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Ex-Bundesligaspieler Flemming Povlsen ist während der EM für das dänische Fernsehen als Experte tätig
Ex-Bundesligaspieler Flemming Povlsen ist während der EM für das dänische Fernsehen als Experte tätig

"Wir haben eindeutig ein Offensiv-Problem"

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München - In der Bundesliga erlebte Flemming Povlsen mit Borussia Dortmund seine erfolgreichste Zeit. Der Publikumsliebling holte mit dem BVB 1995 den Titel, musste nach der Meistersaison allerdings seine aktive Karriere mit nur 28 Jahren wegen einer schweren Knieverletzung beenden.

Sein größter Triumph liegt inzwischen 20 Jahre zurück, als er 1992 mit Dänemark sensationell Europameister wurde. Als EM-Experte spricht er im Interview mit bundesliga.de über die Chancen der dänischen Mannschaft bei der EURO 2012, seine Turnierfavoriten und die Attraktivität der Bundesliga für dänische Spieler.

bundesliga.de: Herr Povlsen, bevor wir zur EM kommen verraten Sie uns bitte, was Sie zum Saisonabschluss Ihrer beiden ehemaligen Vereine 1. FC Köln und Borussia Dortmund sagen.

Flemming Povlsen: Ich denke, dass Köln leider verdient abgestiegen ist, weil sie personell einfach nicht stark genug waren und auch in den Spielen am Ende konditionell eingebrochen sind, warum auch immer. Es ist natürlich schade für den Verein, aber man hat einfach zu wenig gemacht, um sich zu retten. Die Dortmunder liegen mir natürlich mehr am Herzen. Ich freue mich sehr über den Erfolg. Der Verein strahlt eine große Ruhe aus, hat unheimlich sympathische Leute im Umfeld, die schon vor 20 Jahren da waren, als ich dort gespielt habe. Dazu haben sie einen Trainer, der sehr gut mit jungen Spielern umgehen kann und die Begeisterung vorleben kann. Sie haben es wirklich verdient. Ich hoffe, dass sie nun den nächsten Schritt machen und auch international bestehen können.

bundesliga.de: Noch ein Wort zu Ihnen. Was machen Sie momentan?

Povlsen: Bei mir dreht sich immer noch alles um Fußball - zum Glück. Aktuell bin ich Co-Trainer bei Silkeborg IF. Nebenbei betreibe ich eine Fußballschule und bin vor allem als TV-Experte unterwegs.

bundesliga.de: Wie werden Sie die EM verfolgen und wie ist ihr Kontakt zur Nationalmannschaft?

Povlsen: Ich werde in Dänemark sein, im EM-Studio in Kopenhagen. Ich habe ein gutes Verhältnis zu Morten Olsen. Wir kennen uns lange, haben ja damals in Köln zusammen gespielt. Ich darf und muss ihn als TV-Experte auch mal kritisch unter die Lupe nehmen. Damit hat er aber kein Problem (lacht). Zu den Nationalspielern habe ich auch ein gutes Verhältnis. Sie wissen, wer ich bin und respektieren mich als TV-Experte.

bundesliga.de: Was trauen Sie den Dänen bei der EM zu?

Povlsen: Man muss schon Däne sein, um daran zu glauben, dass die Mannschaft etwas erreicht. Wenn ich die Gruppe sehe, spielen wir gegen Länder, die über viel individuelle Klasse verfügen. Diese Klasse hat Dänemark nicht. Das könnte ein Problem werden. Um etwas zu erreichen, müssten unsere Spieler alle auf ihrem höchsten Niveau spielen. Logischerweise müssten wir nach der Vorrunde wieder nach Hause fahren, weil wir als schlechteste Mannschaft der Gruppe gesehen werden, aber wir wissen ja, dass auch über eine geschlossene Mannschaftsleistung etwas möglich ist. Mal so eben nebenbei schlägt man Dänemark nun auch wieder nicht.

bundesliga.de: Was man ja in der Qualifikation gegen Portugal gesehen hat.

Povlsen: Die Portugiesen haben gespürt, wie schwer es gegen Dänemark sein kann. Da haben wir gut ausgesehen. Portugal wird sich schon einmal warm anziehen müssen, denn wir werden versuchen, mit mannschaftlicher Geschlossenheit zum Erfolg zu kommen.

bundesliga.de: Sehen Sie im Team Spieler, die ein Spiel an sich reißen können?

