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VfL-Trainer Letsch im Interview - © JULIANE HERRMANN
VfL-Trainer Letsch im Interview - © JULIANE HERRMANN
bundesliga

Thomas Letsch im Gespräch: "Es ist gut, dass Menschen aufstehen und sich auch Trainerkollegen deutlich äußern“

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Ein Anruf veränderte das Leben von Thomas Letsch. Im Interview spricht der Trainer des VfL Bochum 1848 über seinen ungewöhnlichen Weg in die Bundesliga, seine frühere Tätigkeit als Lehrer und über Mut.

Bundesliga.de: Herr Letsch, würden Sie sich als mutigen Menschen bezeichnen?

Letsch: Von meinen sportlichen Entscheidungen im Job bin ich überzeugt, die würde ich nicht als mutig bezeichnen. Mut war es für mich auch nicht, als ich im Jahr 2022 beim VfL Bochum unterschrieben habe, obwohl der nach sieben Bundesliga-Spieltagen nur einen Punkt hatte. Die Leute fragten mich damals, wie ich das machen könne. Mutig war ich bei ganz anderen Entscheidungen, zum Beispiel als ich mich für eine Lehrerstelle im Ausland beworben habe und dann für drei Jahre nach Lissabon gegangen bin. Oder als ich später das Beamtenverhältnis aufgegeben habe, um in den Trainerberuf zu wechseln. Diese Entscheidungen haben nicht nur mein Leben betroffen, sondern auch das meiner Familie.

2012 bekamen Sie den für diese Veränderungen ausschlaggebenden Anruf von Ralf Rangnick, der Sie als Trainer zu RB Salzburg in den Jugendbereich holen wollte. Sie waren damals 43 Jahre alt – und sagten zu.

Letsch: Als ich das Angebot bekam, als Sportlicher Leiter und Trainer im Salzburger Nachwuchs zu arbeiten, war mir erst gar nicht so bewusst, dass ich das Beamtenverhältnis aufgeben müsste. Ich dachte, ich könnte mich einfach beurlauben lassen. Bis mir dann von den Behörden gesagt wurde: entweder Fußball oder als Lehrer arbeiten. Dann alles auf die Karte Fußball zu setzen, das hat mir kurzzeitig Kopfzerbrechen und auch schlaf- lose Nächte bereitet.

Warum?

Letsch: Ich wurde von meinen Eltern als Sicherheitsmensch erzogen. Mit diesem Schritt, das war klar, würde ich die vermeintliche Sicherheit aufgeben. Aber meine Frau hat mich immer unterstützt und damals gesagt, dass wir viele Leute kennen, die keine Beamten sind – und trotzdem glücklich. (lacht) Diese Entscheidung war nach der Partnerwahl die wohl wichtigste Weichenstellung meines Lebens. Die Welt ist für mich, der bis dahin immer in einem Kreis rund um die Heimat in Baden-Württemberg geblieben war, größer geworden.

Wie sah Ihr Berufsleben als Lehrer aus?

Letsch: Meine Familie und ich haben uns in Lissabon sehr wohlgefühlt, und ich hatte dort kurz zuvor den Vertrag als Lehrer im Auslandsdienst um drei Jahre verlängert. Meiner Frau sagte ich zwar, dass ich nicht mein ganzes Leben lang als Lehrer arbeiten wolle. Aber dabei dachte ich eher an eine Stelle als Schulleiter.

Stattdessen ein kompletter Neuanfang.

Letsch: Der Cut war nicht leicht, für alle. Eine neue Umgebung, für meine Tochter eine neue Schule – was für andere im Fußballgeschäft womöglich zur Routine gehört, war für uns neu. Aber es ist gut ausgegangen, wir haben immer noch den Wohnsitz in der Nähe von Salzburg – nicht der schlechteste Ort.

VfL-Trainer Letsch im Interview - JULIANE HERRMANN

Wie schnell fällen Sie solche Entscheidungen?

Letsch: Ich habe mich früher grundsätzlich mit Entscheidungen schwerer getan als heute. Aber ich habe immer auch Möglichkeiten zur Veränderung als Chancen betrachtet, zunächst unabhängig vom Fußball. Natürlich spielt auch das Glück im Leben eine Rolle, sodass sich oft Optionen für mich ergeben haben. Nur musste ich für mich herausfinden, ob ich das jeweils wirklich wollte – mit voller Überzeugung und der Unterstützung von zu Hause aus.

