Mit Mut und Lerneffekt: Heidenheims Meisterleistung gegen den FC Bayern München
Eigentlich lief es richtig schlecht für den 1. FC Heidenheim 1846. Der FC Bayern München hatte wenig Mühe, den FCH zu dominieren und traf vor der Pause gleich zweimal das Tor. Doch mit seiner Ansprache und Umstellungen in der Pause sorgte Frank Schmidt dafür, dass sein Team den Turnaround schaffte - und das historische erste Heimspiel gegen den "großen" FCB gewinnen konnte. Wie es die Fan-Choreo vor der Partie ankündigte zog der FCH Bayern die Lederhosen aus.
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30 Prozent Ballbesitz, nur ein geblockter Fernschuss, viele lange Bälle ohne Ziel und eine magere Quote in Duellen. Die erste Halbzeit des 1. FC Heidenheim 1846 sah alles andere als vielversprechend aus. Die Gastgeber zeigten sich mutlos und ängstlich, ließen den FC Bayern München befreit ihr Spiel aufziehen. "Es war eine schwache erste Hälfte. Ich hatte das Gefühl, dass den Bayern 70 Prozent für den Sieg reichen", erklärte Tim Kleindienst nach der Partie.
Das sah auch Frank Schmidt so. "Wir sind ganz anders aufgetreten, als wir uns das vorgestellt haben. In den Bereichen Zweikampfführung und Intensität waren die Bayern besser, am Ball sowieso", analysierte der Cheftrainer nach der Partie. "Wir haben komischerweise ängstlich agiert, ohne Mut. Das sind Dinge, die gehen einfach nicht."
Deshalb wählte Schmidt klare Worte. "Er hat uns angeschrien, dass wir so schlecht im ersten Durchgang waren", berichtete Kleindienst, "es sei zwar der FC Bayern, doch was wir zeigen, gehöre nicht in die Bundesliga." Deshalb gab es zur Halbzeit einige Umstellungen - und eine klare Ansage: "Die können uns aus dem Stadion schießen, aber wir müssen uns ganz anders präsentieren, anders spielen und versuchen, das Spiel zu drehen und zu gewinnen!"
Sensation an der Brenz: Heidenheim schlägt Bayern
Andere Einstellung, andere Taktik - Frank Schmidts Erfolgsrezept
"Wir haben uns gesagt: Wir müssen rausgehen und das Spiel 180 Grad drehen! Wir wollen das Beste geben, um noch einen Punkt mitzunehmen", stimmte Kleindienst seinem Coach zu. Und so kam es dann auch.
Bereits wenige Minuten nach der Pause wurde das deutlich. Dabei zeigte vor allem der zur Halbzeit gekommene Kevin Sessa ein ganz anderes Gesicht, kam anstelle des defensiveren Jan Schöppner. Sessa war umtriebig, mutig und zeigte sich bereit, alles für den Erfolg zu tun. Das wurde sofort belohnt: Nach einem langen Abstoß verlängerte Kleindienst einen Ball per Kopf auf den ebenfalls gebrachten Marvin Pieringer, welcher mit einem Steckpass Sessa im Vollsprint aufs Tor schickte.
Das sagen Schmidt, Tuchel und Co. zum 28. Spieltag
Dabei zeigte nicht nur das neue Personal Wirkung - auch die Formationsumstellung war sofort erkennbar. "Wir sind maximales Risiko gegangen in der zweiten Halbzeit. Dabei haben wir mit Raute gespielt", erklärte Schmidt das neue System nach der Partie. Statt 4-2-3-1 hieß es nun 4-1-3-2. Dabei bildete Sechser Lennard Maloney zusammen mit Sessa auf der Zehn und den beiden Flügelspielern eine Raute, Pieringer und Kleindienst die neue Doppelspitze. Beim Anschlusstreffer zogen die beiden Stürmer das Innenverteidiger-Duo der Bayern raus und Sessa spritzte dahinter in die Tiefe - eine Gefahr, die es aus Ermangelung des zweiten Stürmers im ersten Durchgang nicht gegeben hatte. Ein Abwehrspieler der Bayern war immer noch tief.
