse - © IMAGO / Nico Herbertz
Alonso coacht Kompany aus: Das Taktik-Duell in der Analyse - © IMAGO / Nico Herbertz
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Alonso coacht Kompany aus: Leverkusen verpasst den verdienten Lohn gegen Bayern

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Bayer 04 Leverkusen konnte im direkten Duell keine Punkte auf den FC Bayern München gutmachen, doch trotzdem hat die Werkself den Tabellenführer über 90 Minuten absolut dominiert. bundesliga.de analysiert die taktische Spitzenleistung von Meistertrainer Xabi Alonso.

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Beide Teams liefen in einem 4-4-2 auf, das situativ zu einem 4-2-3-1 wurde. Dabei agierten Florian Wirtz auf Leverkusener und Jamal Musiala auf Bayern-Seite als Pendelspieler zwischen dem Doppelsturm und der Zehner-Rolle. Um das Spiel des FC Bayern zu unterbinden, hat Xabi Alonso eine extrem aggressive Herangehensweise gewählt. Waren die Münchner im Ballbesitz, spielte Leverkusen ein Mann-gegen-Mann-Pressing über den gesamten Platz. 

Spielbericht: Leverkusen glänzt - doch das Tor fehlt

Dabei deckte Leverkusens Doppelsechs, Granit Xhaka und Exequiel Palacios, sehr offensiv gegen Bayerns Doppelsechs, Joshua Kimmich und Aleksandar Pavlović. Musiala wurde, wie gewohnt meist halblinks unterwegs, dauerhaft von Innenverteidiger Jonathan Tah verteidigt.

Bayerns Falsche Neuner ausgeschaltet

Um im Spielaufbau gegen das hohe Eins-gegen-Eins-Pressing der Leverkusener anzukommen, ließ sich zunächst vor allem Musiala in einer Art "Falscher Neun" immer wieder weit fallen, bot sich als Anspielstation an und spielte Doppelpässe mit der Innenverteidigung. Doch Tah scherte das nicht: Getreu dem Kreisliga-Motto "Du folgst ihm notfalls bis aufs Klo" presste der Abwehrmann Musiala bis an den Bayern-Strafraum und ließ so keine Unterzahlsituationen für die Leverkusener im Zentrum entstehen.

Als die Bayern merkten, dass Musiala alleine keine Überzahl bringt, ließ sich auch der nominelle Stoßstürmer Harry Kane immer wieder ins Zentrum fallen. Mit zwei "Falschen Neunern" ergab sich für die Werkself ein echtes Problem: Rückt auch Edmond Tapsoba als zweiter Innenverteidiger mit auf, wäre die Defensivzentrale sehr offen.  Zunächst spielte Leverkusen weiter aggressiv: Tapsoba ging den Weg mit, dahinter verteidigten spannenderweise die beiden gelernten Innenverteidiger Piero Hincapié und Nordi Mukiele als Außenverteidiger - und hatten kaum Probleme, die Flügelstürmer des FC Bayern, Michael Olise und Kingsley Coman, auch in die Zentrale zu decken.

Die Bayern suchten viel zu selten mit langen Befreiungsschlägen, etwa von Tormann Manuel Neuer, die Duelle mit sehr viel Raum zwischen den schnellen Wingern und Leverkusens Außenverteidigern. Um die Gefahr dennoch etwas einzudämmen, änderte Alonso im Laufe des Spiels etwas die Herangehensweise: Wenn es möglich war, ließ sich Alejandro Grimaldo, der als Linksaußen auflief, in die Zentrale auf Kane fallen und sicherte so im Rücken der weit vorpressenden Doppelsechs ab.

In der neuen Zuordnung griff wieder das Eins-gegen-Eins und Leverkusen verteidigte individuell stark. Dennoch lässt sich sagen: Dass die Bayern es selten schafften, den dann etwas freier agierenden Rechtsverteidiger Konrad Laimer zu finden oder das physisch sehr ungleiche Duell Kane-Grimaldo auszunutzen, ist auch der fehlenden Sauberkeit und Klarheit in Bayerns Spiel geschuldet. 

