Borussia Dortmund überzeugt in der Hinrunde mit begeisterndem Offensivfußball - © Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images
Borussia Dortmund überzeugt in der Hinrunde mit begeisterndem Offensivfußball - © Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images
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Hinrundenbilanz Borussia Dortmund: Auf Kurs Meisterschaft

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Köln - Mit der zweitbesten Hinrunde der Vereinsgeschichte hat sich Borussia Dortmund an die Spitze der Tabelle katapultiert und souverän die Herbstmeisterschaft gefeiert. Doch trotz zahlreicher Bestmarken und breiter Brust ist rund um den Borsigplatz weiterhin Bodenhaftung angesagt. Der Grund heißt Lucien Favre.

Als der Schweizer im Sommer seinen Dienst bei Borussia Dortmund antat, waren damit einige Hoffnungen verbunden. Eine klare Linie sollte er wieder vorgeben, die Auftritte des BVB stabilisieren, neuen Elan hineinbringen und die Spieler wieder zu ihrer Leistungsstärke und gerne auch darüber hinaus führen. Dass dies schon ein halbes Jahr später zur Tabellenführung mit sechs Punkten Vorsprung reicht und Meisterschaftsträume weckt, hätte wohl niemand für möglich gehalten.

42 Punkte in der Liga, dazu noch die Champions-League-Gruppe gewonnen und im DFB-Pokal im Achtelfinale dabei - "wenn wir das im August erklärt hätten, hätten alle behauptet, dass wir geistesgestört sind", kann auch BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke angesichts des bärenstarken Halbjahres nur den Kopf schütteln.

"Mentalitätsmonster" in Schwarz-Gelb

Nur einmal unter Jürgen Klopp in der Meistersaison 2010/11 war die Borussia besser, und vieles erinnert auch unter Favre an den Meistermacher von damals. Begeisternder Offensivfußball samt Torfeuerwerk, eine dominante Spielweise, ein Muster an Moral und Mentalität in einer Mannschaft, die diesen Namen verdient: Im Schnelldurchgang hat der Schweizer ein Team geformt, das dem jahrelangen BranchenprimusBayern München wieder Paroli bieten kann. Am Ende des Jahres stehen überhaupt nur zwei Niederlagen zu Buche stehen – eine im Europapokal bei Atletico Madrid, eine in der Bundesliga bei Aufsteiger Fortuna Düsseldorf.

Dabei gab es im ersten Saisondrittel durchaus Probleme bei der Borussia, als es vor allem im Spiel nach vorne noch hakte und klemmte. Doch rückblickend liegt in den ersten Partien vielleicht sogar der Schlüssel für die imposante Serie. Beim Pokalauftritt in Fürth rettete sich der BVB nach Rückstand erst in der Verlängerung in die nächste Runde. Die Bundesliga-Premiere gegen RB Leipzig begann ebenfalls mit einem Rückstand, am Ende gewann Dortmund mit 4:1 – die neuen "Mentalitätsmonster" in Schwarz-Gelb waren geboren, die den Glauben an sich nie zu verlieren scheinen.

Jadon Sancho ist ein wichtiger Baustein des BVB-Erfolgs - 2018 DFL

Vorläufige Wachablösung im Klassiker untermauert

"Es kann in Fürth und gegen Leipzig auch anders laufen. Dann kommen wir vielleicht nicht so ins Rollen. Es war aber alles hart erarbeitet", meint Kapitän Marco Reus. "Wir haben wieder Robustheit und Überzeugung, anders als in der letzten Saison. Sobald es leichten Gegenwind gab, hat die Mannschaft ihre PS da nicht mehr auf den Platz gebracht", bekräftigt auch Sportdirektor Michael Zorc. Die Mannschaft jetzt hingegen hat mehrmals gezeigt, dass es schwer ist, sie zu besiegen. Insgesamt vier Mal drehte Dortmund in der Liga ein 0:1 noch in einen Sieg.

Zorc: "Sorgen? Dafür sind wir zu stabil"

Wie auch beim Klassiker, als die Borussia den FC Bayern München am elften Spieltag in einem spektakulären Gipfeltreffen am Ende mit einem 3:2-Erfolg geschlagen nach Hause schickte und die vorläufige Wachablösung auch in 90 Minuten untermauerte. Das Spiel markiert in etwa die Wende zwischen einem vor allem spektakulären und begeisternden Offensivfußball mit Wucht und Tempo, der die Gegner phasenweise schier überrollte, und einem kontrollierteren Stil. Gegen Nürnberg feierte Dortmund am fünften Spieltag einen 7:0-Kantersieg, nur eine Woche später schoss man in Leverkusen nach einem 0:2-Pausenrückstand noch vier Tore – ebenso viele wie auch in den darauf folgenden Partien gegen Augsburg und in Stuttgart.

