Taktik-Analyse: So hat Thomas Tuchels FC Bayern München Borussia Dortmund geschlagen
Im Klassiker zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund kam es nicht nur zum Aufeinandertreffen zweier Top-Teams, auch die Trainer Thomas Tuchel und Edin Terzić mussten alles geben, um ihre Mannschaften taktisch perfekt einzustellen. bundesliga.de analysiert Tuchels Schlüssel zum Sieg.
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Thomas Tuchel stand im Klassiker vor einer schweren Aufgabe: Die Mannschaft von Edin Terzić hatte seit April nicht mehr in der Bundesliga verloren und spielte im 4-2-3-1 zuletzt sehr gefestigt. Doch der Trainer des FC Bayern München lies sich einige taktische Kniffe einfallen, um das stabile Zentrum der Dortmunder zu attackieren und seine Mannschaft so in die bestmögliche Position zu bringen, um zu gewinnen.
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Auch als Borussia Dortmund umstellte, um gegen den ursprünglichen Plan des FCB besser agieren zu können, hatte Tuchel die passende Antwort parat und verhalf seiner Mannschaft so zum 4:0-Auswärtssieg im Klassiker.
Taktik-Analyse: Bayern überlädt den Zehner-Raum
Thomas Tuchel entschied sich dafür, vor allem die Mitte der Dortmunder anzugreifen. Innerhalb der ersten 25 Spielminuten, also dann, wenn der ursprüngliche Matchplan noch am ehrlichsten zu sehen ist, spielten die Münchner 70 Prozent ihrer Angriffe durch die zentralen Kanäle. Da der BVB hier mit Salih Özcan und Marcel Sabitzer gleich doppelt besetzt war, während die Bayern mit Jamal Musiala nominell nur einen Spieler im zentralen Zehner-Raum hatten, schob Leon Goretzka aus der eigenen Doppelsechs nach vorne. Es bildete sich im Spielaufbau der Bayern eine 4-1-4-1-Formation.
Um effektiv durchs Zentrum spielen zu können, ist es aber wichtig, eine Überzahl zu schaffen und nicht nur in Gleichzahl auf Eins-gegen-Eins-Duelle zu setzen. Daher hatte Mittelstürmer Harry Kane die Aufgabe, aus der Spitze ebenfalls in den Zehner-Raum zurückzufallen und zwischen den Dortmunder Sechsern den Ball anzunehmen und die Angriffe als Spielmacher einzuleiten.
Um ein Herausrücken der gegnerischen Abwehr zu verhindern, war es wichtig, dass die beiden Flügelspieler Leroy Sané und Kingsley Coman extrem breit und dabei sehr hoch standen. Sie sollten die Abwehrkette in der Tiefe binden, während der Mittelstürmer den Angriff aufbaute. War Kane dann in Ballbesitz, ging es für die offensiven Fünf dann mit vollem Tempo aufs Dortmunder Tor zu: Der Stürmer drehte auf, die Flügelspieler sowie die Zehner sprinteten nach vorne. Entwischten die Zehner in den gegenläufigen Bewegungen ihrer Bewachung durch die Dortmunder Doppelsechs, liefen vier Angreifer gegen die BVB-Viererkette in die Tiefe. Eine vielversprechende Situation für die Bayern.
Positions-Rochaden der Offensivspieler
Um zusätzliche Verwirrung zu stiften oder situativ den Spielaufbau zu entlasten, rotierte die Bayern-Offensive die verschiedenen Rollen konstant durch. Kam etwa Stürmer Kane zurück, ohne dass sich ein folgender Angriff ergab, schob häufig Musiala in die Spitze, Kane übernahm die Zehner-Rolle - und es wurde dasselbe Spiel aufgezogen wie zuvor. Nur dass diesmal Musiala dem Ball entgegen kam (siehe Grafik zum 4-1-4-1-Aufbau).
Diese Rochaden waren von Beginn an zu sehen. Das erste Tor des FCB fiel zwar durch einen Kopfball von Dayot Upamecano nach einem Eckball, doch der Angriff, der die Ecke hervorbrachte, hatte dasselbe Muster. Weil Dortmund die Passräume ins Zentrum gut geschlossen hatte, ließ sich Sané auf dem linken Flügel etwas fallen und half Alphonso Davies bei der Ballbehauptung. Um die Tiefe nicht zu verlieren - wie zuvor erwähnt Aufgabe der Flügelspieler - rückte Goretzka aus dem linken Zehner-Raum sofort nach vorne und außen, übernahm Sanés Position. Der spielte wieder zu Davies und sortierte sich seinerseits auf die linke Zehn ein.
Nach einer Verlagerung über Minjae Kim zu Upamecano war dann Raum da, um Kane zwischen den Zehnern zu finden. Der englische Top-Torjäger drehte auf und schickte Musiala in die Tiefe. Bayern kombinierte sich in den Strafraum und bekam nach einer geblockten Flanke die Ecke zugesprochen, die im Führungstor endete.