Povlsen: Höchstens Nicklas Bendtner, der in der Qualifikation einigermaßen getroffen hat. Von den anderen Offensivspielern muss mehr kommen. Im Abwehrbereich haben wir erfahrene Spieler, aber um zu gewinnen, müssen wir vorne auch treffen. Das ist momentan ein Manko. Wir haben eindeutig ein Offensiv-Problem.

bundesliga.de: Wie wird Morten Olsen die Mannschaft vorbereiten?

Povlsen: Er wird seine Mannschaft sehr akribisch vorbereiten und zum Beispiel nicht den Fehler machen - wie bei der WM 2010 - verletzte Spieler in den Kader zu nehmen, in der Hoffnung, dass sie es rechtzeitig schaffen. Dänemark ist damals kläglich ausgeschieden und der Trainer hat daraus die Lehren gezogen. Er wird nur vollkommen fitte Spieler mitnehmen. Und Spieler, die Spielpraxis bei ihren Vereinen haben. Das war in Südafrika nicht der Fall und das könnte nun ein Vorteil sein.

bundesliga.de: Was müsste passieren, um die Vorrunde zu überstehen?

Povlsen: Wir könnten im ersten Spiel gegen die Niederlande für eine Überraschung gut sein, vielleicht einen Punkt holen. Danach müssten wir gegen Portugal gewinnen, was ich für möglich halte. Dann darauf hoffen, dass Deutschland schon weiter ist und mit einer B-Elf spielt. Dann hätten wir eine Chance. Das wäre die Wunschvorstellung. So könnte man weiterkommen. Der Kopf sagt nein, aber das Herz sagt: Warum nicht?

bundesliga.de: Glauben Sie, dass es eine Überraschungsmannschaft im Turnier geben wird?

Povlsen: Eher nicht. Ich denke, dass im Turnier einige Teams eine Wiederauferstehung erleben könnten, wie zum Beispiel die Franzosen oder Italiener. Ansonsten sehe ich die üblichen Favoriten und denke nicht, dass ein Außenseiter für die ganz große Überraschung sorgen wird.

bundesliga.de: Aktuell gibt es nicht mehr so viele Dänen in der Bundesliga. Worin sehen Sie die Gründe dafür und würden Sie die Bundesliga empfehlen?

Povlsen: Ich denke, ich bin ein guter Botschafter für den deutschen Fußball und kann jedem nur empfehlen, nach Deutschland zu gehen. Ich bin nach wie vor sehr deutschlandbegeistert. Um Spieler für die Bundesliga interessant zu machen, muss allerdings die Nationalmannschaft Erfolg haben, sonst hat man aus der dänischen Liga wenig Chancen. Entweder schafft man es über den Erfolg der Nationalmannschaft oder einen nationalen Erfolg, wie ihn Kopenhagen zuletzt in der Champions League hatte, auf sich aufmerksam zu machen. Für die Spieler ist es natürlich klasse, bei der EM gegen Top-Teams wie Deutschland antreten zu dürfen, um sich womöglich in den Fokus der Bundesliga zu spielen.

bundesliga.de: Wie schätzen Sie die Gruppe A ein?

Povlsen: Eine sehr ausgeglichenen Gruppe ohne Favoriten. Das sind Teams, die mehr oder weniger auf gleichem Niveau spielen. In dieser Gruppe kann praktisch jeder weiterkommen. Ich tippe auf Russland und Tschechien.

bundesliga.de: Wer setzt sich in der "Dänemark-Gruppe" B durch?

Povlsen: Als Experte muss ich ja objektiv sein und sage Deutschland und Portugal.

bundesliga.de: Gruppe C mit Spanien und Italien. Eine klare Sache?

Povlsen: Kroatien hat mich zuletzt enttäuscht. Auch Irland kann gegen Spanien und Italien nicht mithalten. Also lege ich mich auf Spanien und Italien fest.

bundesliga.de: Wer schafft es in Gruppe D?

Povlsen: Ich sehe hier die Franzosen als Favorit. Außerdem haben sie einiges gutzumachen. Die Engländer kann ich schwer einschätzen. Ich würde mir wünschen, dass Schweden gemeinsam mit Frankreich weiterkommt.

bundesliga.de: Ist Deutschland in diesem Jahr reif Spanien als Europameister abzulösen?

Povlsen: Man hat in den letzen Jahren erfolglos versucht, die spanische Spielweise zu knacken und sie zu schlagen. Das ist noch keinem gelungen und ich glaube auch nicht, dass es in diesem Jahr klappt. Ich tippe also auf Spanien als Europameister.

Das Gespräch führte Markus Hoffmann