Tolle Spielzüge statt lange Bälle
Und dieses Tor brachte einen echten Schockeffekt mit sich. Denn direkt im nächsten Angriff ließ sich Kleindienst wieder rechts weit zurückfallen - und Pieringer positionierte sich hinter ihm. Anstatt nun wieder zu zweit zu folgen, entschied sich Dayot Upamecano, tief in der Abwehrkette zu bleiben. Dadurch konnte Minjae Kim Kleindienst nicht folgen, da er gegen Pieringer verteidigen musste. Als Pieringer dann aber diagonal nach links startete, war die Zuordnung zerstört und der Weg geebnet für den Tiefenlauf von Tim Kleindienst, der in den Strafraum sprintete und sich im Rücken von Minjae davonstahl. Mit einem perfekten ersten Kontakt versenkte er die scharfe Flanke von Jan-Niklas Beste perfekt rechts flach im Netz.
Eine echte Zuordnung für das neue System hatten die Bayern auch in der 79. Minute noch nicht gefunden. Als Omar Traoré seinen Flügellauf antrat, hatte Eren Dinkçi halbrechts Bayerns Linksverteidiger Alphonso Davies herausgezogen. Durch seinen Sprint attackierte Traoré denn Minjae und das Unheil nahm seinen Lauf. Der linke Innenverteidiger verließ Pieringer, welchen Traoré in den Strafraum schickte. Dort musste Upamecano rüberschieben, um auszuhelfen - und links im Sechzehner war Kleindienst komplett frei, versenkte erneut eiskalt.
Das Restprogramm der Bundesliga
"Wir machen da ein astrein herausgespieltes Tor zur 3:2-Führung", prahlte Schmidt stolz über diesen tollen Angriff, "die zwei Tore zuvor waren auch schon gut herausgespielt." Genau hier lag der Unterschied zur ersten Hälfte: Heidenheim kam zum Erfolgsmuster des sortierten, schnellen Angriffsspiels zurück und ließ die vielen langen Bälle aus der eigenen Hälfte hinter sich, denen auch niemand hinterher lief, da defensive Absicherung vorrang hatte. Durch tolle Spielzüge und hochklassigen Fußball bewies die Elf von Frank Schmidt: So gehört der FC Heidenheim in die Bundesliga!
Heidenheims Lerneffekt - und Kevin Müller
Comeback-Qualitäten hat der FCH nicht zum ersten Mal bewiesen - auch am 27. Spieltag kämpfte sich die Mannschaft von Frank Schmidt nach einem 0:2-Rückstand zurück, drehte das Spiel zum 3:2. Doch der VfB Stuttgart schaffte dann spät den erneuten Ausgleich zum 3:3. "Da habe ich mich lange gefragt: Letzte Woche haben wir das 3:3 bekommen, für was soll das gut sein?", berichtete Schmidt von seinen Sorgen im Spiel.
Doch Heidenheim hat ein erneutes Comeback nicht zugelassen. Mit vollem Einsatz verteidigten die Hausherren die drei Punkte bis zur letzten Sekunde, dabei half mit Sicherheit auch die Kulisse in der heimischen Voith-Arena - und das clevere eigene Offensivspiel. "Heute weiß ich es: Wir haben die Bayern die letzten Minuten nicht mehr nach vorne spielen lassen. Wir haben uns festgesetzt, haben Eckbälle und Einwürfe herausgeholt", rekapitulierte Schmidt den tollen Einsatz seines Teams zum Schluss.
Die Saison im Tabellenrechner durchspielen!
Und wenn es an der Brenz dann doch einmal brenzlig wurde, hatte der FCH immer noch seinen starken Rückhalt Kevin Müller im Tor. Weil Heidenheim so offensiv und mutig gespielt hat, "hatten die Bayern viele Situationen - aber dann war Kevin Müller da", lobte der Coach seinen Schlussmann nach der Partie. Der FCH hat also aus den Fehlern gegen Stuttgart gelernt. Sehr zum Wohlsein des Trainers: "Am meisten freut es mich, dass wir jetzt 33 Punkte haben. Und eben drei Punkte mehr als vor dem Spiel."
Heidenheim spielt eine starke Debüt-Saison in der Bundesliga, liegt derzeit auf Platz 10 und hat ebenfalls zehn Punkte Abstand zum Relegations-Rang 16. Zum direkten Abstiegsplatz 17 ist es sogar ein Zähler mehr. Der Klassenerhalt - er ist zum Greifen nah. Und dann gibt es ja noch die Ziele nach oben - gerade einmal drei Punkte fehlen Heidenheim zu Rang 7, der möglicherweise für Europa reicht...
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