Tuchel löst die von Terzić gestellten Aufgaben mit Bravour
Auch Borussia Dortmund baut normalerweise gerne über das Zentrum auf. Um das zu verhindern, entschied sich Tuchel, das übliche 4-2-3-1 sehr eng zu spielen. Vor allem Sané blieb linksseitig sehr eng im Zentrum und schloss dort die Räume, die eigentlich Marco Reus beim BVB bespielen sollte - er startete nominell als Rechtsaußen in Dortmunds 4-2-3-1, schob aber immer weit ins Zentrum. Dadurch war Marius Wolf als Rechtsverteidiger häufig der freie Mann im BVB-Aufbau. Doch weil der FC Bayern die Passwege auf Wolf konsequent abschnitt und im Fall einer Verlagerung stark verschob, konnte Dortmund die entstandenen Räume selten nutzen.
Bereits früh im Spiel war zu sehen, dass Coman sich rechtsseitig weiter zurückzog und die Bayern situativ in eine Dreier- beziehungsweise Fünferkette verschoben (siehe Grafik zur Defensivstruktur des FC Bayern). Dadurch konnte Linksverteidiger Davies von der Verteidigung seines Flügelspielers entlastet werden und Wolf anpressen, sollte dieser in Ballbesitz kommen.
Um das Spiel mehr auf die Flügel auszurichten und die offenen Räume besser attackieren zu können, entschied sich Edin Terzić in der Halbzeit, mit Niklas Süle einen dritten Innenverteidiger als Rechtsverteidiger zu bringen. Im eigenen Spielaufbau stellte Dortmund nun ein 3-2-4-1, Donyell Malen hielt rechts die Breite und band dort Davies in der Tiefe. Eine Umstellung, die das situative Verschieben der Münchner immer häufiger werden ließ.
Nachdem Terzić in der 57. Minute Karim Adeyemi für Malen brachte und vollständig auf eine Dreierkette umstellte - mit und gegen den Ball - griff auch Tuchel in die Trickkiste. Als er Upamecano in der 60. Minute (fitnessbedingt, der Franzose war zuletzt länger verletzt) auswechselte, brachte er zwar mit Aleksandar Pavlovic einen Mittelfeldspieler und nahm einen Innenverteidiger runter, hatte in der Folge aber sogar gleich zwei neue Innenverteidiger: Goretzka zog sich in die Abwehrreihe zurück, außerdem stellte Tuchel fest auf eine eigene Fünferkette um. Noussair Mazraoui rückte auf die rechte Halbverteidiger-Position, Coman war dauerhaft als Flügelverteidiger aktiv. Kane, Musiala und Sané bildeten einen Dreierangriff vor der neu-zusammengestellten Doppelsechs aus Konrad Laimer und Pavlovic.
Durch die eigene Fünferkette konnte der FC Bayern die Breite des BVB besser verteidigen, musste aber das Zentrum nicht aufgeben. Denn Dortmunds 3-2-Aufbau wurde Eins-zu-Eins mit Bayern Offensive im 5-2-3 (bzw. 3-4-1-2) gespiegelt.
Bayerns Varianz macht den Deckel drauf
Eine weitere Folge der Dortmunder Umstellung war, dass sie vor allem gegen den Ball nun ein voll besetztes Zentrum hatten: Drei Innenverteidiger und eine Doppelsechs ließen kaum noch Räume für das bayrische Kombinationsspiel durch die Mitte. Doch auch für diese Aufgabe fand der FCB die passende Lösung: das Überladen der Flügel, vor allem rechtsseitig. Denn während zuvor Dortmunds Flügel doppelt besetzt waren, stand dort nun nur noch ein Verteidiger.
Beim 3:0 durch Kane in der 72. Minute löste Bayern die Situation nahezu perfekt: Mazraoui schob aus seiner Halbverteidiger-Position weit nach außen und attackierte dabei den linken Flügelverteidiger Adeyemi. Dadurch konnte sich Coman nach vorne lösen und musste von Dortmunds Halbverteidiger Nico Schlotterbeck bis an die Seitenlinie verteidigt werden. Musiala kam im rechten Halbraum dem Spiel entgegen und zog so den nächsten Innenverteidiger, Mats Hummels, aus der Abwehrkette heraus. Mit einer schnellen Kombination befreite sich Coman in die Tiefe und schickte Stürmer Kane, der von Sechser Sabitzer aufgenommen werden musste, hinter die Kette, der hervorragend vollendete.
Thomas Tuchel und der FCB fanden im Topspiel am Samstagabend für alle Herausforderungen, vor die Edin Terzić und Borussia Dortmund sie stellten, eine perfekte Lösung. Der Rekordmeister zeigte einen klaren Matchplan, taktische Anpassungen auf die Lösungsversuche des Gegners und schließlich eigene Varianz im Offensivspiel, wenn sie benötigt wurde. Der FC Bayern München war taktisch perfekt auf den Klassiker eingestellt.
Niklas Staiger
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