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Taktik-Analyse: Toppmöllers cleverer Eintracht-Block schießt Tuchels FC Bayern ab

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Dino Toppmöller hat seine Eintracht aus Frankfurt perfekt auf das Duell gegen den FC Bayern München eingestellt, dabei aber die SGE-Prinzipien beibehalten. Eine taktische Aufgabe, die Thomas Tuchel nicht lösen konnte.

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Dino Toppmöller entschied sich für das Topspiel gegen Rekordmeister FC Bayern München am 14. Spieltag für ein 4-4-2-System gegen den Ball. Dabei setzte er zwar auf seiner Mannschaft bekannte Muster, sorgte jedoch mit kleinen Tricks für Verwirrung beim Gegenüber. "Wir hatten eine Viererkette erwartet. Es war auch eine Viererkette, aber auf dem Spielberichtsbogen sah es dann aus wie eine Fünferkette", erklärte FCB-Coach Thomas Tuchel nach der Partie. Die falsch vermutete Taktik sorgte wiederum dafür, dass er dem Team "vor dem Spiel zu viele Informationen gegeben" habe.

Doch wie spielte Eintracht Frankfurt? Eigentlich wie zuletzt immer: Gegen den Ball baute sich ein 4-4-2 auf, das mit den Ketten extrem eng zusammen stand und so einen dichten Defensiv-Block zusammenstellte. Dass dabei ein gelernter Innenverteidiger als Außenverteidiger agiert, ist zuletzt oft der Fall gewesen. Gegen den FCB war es jedoch Linksfuß Willian Pacho, der auf den Flügel rückte - zuvor war es oft Tuta, der rechts als Außenverteidiger auflief. Statt links Philipp Max agierte rechts Aurélio Buta als gelernter Außenverteidiger. Das ließ Tuchel offenbar vermuten, dass entweder Ansgar Knauff oder Éric Dina Ebimbe als linker Flügelverteidiger der Fünferkette agieren würden, doch beide spielten normale Flügelrollen im 4-4-2.

Eintracht Frankfurt verteidigte mit einem 4-4-2 Defensiv-Block - DFL Deutsche Fußball Liga

Raumdeckung mit Mannbezug

Da sich der FCB in der eigenen Grundformation ebenfalls mit zwei Stürmern, zwei Zentrumsspielern und einer Viererkette aufbaute, war es für die SGE früh möglich, einen klaren Mannbezug herzustellen. Zwar variierte Bayern später in der Spielstruktur, jedoch konnte Frankfurt die geschehenen Änderungen jeweils immer gespiegelt verteidigen. 

Spannend zu sehen war jedoch, dass sich Frankfurt nicht in enger Manndeckung befand, sondern den Bayern regelmäßig viel Platz ließ. Der einzige Spieler, der in Manndeckung zugestellt wurde, war Sechser Joshua Kimmich, der gar nicht in die Situation kommen sollte, das Spiel zu gestalten. Diese Rolle hatte Farès Chaibi als hängende Spitze inne. Zwar übergab er situativ an Sturmpartner Omar Marmoush, doch Kimmichs Abdeckung war sein Job.

Spielbericht: Eintracht wie im Rausch! Bayern geht in Frankfurt baden

Der Platz zwischen den Ketten war jedoch nur eine Illusion - eine Falle quasi. Denn die Bayern mussten beim Aufbau aus der Abwehrkette durchaus lange Passwege zwischen Frankfurts Abwehr- und Mittelfeldkette spielen - Zeit für die Abwehrspieler, um aggressiv rauszutreten und das Ballannehmen zu verhindern. Gleichzeitig konnten sich aber die Mitspieler aus der Mittelfeldkette zurückziehen und den Druck von der anderen Seite erhöhen.

Bereits in der 4. Minute wurde das eindrucksvoll bemerkbar, als zunächst Robin Koch gegen Eric Maxim Choupo-Moting und dann Tuta gegen Harry Kane herausstachen - hohes Risiko, denn im Zentrum dahinter dahinter klafften große Lücken. Es erforderte also eine Menge Disziplin von Frankfurts Abwehrverbund. Der Defensiv-Block sollte dem FCB Räume lassen, diese aber rechtzeitig schließen, um Ballgewinne zu forcieren. 