Witsel der Dortmunder Königstransfer

Nach dem Klassiker gegen die Bayern gelangen dann im letzten Drittel der Hinrunde eine ganze Reihe von Siegen mit einem Tor Unterschied, weil Favre mit seiner Mannschaft die passende Mischung aus offensivem Freigeist und defensiver Disziplin gefunden hat. "Wir haben eine sehr gute Balance zwischen schönem, attraktivem Spiel und gleichzeitig einer gesunden Absicherung", lobt Sportdirektor Michael Zorc. Einer der Garanten für Mentalität, Struktur und Stabilität ist Axel Witsel. Der belgische Nationalspieler gilt als Königstransfer dieser Saison und hat auf Anhieb die Rolle erfüllt, die man ihm zugedacht hat. Für Zorc ist Witsel "ein ganz zentraler Baustein. Er erfährt absolute Wertschätzung und totale Akzeptanz von seinen Mitspielern. Er gibt nach innen Selbstvertrauen und strahlt das Gleiche nochmal nach außen aus."

Spieler der Hinrunde: Marco Reus

Gleiches gilt für Marco Reus, der die vielleicht beste Saison seiner Karriere spielt. Dortmunds Kapitän ist Schlüsselspieler, Leader und Torgarant in einer Person und stand – endlich einmal verschont von Verletzungen - in allen Partien der Hinrunde in der Startelf. Elf Treffer und sechs Vorlagen spiegeln die Effektivität des 29-Jährigen wider – so gut war er nach 17 Spieltagen noch nie. Auch hier stellte Lucien Favre die entscheidenden Weichen: Er beorderte Reus in die zentrale Rolle im offensiven Mittelfeld, wo der Nationalspieler neben seiner Schnelligkeit und Schussstärke auch seine Übersicht und Passsicherheit optimal zur Geltung bringen kann.

BVB-Neuzugang Paco Alcacer kommt in dieser Saison bereits auf zwölf Treffer - Joosep Martinson/Bundesliga/DFL via Getty Images

Offensivpower und Turbofußball dank Top-Talenten

Offensivpower und Turbofußball a la Dortmund tragen aber in dieser Hinrunde noch zwei weitere Namen: Paco Alcacer und Jadon Sancho. Der Spanier führt nicht nur mit zwölf Treffern die Torjägerliste an. Zehn Tore davon erzielte er als Joker – ein historischer Rekord. Zugleich ist Paco damit ein Muster an Effizienz. Für seine ersten neun Tore in der Bundesliga braucht er nur 237 Minuten, im Schnitt knipst er alle 42 Minuten. Mit Sancho trägt zudem der Shootingstar der Liga schwarz-gelb. Der 18-jährige Engländer ist jüngster Torschütze der Saison, jüngster Doppelpacker des BVB aller Zeiten und mit sieben Assists einer der besten Vorlagengeber der Bundesliga.

Bei aller Qualität auf dem Platz steht aber nicht nur für die Verantwortlichen fest – der entscheidende Mann sitzt auf der Bank. Lucien Favre, dieser akribische und gewissenhafte Perfektionist und Taktikfuchs, ist der Vater des Erfolges. Auch für Michael Zorc: "Lucien hat vom ersten Tag an eine klare Vorstellung gehabt, wie unser Spiel laufen soll. Er hat diese Abläufe in den Trainingseinheiten immer wieder mit der Mannschaft geübt. Immer die gleichen Abläufe. Die Mannschaft hat es irgendwann verinnerlicht, das sieht man." Zudem arbeite er "besonders auch bei den jungen Spielern im Detail und versucht, Dinge zu verändern, an die sie vorher vielleicht selbst noch gar nicht gedacht haben."

Rückkehrer der Hinrunde: Lucien Favre

Favre: "Das nächste Spiel ist das wichtigste"

Dem Schweizer gebührt aber auch das Lob dafür, dass trotz aller Euphorie und Erfolge bei der Borussia niemand abhebt. Gebetsmühlenartig formuliert der 61-Jährige bei jeder Gelegenheit immer wieder sein Mantra, das über allem steht: "Wir müssen lernen, lernen. Tag für Tag aufs Neue. Spiel für Spiel, wir können nicht unserer Philosophie ändern. Es ist wie immer: Das nächste Spiel ist das wichtigste." Und so wird es der BVB auch in der Rückrunde halten - Schritt für Schritt weiter. Vielleicht bis zum Meistertitel.

Aus Dortmund berichtet Dietmar Nolte