Wie Terzić das Taktik-Duell gewann - und was der BVB für Leverkusen lernt - © IMAGO / Jan Huebner
Wie Terzić das Taktik-Duell gewann - und was der BVB für Leverkusen lernt - © IMAGO / Jan Huebner
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Taktik-Analyse: Borussia Dortmund schlägt Gladbach mit einem 3-Raute-3-System

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Beim 4:2-Sieg von Borussia Dortmund im Duell gegen den Namensvetter aus Mönchengladbach hat Edin Terzić die Spielweise seines BVB stark am Gegner aus Gladbach ausgerichtet - und damit auf taktischer Ebene einen entscheidenden Vorteil erlangt. bundesliga.de analysiert das Erfolgsrezept.

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Nach vielen verschiedenen Systemen zum Saisonstart hat Gerardo Seoane seine Borussia Mönchengladbach zuletzt gegen Wolfsburg in einem 5-3-2 (bzw. 3-5-2) antreten lassen - und mit einem 4:0-Sieg einen Erfolg erlangt. Entsprechend war zu vermuten, dass die Fohlen auch im Borussen-Duell am 12. Spieltag gegen Borussia Dortmund mit diesem defensiv stabilen System auftreten werden.

Edin Terzić und seine Analyse-Abteilung haben sich ebenfalls auf dieses Gladbacher System eingestellt - und als Konter darauf über die Länderspielpause eine neue Systematik im eigenen Ballbesitz ausgearbeitet: Während Dortmund gegen den Ball im altbekannten 4-2-3-1 verteidigte, agierte der BVB mit Ball weitestgehend in einem 3-Raute-3-System, das die Schwarzgelben zum Erfolg führte.

Borussia Dortmunds Formation im Ballbesitz mit einer Mittelfeldraute - DFL Deutsche Fußball Liga

BVB-System 3-Raute-3: Grundprinzip erklärt

Bei dieser Formation agieren drei Innenverteidiger im Spielaufbau - und gleichzeitig stehen drei Angreifer sehr hoch in der gegnerischen Abwehrlinie. Im Zentrum bildet sich eine Raute aus zentralen Mittelfeldspielern.

Durch die Breite der beiden Flügelspieler sowie den gefährlichen Mittelstürmer im Zentrum bindet die offensive Dreierreihe die komplette Fünferabwehr des Gegners. Denn die äußeren Innenverteidiger (bei Gladbach Joe Scally und Maximilian Wöber) können nicht bis zur Seitenlinie aufrücken, ohne massive Lücken zu hinterlassen - die Flügelverteidiger müssen also gegen die Breitengeber Dortmunds verteidigen.

Formation, Taktik & Co. - Antworten auf alle Fragen im Bundesliga-FAQ

Das bedeutet zwar für die Rheinländer eine doppelte Überzahl in letzter Reihe, umgedreht aber auch Unterzahlen an anderen Stellen. Dadurch eröffnen sich Freiräume für Dortmunds Spielaufbau. Die drei offensiveren Spieler der Raute binden Gladbachs Mittelfeldspieler - und die zwei Stürmer des 5-3-2 sind alleine mit der Aufgabe betraut, sowohl den Dortmunder Sechser zuzustellen als auch drei Innenverteidiger anzulaufen - eine nahezu unlösbare Aufgabe.

Zunächst noch mit Can als Innenverteidiger: Dortmunds Dreieraufbau - DFL Deutsche Fußball Liga

Terzić verändert BVB-Anordnung: Bensebaini statt Can

Zunächst spielte der BVB einen Dreieraufbau wie in der Vergangenheit oft gesehen, mit Emre Can als zentralem Mann. Das führte jedoch zu einigen Verschiebungen im Spiel der Schwarzgelben, die nicht funktionerten. Youngster Jamie Bynoe-Gittens musste weit ins Zentrum schieben, was er - anders als Marco Reus rechts - nicht gewohnt ist. Durch den hoch aufgerückten Ramy Bensebaini und die fehlende Abdeckung durch Bynoe-Gittens konnte Gladbach nach eigenem Ballgewinn zu einfach über die rechte Seite kontern - und erzielte zunächst das 0:1, dann noch ein Abseitstor.

Spielbericht: Aus 0:2 mach 4:2 - BVB dreht Borussen-Duell

Deshalb passte Edin Terzić sein Personal an, ohne den eigentlichen Plan dabei durcheinander zu werfen: Statt Can rückte nun Bensebaini als dritter Aufbauspieler in die Abwehrkette. Das verändert auch davor einiges: Can bildete nun die Sechs, Marcel Sabitzer die linke Acht und Bynoe-Gittens fungierte als Breitengeber auf der linken Seite in der Offensivreihe.

