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Wurzeln auf Beton: Prince Boateng zurück bei Hertha BSC

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Nach 14 Jahren, 13 Stationen und fünf Titeln kehrt Kevin-Prince Boateng zurück zu seinem Heimatclub Hertha BSC. Für den "Käfigfußballer" im Karriereherbst schließt sich damit der Kreis einer Laufbahn voller Superlative.

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Diesmal waren die Schmerzen echt. Schon seinen "Wechsel" als Experte zur ARD-Sportschau hatte Kevin-Prince Boateng mit einem Video angekündigt, in dem er sich das Logo der Sendung tätowieren lässt. Was da nur ein Gag war, wurde diesmal schmerzhafte Realität: Zwischen seinen EM-Einsätzen flitzte er vom TV ins Tattoo-Studio und ließ sich das Wappen seines neuen Arbeitgebers stechen: die wehende Fahne von Hertha BSC oberhalb des Solar Plexus. "Hat verdammt weh getan", bekannte der 34-Jährige. Aber seine Liebe zu Stadt und Verein war stärker als der Schmerz auf dem Brustbein.

"Ich bin Vollblut-Berliner", sag der Rückkehrer, der seine Wurzeln nie vergessen hat: "Es hat alles hier angefangen. Ich durfte in den größten Stadien der Welt spielen. Aber nur, weil ich es hier gelernt habe." Nach 14 Jahren ist er zurück im Wedding, seinem Kiez. Das Leben dort habe ihn vorbereitet auf seine schillernde Karriere.

"Viel rumgekommen" ist dabei eine Untertreibung. Der gebürtige Berliner hat neben Deutschland in den Top-Ligen in Italien, Spanien und England gespielt und überall Titel gewonnen. Mailand und Barcelona stechen hervor aus der Liste der 13 Vereine, für die der zentrale Mittfeldspieler in den vergangenen  Jahren aufgelaufen ist. Im gesegneten Fußballeralter kehrt nun einer der spektakulärsten Fußballer zurück, die die Bundesliga hervorgebracht hat.

Berliner Anfangszeit: Prince noch jung, aber schon üppig tätowiert - /

Hertha BSC verpflichtet Kevin-Prince Boateng

Boatengs Reise von den Berliner Bordsteinen in die größten Fußballarenen der Welt begann auf der "Panke", einem Bolzplatz in Wedding. Das Spiel auf der Straße prägte den Spiel- und Lebensstil des Sohnes eines ghanaischen Vaters und einer deutschen Mutter. Mutig sein, nichts gefallen lassen, austeilen, einstecken, tricksen, prahlen, provozieren, cool bleiben. Den Fußball und sich selbst feiern. Kein Schiedsrichter, kein Puffer zwischen Knien und Asphalt. "Gewachsen auf Beton" - so steht es auf einem Graffiti nahe des "Käfigs", in dem Prince einen Großteil seiner Kindheit verbrachte.

Mit neun Jahren kommt er zu Hertha BSC, durchläuft die Jugendteams und debütiert 2005 in der Bundesliga. Der Straßenfußball quillt aus jeder Pore dieses wilden, hyper-selbstbewussten Offensivtalents: Herrliche Tore, aufreizende Dribblings, Tattoos, Irokesen-Frisur, große Posen - der König der Straße regiert im Olympiastadion. Nach 53 Spielen, fünf Toren und einer Menge Schlagzeilen verlässt er seine Heimatstadt 2007 zum ersten Mal, wechselt zu den Tottenham Hotspur, mit denen er seinen ersten Titel im Profibereich feiert: Ligapokalsieger 2008.

In Erinnerung bleibt aber vor allem die Szene aus dem FA-Cup-Finale 2010, als Prince (damals bei Portsmouth) Chelseas Michael Ballack so hart am Sprunggelenk trifft, dass der "Capitano" die WM verpasst. Boateng wird Absicht unterstellt, zumal er drei Wochen später nicht für die deutsche, sondern die ghanaische Nationalmannschaft debütiert, mit der er beim Turnier in Südafrika auf Deutschland trifft. Im ersten direkten Duell zweier Brüder bei einer Weltmeisterschaft unterliegt Prince seinem Geburtsland mit dem eineinhalb Jahre jüngeren Jerome knapp mit 0:1, vier Jahre später in Brasilien gibt es, erneut in der Gruppenphase, ein 2:2.

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Auf den aufwühlenden Sommer 2010 folgt die längste Station seiner Karriere, Prince heuert beim AC Mailand an. Dort spielt er mit Ronaldinho und Zlatan Ibrahimovic in der Champions League und lernt seine zweite Frau kennen, das italienische Model Melissa Satta. Bei der Meisterfeier 2011 tritt er als Michael Jackson auf, bringt mit einem Moonwalk-Auftritt das San Siro zum Kochen. Selbst aus dem starbesetzten Meister-Team dieses Welt-Clubs sticht der Junge aus dem Wedding schillernd hervor - der Prince in seinem Element.

2013 zieht es ihn zum FC Schalke - schon die zweite Rückkehr in die Bundesliga und ausgerechnet zum Erzrivalen von Jürgen Klopps Borussia Dortmund, wo Prince auf Leihbasis die Rückrunde 2009 verbracht hatte. Einer Saison mit Tabellenplatz drei, sechs Toren und acht Vorlagen folgt eine zweite, die in Boatengs Suspendierung und seinem Abgang endet.

Nach kurzzeitiger Rückkehr nach Mailand und einer erfolgreichen Saison bei UD Las Palmas tritt er 2017 in Frankfurt an, mit seinem Ruf als enfant terrible aufzuräumen. Der Plan, den erfahrenen, zentral flexibel einsetzbaren und mittlerweile viersprachigen Boateng als Leader der multikulturellen Eintracht-Truppe einzusetzen, geht voll auf. Im DFB-Pokalfinale 2018 schlägt das Team von Niko Kovac sensationell den FC Bayern. Boateng gibt die Vorlage zu Ante Rebics 1:0, die Absprache "Bruder, schlag den Ball lang" wird zum Klassiker. Nach einem Jahr verlässt er Deutschland erneut, diesmal im Guten - was zu beweisen war, hat er bewiesen.

Boateng auf Rebic - das Erfolgsrezept zum 1:0 im Pokalfinale gegen Bayern, Endstand: 3:1 - Huebner/Scheiber/imago/Jan Huebner

Der Sommerfahrplan der Bundesliga-Clubs

Drei Jahre, einen Meistertitel mit dem FC Barcelona und vier weitere Stationen nach dem gemeinsamen Eintracht-Coup ist es nun erneut Fredi Bobic, der seinen Ex-Mitspieler aus Hertha-Zeiten zurück nach Deutschland lotst. Der Plan des neuen Berliner Sportvorstands gleicht dem von damals: "Prince ist mit seinen Führungsqualitäten in der Kabine und abseits des Platzes ein enormer Gewinn für unsere Mannschaft, auf dem Rasen hat er sich über viele Jahre auf höchstem Level bewiesen."

Wer, wenn nicht dieser Junge von der Weddinger Panke soll mithelfen, die "Stadt zurückzugewinnen", wie Bobic den Hertha-Auftrag beschreibt. Ein Berliner, der die Fußballwelt eroberte und nun heimkehrt. Vom Asphalt ins Flutlicht, vom Bordstein zur Skyline und zurück. Denn einen Besuch an der Panke in Wedding wird der Prince aus der Hauptstadt sich sicher nicht nehmen lassen.