Kovac und Favre: Duell mit der Vergangenheit
Köln - Der Kampf um die Deutsche Meisterschaft zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund wird am kommenden Samstag seinen Höhepunkt erfahren, wenn beide Mannschaften im Fernduell den Champion ausspielen. Einen entscheidenden Part in diesem Duell könnten dabei zwei Teams spielen, zu denen vor allem die Trainer der beiden Meisterschaftsaspiranten ganz besondere Beziehungen haben.
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Auf der einen Seite steht Niko Kovac an der Seitenlinie, der 47-jährige ehemalige kroatische Nationalspieler und -trainer, seit Saisonbeginn bei den Bayern als Nachfolger von Jupp Heynckes aktiv ist. Kovac kam von Eintracht Frankfurt nach München, gewann vor seinem Engagement beim FCB mit der Eintracht ausgerechnet gegen seinen neuen Arbeitgeber den DFB-Pokal, Frankfurts erster Titel seit 30 Jahren. Kovac verließ die Metropole am Main als Held und stand beim im Umbruch befindlichen FC Bayern vor der größten Herausforderung seiner vergleichsweise jungen Trainerkarriere. Bis dato meisterte er diese Aufgabe mit Bravour, könnte in seiner ersten Saison beim Rekordmeister sogleich Doublesieger werden. Um dieses Ziel zu erreichen, muss er am Samstag eben seinen Ex-Club aus dem Weg räumen: Eintracht Frankfurt.
Kovac und die Bayern treffen auf Frankfurt
Es wird das bislang wichtigste Spiel beim FC Bayern München für Niko Kovac werden, in das der Kroate mit seiner Mannschaft aber mit breiter Brust gehen kann. 39 Punkte holte der Rekordmeister in der Rückrunde, münzte einen Neun-Punkte-Rückstand auf Dortmund in einen Zwei-Punkte-Vorsprung um, zwischenzeitlich waren es sogar vier Punkte. Schon ein Unentschieden dürfte ob des deutlich besseren Torverhältnis reichen, um die insgesamt 29. Meisterschaft perfekt zu machen. Und im Supercup sowie im Duell in der Hinrunde konnte die Kovac-Elf Eintracht Frankfurt bereits deutlich besiegen: 5:0 und 3:0 gingen diese beiden Spielen zugunsten der Bayerns aus. Wer nun aber glaubt, dass ein Sieg nur Formsache sein wird, der irrt gewaltig. Schließlich kämpft auch Frankfurt noch um die Qualifikation für die Champions League, könnte bei einer Niederlage gar ganz aus den internationalen Startplätzen herausrutschen. DIes will man mit aller Macht verhindern, zudem wäre es für Mannschaft und Fans wohl eine große Genugtuung, den Bayern nach dem Pokal im vergangenen Jahr nun auch die Deutsche Meisterschaft zu vermiesen. Die Verbundenheit mit dem Ex-Coach wird am Samstag definitiv hinten anstehen, auf Geschenke darf sich Niko Kovac nicht einstellen.
Fast am Ziel: Dem FC Bayern München fehl nicht mehr viel
"Aufgeschoben ist nicht aufhoben. Ich bin überzeugt davon, dass nächste Woche vor heimischem Publikum die Post abgehen wird. Sowohl auf den Rängen als auch auf dem Platz", sagte Niko Kovac nach dem 0:0 in Leipzig, durch das der FCB die Meisterschaftsentscheidung auf den 34. Spieltag vertagte. "Wenn es am Ende ein Happy End ist, kann ich damit leben, dass ich noch eine Woche warten muss", verriet Kovac, der voller Vorfreude in das Duell mit seinem ehemaligen Arbeitgeber geht, mit dem er den bislang größten Erfolg seiner Trainerkarriere feiern durfte. Mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft oder gar dem Double könnte er diesen Erfolg nun toppen.