Dabei waren die Positionen nicht stur festgelegt: Gerade Reus und Zehner Julian Brandt tauschten immer wieder die Rollen, aber auch Bynoe-Gittens war regelmäßig an Positionswechseln beteiligt. Dabei behielten sich die Rollen der einzelnen Positionen aber bei. Der Linksaußen blieb Breitengeber, der Rechtsaußen rückte in die Mittelfeldraute ein.

Jetzt mit Bensebaini: Die Raute wechselt variabel - DFL Deutsche Fußball Liga

BVB-Taktik kreiert Dortmunds Tore

Mit der Anpassung im Personal klappte das Gegenpressing nach eigenem Ballverlust besser. Die defensivstärkeren Spieler waren ballnäher und konnten sich behaupten. Dadurch stabilisierte sich der Abwehrverbund - und in der Folge konnte der BVB durch einen stark ausgespielten Konter den Anschluss erzielen. Während die generelle Taktik beim 1:2 nicht zum Tragen kam, profitierte der Dortmunder Gegenangriff trotzdem von den vielen zentral positionierten Spielern: Brandt trieb von seiner Zehner-Position nach rechts und sorgte für die Flanke. Mit Stürmer Niclas Füllkrug und den beiden Ballbesitz-Achtern Sabitzer und Reus war das Zentrum bei Brandts Flanke stark besetzt.

Spannend wurde die BVB-Taktik jedoch beim Ausgleichstreffer, denn hier kamen die Vorteile des 3-Raute-3 gegenüber des 5-3-2 der Gladbacher zum ersten Mal richtig zum Tragen: Bensebaini dribbelte als Halbverteidiger den linken Raum an und konnte vom Sturmduo, das mit Can und den anderen Innenverteidigern beschäftigt war, nicht aufgenommen werden. In der Folge musste Gladbachs Rocco Reitz auf Bensebaini rausrücken. Dadurch war dessen Gegenspieler Sabitzer frei und musste von Gladbachs rechtem Halbverteidiger Scally angelaufen werden. 

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Da Füllkrug den zentralen Innenverteidiger Nico Elvedi im Zentrum gebunden hatte, konnte dieser nicht in die Lücke aufschließen - und Bynoe-Gittens lief im Rücken von Franck Honorat davon und attackierte perfekt die entstandene Lücke. Bensebainis Flugball fand den Linksaußen genau im frei gewordenen Raum. Frei durch im Strafraum musste Elvedi schließlich doch Füllkrug verlassen und auf den Youngster aufrücken - das erkannte Bynoe-Gittens und legte per Kopf für seinen Mittelstürmer ab, der den Ball volley nahm und im Netz versenkte - Tor!

Die Entstehung des 2:2 durch Niclas Füllkrug - DFL Deutsche Fußball Liga

Dasselbe taktische Muster ließ sich vor der Pause noch einmal sehen, diesmal jedoch bei einem Angriff über die andere Seite: In der 39. Minute kombinierte der BVB auf dem rechten Flügel und spielte schließlich zum rechten Halbverteidiger Mats Hummels zurück.

Sabitzer hatte zuvor im linken Halbraum Gladbachs Verteidiger Scally angelaufen - und ließ sich dann wieder fallen. Scally folgte ihm ein paar Schritte aus der Kette heraus und für Dortmunds Linksaußen, in dieser Situation Marco Reus, ergab sich ein freier Raum in Gladbachs Abwehrkette, den Hummels mit einem perfekten Flugball fand. Im Strafraum versprang Reus der Ball, sonst wäre er frei vor dem Gladbacher Tor zum Abschluss gekommen.

Die Entstehung der Topchance von Reus in der 39. Spielminute - DFL Deutsche Fußball Liga

Gladbach schließt die Lücke - aber nicht das Problem

Die Reaktion der Fohlen war klar erkennbar: Honorat und Scally auf der rechten Defensivseite der Fohlen standen von nun an tiefer, wollten jeden Tiefenlauf abfangen und vor allem Scally ließ sich nicht mehr aus der Abwehrkette herausziehen. Die Lücke, die zu einem Gegentor und einer Topchance Dortmunds führten, war zunächst geschlossen.

Doch das Problem war nicht gelöst: Denn anstatt nun in der Tiefe Räume zu finden, waren Dortmunds Achter - nun nicht mehr von den freien Innenverteidigern unter Druck gesetzt - und auch die Außenspieler (vor allem links Bynoe-Gittens) immer wieder vor der Gladbacher Abwehrkette anspielbar.

So kam es bereits in der 42. Minute zu einem ersten Warnschuss: Nico Schlotterbeck dribbelte als zentraler Innenverteidiger nach links an und spielte Bynoe-Gittens vor Honorat in die Füße. Der dribbelstarke Linksaußen zog sofort in Richtung Zentrum, spielte Honorat im Eins-gegen-Eins aus und konnte in den Strafraum eindringen - erst innerhalb des Strafraumecks kam Julian Weigl zur Hilfe und verschuldete fast einen Elfmeter. Gladbachs Sechser spitzelte zunächst hauchzart den Ball weg, ehe er Bynoe-Gittens abräumte - ein knappes und riskantes Unterfangen.