Musiala lässt sich weit fallen, Tah presst weit mit raus - DFL Deutsche Fußball Liga

Alonsos 2-2-1-5 knackt das 4-4-2 der Bayern

Während die Bayern bis zur 73. Minute brauchten, um überhaupt einen ersten Abschluss zu generieren - eine geblockte Kleinstchance von Kane, kam Leverkusen von Beginn an stark in Abschluss-Situationen und spielte sich auch mehrere Großchancen clever heraus, die auch mit viel Pech nicht im Tor der Bayern landeten. 16 Abschlüsse und 2,23 Expected Goals (gegenüber Bayerns zwei Schüssen und 0,14 xG) sprechen eine klare Sprache zugunsten der Werkself.

Wenn man die Grundzüge betrachtet, hat der FC Bayern aber ebenfalls ein 4-4-2 als Grundformation gespielt und ein intensives Mann-gegen-Mann-Pressing gespielt. Trotzdem lief es besser für die Leverkusener - wie hat Alonso das also angestellt? Anders als die Bayern, die sich lange Bälle selten trauten, war Leverkusen von Beginn an darauf eingestellt, das Pressing der Münchner notfalls mit hohen Bällen zu überspielen. Nahezu überall auf dem Feld kreierte Alonsos Aufstellungen ungleiche Paarungen.

Die ganze Welt jubelt über "Wusiala"

Leverkusen baute in einem 2-2-1-5 auf. Dabei rückten die beiden Außenverteidiger extrem hoch in die Sturmreihe und Wirtz ließ sich zentral auf die Zehner-Position fallen. Das Ergebnis: Auf beiden Flügeln bildeten sich Paarungen aus einem gelernten Innenverteidiger Leverkusens und einem schnellen Wingback. Verteidigt wurde dieses Duo von einem schnellen Flügelspieler der Bayern, der natürlicherweise eher den Außenverteidiger deckte und physische Defizite hatte, und einem Außenverteidiger - dabei ist anzumerken, dass mit Grimaldo gegen Laimer und Jeremie Frimpong gegen Hiroki Ito jeweils die Tempovorteile bei der Werkself lagen.

Leverkusen baut in einem 2-2-1-5 auf, Wirtz ist der Schlüssel zum Erfolg - DFL Deutsche Fußball Liga

Wirtz ist Leverkusens Schlüssel zum Erfolg

Nun ergab sich für Bayern ein großes Problem: Entweder rückte einer der Innenverteidiger mit Wirtz auf die Zehner-Position und es entsteht eine Fünf-gegen-Fünf-Defensivreihe, bei der es viele Mismatches gibt - auch der schnelle und wendige Nathan Tella, von Alonso als Mittelstürmer eingesetzt, breitete Bayerns Abwehrboliden Dayot Upamecano und Minjae Kim Probleme. Oder das Trio aus Wirtz, Palacios und Xhaka kann in Überzahl gegen Bayerns Doppelsechs kombinieren. 

Meist entschieden sich die Bayern, das eigene Mann-gegen-Mann-Pressing beizubehalten. Bedeutet: Oft verließ Upamecano die Abwehrkette und verteidigte Wirtz bis ins Mittelfeld. Nun war zwar der Leverkusener Spielmacher nicht immer anspielbar, sorgte aber trotzdem für entscheidende Räume. Denn die Werkself war vollauf bereit, lange Bälle zu schlagen - schließlich hatte man überall gute Duelle hergestellt. Immer wieder chippt Torwart Lukáš Hrádecký den Ball etwa zwischen Upamecano und Kim. Der wendige Tella ließ sich fallen und nahm den Ball auf oder legte ihn ab - für Wirtz oder die Flügelduos, die dann einen schnellen Angriff starten konnten.

Wirtz über seine Zukunft: Entspannt, aber ehrgeizig

Auch hohe Bälle auf die Außenbahnen spielte Leverkusen immer wieder. Schließlich waren Hincapié und Mukiele perfekt dafür gemacht, Luftduelle gegen Olise und Coman zu gewinnen - und ihre Flügelkumpanen ins Spiel zu bringen. War der Ball schließlich einmal über Bayerns Pressing hinweggekommen, ging es meist ganz schnell - Kombinationen über die Außenbahnen oder aber über den nacheilenden Wirtz, der im vollen Tempo schlichtweg nicht zu stoppen ist, wurden zum Dauermodus.