Choupo-Moting wird im freien Raum angespielt, doch Koch macht sofort Druck - DFL Deutsche Fußball Liga

Nervenstärke und Genauigkeit

Ein 4-4-2 gilt als einfach verständliches System. Es gehört zu den Basics, die jeder Fußballer drauf haben muss. Jedoch ist es dabei wichtig, die einfacheren Anweisungen umso perfekter umzusetzen. Hätte etwa Koch oder Tuta das Duell in der 4. Minute verloren, hätten die Münchner vermutlich früh eine Topchance bekommen, um in Führung zu gehen.

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Dieses Verteidigungsverhalten war auch von der Mittelfeldkette gefragt. Tuchel reagierte auf den starken Mannbezug durch Überladen der Räume - Leon Goretzka rückte weiter auf, Leroy Sané schob von links zur Mitte und wurde von Alphonso Davies hinterlaufen. Doch die SGE löste durch situatives Einrücken in eine Fünferkette - ein Verhalten, das sie seit der Umstellung aus der Fünfer- zur Viererkette immer wieder gegen den Ball zeigen - jegliches Überladen der Abwehrkette in Rauch auf.

Dass diese schwierige Aufgabe schwere Folgen haben kann, wenn sie nicht mit voller Disziplin durchgesetzt wird, zeigte eine Szene in der 25. Minute. Mario Götze verschätzte sich bei einer Situation, in der Kingsley Coman außen den Ball hatte - und Bayern bekam extrem viel Raum, Goretzka kam frei vor der Abwehrkette - alle in ihr eigenes Eins-gegen-Eins verwickelt - in Ballbesitz, zwang dadurch Tuta in einen Zweikampf und spielte dahinter Kane frei. Doch etwas Glück gehört auch dazu, wenn man den FC Bayern besiegen will: Kane schoss rechts vorbei. Ein Fehler, der Götze den Rest des Nachmittags nicht mehr passierte. Er riskierte beim Rausrücken nicht mehr so viel und hielt seine Position sehr diszipliniert.

Götze verschätzt sich, Goretzka läuft frei auf die Abwehrkette - DFL Deutsche Fußball Liga

Toppmöllers Verwirrungstaktik hilft beim Führungstor

Doch hoher Mannbezug im eigenen Spiel bedeutet normalerweise auch, dass der Gegner ebenfalls in der Gegenbewegung einen guten Mannbezug herstellen kann. Das versuchten die Adlerträger früh zu umgehen, indem sie durch gegenläufige Bewegungen oder diagonale Sprints ihre Gegenspieler zum Übergeben zwangen oder ganz abschüttelten.

So war es etwa beim frühen Führungstor der Hessen der Fall: Rechtsaußen Knauff ließ sich weit fallen, zog zunächst Linksverteidiger Alphonso Davies etwas heraus, lief dann in den Raum von Sané. Der übernahm Knauff, jedoch konnte dann Sanés vorheriger Gegenspieler Buta in dessen Rücken in die Tiefe stoßen, wurde von Davies nicht übernommen und kam am Ende mit viel Raum zur Flanke, die nach etwas Pingpong im Tor endete (12.). Ein Muster, das schon zuvor sichtbar wurde - der FCB hatte Probleme im Übergeben der doppelten Flügel. Möglicherweise wegen Toppmöllers Kniff: Tuchel war ja bei den Anweisungen vor Spielbeginn von einer Fünferkette ausgegangen. Diese hätte nur einen Flügelspieler gehabt.

5:1 über Bayern: Bei Toppmöller folgt Freud auf Leid

Doch auch bei den späteren Kontertoren wurde immer wieder deutlich, dass die Eintracht darum bemüht war, den eigenen Mannbezug abzuschütteln. Beim 2:0 war es zunächst Marmoush, der weit entgegen kam und Dayot Upamecano herauszog - Dina Ebimbe übernahm die Rolle als Sturmspitze. Zudem sorgte der diagonale Lauf von Knauff für die schwache Zuordnung - anstatt Davies war plötzlich Minjae Kim in ein Laufduell mit Knauff verwickelt. Ohne die Innenverteidiger war der "neue" Stürmer Dina Ebimbe dann ohne klare Gegnerzuordnung im Zentrum. Knauff gewann das Duell mit Kim, spielte Dina Ebimbe an und der versenkte den Ball im Netz (31.).

Knauff zieht die Aufmerksamkeit auf sich und öffnet Raum für Buta - DFL Deutsche Fußball Liga

Tuchels Ideen bringen Bayern teilweise Lösungen

Nach dem 3:0 entschied sich Thomas Tuchel dazu, die beiden Flügelspieler Coman und Sané die Seiten wechseln zu lassen - eine taktische Idee, die zunächst bei der Hintermannschaft der Eintracht für etwas Verwirrung sorgte. Coman sollte ähnlich den Hessen zuvor diagonal hinter die Kette stoßen und somit die Innenverteidiger daran hindern, weit rauszustechen. Doch Buta, der ebenfalls viel Tempo mitbringt, verteidigte diese Läufe auch im Eins-gegen-Eins sehr gut.