Bynoe-Gittens kann vor Honorat den Ball annehmen und zur Mitte ziehen - DFL Deutsche Fußball Liga

Auf eine ähnliche Weise fiel dann auch noch vor der Pause das Dortmunder Führungstor: Der BVB spielte Linksaußen Bynoe-Gittens frei und wollte von dort in die Tiefe kommen. Zwar kamen die Fohlen noch zwei Mal in Ballbesitz, doch jedes Mal sorgte Dortmunds gute Restverteidigung für den schnellen Ballverlust: Erst konnte Jordan einen Steilpass gegen Schlotterbeck nicht behaupten, dann war Reus im Zentrum sofort bei Manu Koné und luchste ihm den Ball ab. Über kleine Umwege kam es dann, wie es kommen musste: Der von links in die Mitte ziehende Bynoe-Gittens bekam den Ball aufgelegt, zog mit dem starken rechten Fuß ab und versenkte den Ball links unten im Netz.

Doch damit nicht genug - ein weiteres Problem wurde ebenfalls noch vor dem Pausenpfiff deutlich: Selbst wenn Gladbach die Flugbälle in die Tiefe verteidigte, hatte Dortmund im Zentrum des Spiels immer noch die Dominanz. So spielte Bensebaini einen hohen Ball in Richtung seines Linksaußen (in dieser Situation Sabitzer), den Honorat zwar abfing - im Halbraum schnappte sich aber der linke Achter (hier Reus) den Ball, kombinierte sich über einen schnellen Doppelpass mit Stürmer Füllkrug in den Sechzehner - und scheiterte am stark reagierenden Moritz Nicolas im Fohlen-Tor.

Leverkusen wartet - das kann der BVB lernen

In der zweiten Hälfte der Partie beschränkte sich der BVB größtenteils darauf, die defensive Stabilität zu halten, löste die Raute immer wieder für defensive Breite auf - besonders nachdem Gladbach auf ein 4-4-2 umgestellt hatte - und die taktischen Muster wurden seltener sichtbar. Doch in Führung war es nicht am BVB, anzugreifen und Dortmund spielte ruhig die Partie zuende, kam am Ende per Konter zum entscheidenden 4:2.

Taktik-Check: Das macht BVB-Gegner Leverkusen so stark

Nun wartet mit Spitzenreiter Bayer 04 Leverkusen ein knallharter Gegner auf Borussia Dortmund, der ebenfalls mit drei Innenverteidigern agiert - was kann Dortmund daraus mitnehmen?

Zunächst einmal das einfache Learning: Ein Dreieraufbau, bei dem beide Außenverteidiger sehr weit hochschieben, ist defensiv anfällig und riskant - vor allem Leverkusens starke rechte Seite mit Jeremie Frimpong und Jonas Hofmann dürfte hier für mächtig Probleme sorgen, sollte der BVB erneut so spielen. Entscheidet sich Terzić auch gegen Xabi Alonso für diese Formation, sollte er beim Erfolgsrezept mit Bensebaini in der Abwehrkette bleiben.

Jedoch ist nicht jede Dreier-/Fünferkette gleich - Leverkusen spielt gegen den Ball ein 5-2-3 (bzw. 3-4-3). Durch die andere Verteilung der Offensivspieler würden drei Stürmer auch drei Innenverteidiger anlaufen. Das Konzept des freien Abwehrspielers, der dann Flugbälle in die freien Räume spielt, wäre somit nicht funktional. Dafür ist das Zentrum mit nur zwei Spielern schwächer besetzt.

Es könnte für Terzić also empfehlenswert sein, einen der vier Rauten-Spieler aus der Mitte zurückzuziehen, um flach mit vier Verteidigern aufzubauen - dann bleibt die Mehrzahl in Abwehrkette und Mittelfeld bestehen. Das könnte Terzic entweder dadurch erreichen, einen Spieler in den Aufbau zurückfallen zu lassen - oder einfach den Rechtsverteidiger flach zu halten. Dafür müsste dann der nominelle Rechtsaußen als neuer Breitengeber fungieren, anstatt ins Zentrum einzuschieben.

Offensiv sollte sich Xabi Alonso jedoch auf das Dortmunder Erfolgsrezept einstellen und eine Lösung dafür finden. Denn mit Frimpong hat Leverkusen rechts wie Gladbach einen sehr offensiven Flügelspieler, hinter dem Bynoe-Gittens auf jeden Fall Räume attackieren wird. Es wird spannend, wie Terzić reagiert, wenn der gegnerische Trainer eine Lösung für seine Ansätze findet. Denn im Topspiel liegt das Überraschungsmoment im Taktik-Duell zunächst auf Alonsos Seite.

Niklas Staiger