Bayern-Bollwerk und viel Pech entscheiden das Spiel

So einfach dieses Modell taktisch klingt, so schwer war es trotzdem in der Umsetzung. Denn auch hier gehört dazu: Der FCB machte es in der Strafraumverteidigung meist richtig gut - und auch die so ungleichen Duelle gingen seltener an Leverkusens Angreifer, als man es denken könnte. Vor allem ein sehr starker Upamecano rettete immer wieder Anspiele ins Zentrum, fing Tella noch ein - oder gewann Duelle, bevor es brenzlig wurde. Dennoch spielte sich die Werkself vor allem vier Großchancen heraus, um in Führung zu gehen:

In der 21. Minute startete Leverkusen den Spielaufbau nach eigenem Eckball sehr hoch, nutzte jedoch bereits beschriebene Muster: das 2-2 im Aufbau (mit Mukiele etwas tiefer) brachte links Hincapié in eine Situation, in der er sich fallen lassen konnte und für Tapsoba anspielbar war. Im Rücken von Olise löste sich Grimaldo von Laimer und wurde in die Tiefe geschickt - und obwohl Upamecano gar nicht mit Wirtz herausgerückt war, gab es für den Zauberfuß aus dem Rheinland kein Halten mehr. Grimaldo schickte ihn in den Strafraum, er zog aus spitzem Winkel ab - und scheiterte an Manuel Neuer. Der Ball prallte in die Mitte, wo sich Frimpong clever einsetzte - und den freien Kopfball ohne Torwart an die Latte donnerte.

Alonso: "Wir haben es fast perfekt gemacht"

Etwa vier Minuten später war es ein hoher Ball von Tapsoba auf Tella, der zum Erfolg führte. Zwar konnte der das Luftduell, diesmal mit Upamecano (Kim war mit Wirtz aufgerückt) nicht gewinnen, doch der Ball landete bei Pavlović, der - eben noch als Manndecker nah an Xhaka dran - den Ball gegen seinen Gegenspieler nicht behaupten konnte. Xhaka erobert die Kugel und startete den schnellen Konter über links. Der pfeilschnelle Tella sprintete schneller als die Bayern-Defensive in den Strafraum und verwertete die Flanke völlig freistehend volley - über das Tor.

Eine clevere Ecken-Kombination in der 66. Minute brachte die nächste Top-Möglichkeit: Eine weit geschlagene Flanke brachte Tah hinter dem zweiten Pfosten per Kopf zentral an den Fünfer, wo Tella frei abschließen konnte - doch Ito postierte sich perfekt auf der Torlinie und sprang in Tellas Kopfballversuch.

Kein Lucky Punch: Ein Meisterstück ohne Erfolg

In der zweiten Hälfte kam Leverkusen insgesamt nicht mehr so gut in die Tiefe, weil die Bayern das hohe Pressing immer weiter zurückfuhren und sich selbst auf die Defensivaufgaben besinnten. Im etwas tieferen Block stand der FCB stabil und ließ nahezu nichts zu. Viele Kleinstchancen von Leverkusen fanden kaum Durchschlagskraft. Bis zur ersten Minute der Nachspielzeit...

Xhaka ließ sich halblinks etwas fallen und kurbelte den Spielaufbau an. Währenddessen waren sowohl Hincapié als auch Grimaldo ihm etwas entgegen gekommen. Der Spanier wiederum sah sofort, was Xhaka vorhatte, und sprintete in die Tiefe. Der Schweizer Mittelfeldstratege spielte einen hervorragenden Flugball hinter die schlecht abgestimmten Josip Stanišić (als Rechtsverteidiger eingewechselt) und Kimmich, Grimaldo flankte stark an den Elfmeterpunkt, wo Tella-Ersatz Amine Adli volley abschließen konnte - mittig auf Neuer, der parieren konnte! Der zweite Ball landete bei Wirtz, der ebenfalls vergab - links flach vorbei.

Titelrennen: Und am Ende bleibt alles beim Alten?

Es wäre das passende Ende einer Taktikschlacht gewesen, die Xabi Alonso gegen Vincent Kompany klar gewonnen hatte. Ganz im "Laterkusen"-Stil hätte die Werkself sich mit 1:0 durchgesetzt und das Meisterrennen nochmal richtig spannend gemacht. So endet das Spiel mit "gemischten Gefühlen", wie Xabi Alonso nach dem Spiel eingestand. "Wir haben gegen Bayern unser bestes Spiel dieses Jahr und vielleicht auch letztes Jahr gespielt. Ich muss meinem Team ein großes Kompliment machen." Aber das Ergebnis hat nicht gestimmt. "Damit sind wir nicht so glücklich, aber das ist Fußball." So bleibt es ein taktisches Meisterstück von Xabi Alonso, jedoch ohne Erfolg im Titelrennen.

Niklas Staiger