Anders war es auf rechts: Sané brachte von rechts kommend ein komplett anderes Element als Coman ein. Anders als dem Flügelsprinter machte es Sané nichts aus, im engen Raum angespielt zu werden. Immer wieder konnte er sich aus dem Druck von Pacho und Dina Ebimbe zur Mitte hin befreien und sorgte anderweitig für freie Räume. Etwa in der 40. Minute spielte er sich aus dem Druck und schickte Choupo-Moting rechts in die Breite - die SGE hatte viel Mühe, dessen Flanke aus dem Strafraum zu klären.

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In der Folge ließ sich Dina Ebimbe links etwas weiter zurückfallen, wollte Sané enger verteidigen oder noch hinter ihm stehen. Das führte jedoch dazu, dass sich im Raum vor Sané einige Räume für Noussair Mazraoui und Kimmich ergaben -  und genau diesen Raum nutzte Bayerns Sechser, um noch vor der Pause mit einem traumhaften Fernschuss den Anschluss zu markieren. Eigentlich hätte er so nah am Strafraum eine Gegnerzuordnung haben müssen, doch der vorherige Ballverlust (und daher ohnehin etwas Unordnung in der SGE-Hintermannschaft) und die Angst vor Sané brachten die Defensivstruktur durcheinander.

Toppmöller löst Tuchels Aufgaben

Doch dass die Umstellung relativ kurz vor der Pause passierte, gab Frankfurts Coach die Möglichkeit, sich eine Lösung für die Aufgaben zu überlegen, vor die der Bayern-Trainer ihn stellte. Und Toppmöller fand eine: Anstatt Dina Ebimbe passiver werden zu lassen, blieb Pacho eingerückter. Wenn er auf Sané herausschieben musste, sicherte er priorisiert die Innenseite ab. Auch Dina Ebimbe, der ihm dann zur Hilfe kam, machte zunächst die Innenseite zu, anstatt sofort den Ballgewinn zu suchen, wie man es noch gegen Coman getan hatte. Dadurch kam Sané zwar vereinzelt rechts in die Tiefe, durch eine gut stehende Zentrumsverteidigung löste die SGE die entstandenen Situationen aber eine Station später. Man nahm Durchbrüche von Linksfuß Sané auf Rechtsaußen also gewissermaßen in Kauf.

Auch eine weitere Idee, die sich Tuchel in der Halbzeitpause überlegte, prallte an Frankfurts starkem 4-4-2-Block einfach ab: Mit Konrad Laimer und Raphaël Guerreiro brachte Tuchel zwei Spieler auf die Außenverteidiger-Positionen, die sich auch in der Schaltzentrale sehr wohl fühlen. Während Guerreiro - ähnlich zuvor Davies, jetzt jedoch in der Halbspur - in die Sturmreihe vorschob, war Laimer immer wieder im Halbraum zu finden. Da Guerreiro von links kommend vorstieß, konnte zudem Goretzka flacher bleiben und beim Spielaufbau helfen.

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Doch die SGE ließ sich davon nicht beirren: Knauff rückte beim Vorpreschen Guerreiros tief hinten rein, stellte situativ wieder eine Fünferkette her. Gegen den aufrückenden Laimer schob wiederum Dina Ebimbe mehr ins Zentrum. So ähnlich geschah es auch beim 4:1. Knauff begleitete zunächst Guerreiro tief, übernahm dann Coman (der wiederum aus Bayerns Sturmreihe fiel, weshalb auch Knauff aus der Fünferkette herausschob). Links begleitete Dina Ebimbe Laimer ins Zentrum und wartete, bis der linke Sechser Hugo Larsson wieder zur Stelle war, um diesen zu übernehmen - dann spekulierte er auf das Andribbeln von Upamecano, klaute ihm den Ball und startete den Konter zum Tor (50.).

Ein Tor, das Frankfurts Erfolgstaktik nahezu perfekt beschreibt: Ein kompakter 4-4-2-Block, situatives Verschieben mit Bayerns Positionsrochaden, diszipliniertes Übergeben der Spieler, Spekulieren auf Fehler des Gegners - um dann mit kreuzenden Läufen und hohem Tempo zu attackieren.

Niklas Staiger