Dortmund und Favre treffen auf Mönchengladbach
Derjenige, der da natürlich etwas gegen hat, ist Lucien Favre von Borussia Dortmund. Die Parallelen zwischen Favre und Kovac sind offensichtlich: Auch der Schweizer heuerte erst zu Saisonbeginn bei Borussia Dortmund an, spielt in seiner ersten Saison sofort um den Titel mit – und trifft am letzten Spieltag auf seinen Ex-Club. Viereinhalb Jahre von Anfang 2011 bis Ende 2015 war der 61-jährige Favre bei Borussia Mönchengladbach Cheftrainer, machte die Fohlenelf vom Abstiegskandidaten zum Champions-League-Teilnehmer. Mit im Team damals für ein Jahr übrigens auch Marco Reus, der 2012 von Gladbach nach Dortmund wechselte. Auch für ihn wird es also wieder einmal ein Duell mit dem Ex-Club. Der Dortmunder Kapitän hat seine Rotsperre abgesessen. Doch auch für Gladbach geht es am Samstag noch um die Teilnahme an der Champions League, auch sie werden keine Gastgeschenke an den Ex-Trainer verteilen.
Saisonfinale: Der spannende Endspurt
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Man habe eine Chance auf den Titel, wenn man in Gladbach gewinne, gab Lucien Favre nach dem Sieg gegen Düsseldorf die Marschroute vor. Der Glaube an die Meisterschaft ist beim BVB weiterhin vorhanden, auch wenn man seit Rückrundenbeginn einen großen Vorsprung verspielt hat. Klammert man diesen Fakt einmal aus, ist diese Spielzeit für den BVB dennoch schon jetzt und auch ohne den Titel als Erfolg zu verbuchen. Mit Ach und Krach beendete Schwarz-Gelb die letzte Saison auf Rang vier, nun hat man die Meisterschale noch nicht abgeschrieben: "Die Bayern können alles verlieren, wir können alles gewinnen. Mehr brauchen wir dazu nicht sagen", erklärte BVB-Chef Hans-Joachim Watzke am Samstagabend und fügte hinzu: "Die Mannschaft hat heute brutalen Druck gehabt. Aber der Druck wandert jetzt weiter nach Süden. Wir haben alles geliefert, was man diese Saison liefern musste. Wir können jetzt nur noch gewinnen. Es gibt keinen Druck mehr." Ein Finale, das es in dieser Form am letzten Spieltag zuletzt 2009 gab.
Erstes Herzschlagfinale seit zehn Jahren
"Meine Tochter ist sechs Jahre alt, sie hat noch nie ein Meisterfinale am letzten Spieltag erlebt", erzählte Sky-Kommentator Kai Dittmann beim Spiel der Dortmunder gegen Düsseldorf den TV-Zuschauern. Vor zehn Jahren ging der VfL Wolfsburg mit zwei Punkten Vorsprung auf die Bayern und den VfB Stuttgart in den letzten Spieltag, sicherte sich damals auch die Meisterschaft, weil sich VfB und FCB am Ende gegenseitig die Punkte wegnahmen. Ein Jahr später fiel die Entscheidung nur nominell am letzten Spieltag, die Bayern gingen zwar mit nur drei Punkten Vorsprung, aber mit einer um 17 Tore besseren Tordifferenz ins Saisonfinale, der FC Schalke 04 hatte also nur noch theoretische Chancen.
Nach acht Jahren, in denen erst der BVB und dann die Bayern die Bundesliga dominierten und teilweise weit vor dem 34. Spieltag als Deutscher Meister feststanden, kommt es nun endlich wieder zu einem echten Herzschlagfinale um den Titel. Es ist auch das Verdienst von Lucien Favre, der den BVB in einer Saison des Umbruchs stabilisierte und zum Titelaspiranten formte und der von Niko Kovac, der den FC Bayern nach turbulenter Hinrunde in ruhigeres Fahrwasser und zu alter Stärke führte. Beide werden am kommenden Samstag ein Wiedersehen mit der eigenen Vergangenheit erleben. Vermutlich, das wichtigste ihrer bisherigen Trainer-Karrieren.
Dennis-Julian Gottschlich