Wie haben Sie sich seit dem Wechsel in den Trainerberuf verändert?

Letsch: Ich hoffe nicht, dass ich mich gegenüber meiner Familie, meinen Freunden, meinen engsten Vertrauten verändert habe. Ich bin definitiv mutiger geworden. Ich mache mir keine Sorgen mehr um meine Zukunft. Irgendwo wird immer eine Tür aufgehen, das habe ich gelernt.

Gibt es eine Entscheidung, die Sie so nicht mehr treffen würden?

Letsch: Der Schritt zum FC Erzgebirge Aue war schwierig. Diese Entscheidung hatte ich damals quasi über Nacht getroffen, ich sah nur die Chance, in den deutschen Profifußball zu kommen. Heute nehme ich mir viel mehr Zeit, um mich intensiver mit dem Gegenüber zu beschäftigen. Aber auch für diese Erfahrung bin ich im Nachhinein dankbar. Ohne diese Phase hätte ich danach Gespräche nicht so geführt, wie ich es dann getan habe, und wäre heute nicht der, der ich bin. Ich bin davon über- zeugt, dass einen alles im Leben weiterbringt.

Haben Sie weitere Erkenntnisse in Ihrer zweiten Karriere als Trainer erlangt?

Letsch: In meiner Zeit in den Niederlanden bei Vitesse Arnheim hatte ich irgendwann das Gefühl, dass ich mir im Fußball viel zutrauen kann. Aber es geht ja nicht nur um mich. Je mehr Verantwortung ich in einem Job habe, desto mehr Menschen betreffen in der Regel meine Entscheidungen. Ich habe jede Station genau so gebraucht, wie ich sie erlebt habe. Nur so konnte ich mich weiterentwickeln. Es ist ein Trugschluss zu denken, man könne oder wisse alles.

Viele Trainer holen sich deshalb auch Input von Menschen aus an- deren Berufen. Sie auch?

Letsch: Jedes Gespräch hilft in der eigenen Entwicklung. Ich genieße das. Es ist mir auch wichtig, mich über andere Dinge als den Fußball auszutauschen. Ich habe nach meiner Zeit in Wien (als Trainer beim FK Austria; Anm. d. Redaktion) mit einem Führungscoach aus der Wirtschaft zusammengearbeitet, wir sind immer noch im Austausch.

Trifft das auch auf Ihre vorherige Tätigkeit als Lehrer zu?

Letsch: Meine Entscheidungen betreffen Menschen. Das ist eine Parallele zum früheren Job. Jeder Mensch ist anders, und trotzdem gibt es Regeln, die für die ganze Gruppe gelten. Das ist auch die Herausforderung in meinem heutigen Job: jeden gleich, aber trotzdem individuell zu behandeln. Ich habe mir fest vorgenommen, immer ehrlich und transparent zu sein. Auch wenn das manchmal hart für einen Spieler oder Mitarbeiter ist.

Welche Erfahrungen und Einflüsse Ihrer Aufenthalte im Ausland haben Sie besonders geprägt?

Letsch: Die Gelassenheit und der freundliche Umgang mit Kindern oder Bedürftigen in Portugal. Was man nicht ändern kann, nimmt man dort hin. Das habe ich mitgenommen. Was man nie vergessen darf: Ich war dort auch Gastarbeiter, musste mich integrieren. Ich habe mich immer willkommen gefühlt. So lebe ich auch hier. Wir haben eine Stimme, die sollten wir auch nutzen.

Was genau meinen Sie damit?

Letsch: Wenn auf der Welt Kriege herrschen, sich innenpolitisch rechtsextreme Tendenzen auftun, dann beschäftigt uns das alle. Es ist gut, dass die Menschen aufstehen und sich auch Trainerkollegen deutlich äußern. Ein Club und eine Fußballmannschaft repräsentieren die Gesellschaft. Hier arbeiten Menschen unterschiedlicher Nationen, Kulturen und Religionen. Ohne Respekt und Toleranz würde das nicht funktionieren. Genauso wie die ganze Gesellschaft.

Herr Letsch, vielen Dank für dieses Gespräch.

Das Interview erschien erstmals in der Ausgabe 1/24 des DFL MAGAZINS.