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Rainer Bonhof: "Günter war seiner Zeit voraus!"

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Köln - Am Sonntag wurde Günter Netzer 70. Im Interview mit bundesliga.de erinnert sich Borussia Mönchengladbachs Vize-Präsident Rainer Bonhof an die gemeinsame Zeit in der Fohlen-Elf, an die Extravaganzen des Ausnahmefußballers und vor allem an den Menschen Günter Netzer.

bundesliga.de: Herr Bonhof, am Sonntag wurde Günter Netzer 70; haben Sie ein Geschenk für Ihren ehemaligen Teamkameraden aus der Mönchengladbacher Fohlen-Elf?

"Was im Training nie gelungen ist, klappte"

bundesliga.de: Was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn, wenn Sie an Netzer denken?

Bonhof: Ich denke nicht an eine bestimmte Situation und auch nicht an den Fußballer Günter Netzer, sondern an den Menschen. Sehr gut  erinnere ich mich daran, dass er in meinen jungen Jahren bisweilen etwas streng mit mir war. Aber das hat mir gewiss nicht geschadet. Günter war und ist immer da, wenn ein Freund ihn braucht. Und das ist die Eigenschaft, die mich bis heute am meisten an ihm beeindruckt. 

bundesliga.de: Stichwort "streng": Netzer ist ein harter, aber dabei stets fairer Kritiker. Kürzlich hat er in einem Interview daran erinnert, dass der entscheidende Pass vor seinem legendären Tor zum 2:1-Sieg im DFB-Pokalfinale gegen Köln 1973 von Ihnen kam; mit einem Augenzwinkern sagte er noch, dass Ihnen ein solcher Pass im Training bei endlosen Versuchen nie gelungen sei...

Netzer sagte: "Ich spiele jetzt"

bundesliga.de: Dieses Finale ist vor allem deshalb in die Annalen eingegangen, weil Netzer, der zuvor 90 Minuten auf der Ersatzbank gesessen hatte, sich in der Verlängerung selbst einwechselte; was hat ein junger Spieler wie Sie da gedacht?

Bonhof: Wir alle kannten die Gründe, die dazu geführt hatten, dass Günter nicht in der Startelf stand. In der Woche zuvor war seine Mutter gestorben, so dass er nur sehr unregelmäßig trainiert hatte. Und dann war da natürlich noch die Tatsache, dass  er in der kommenden Saison zu Real Madrid wechseln würde...

bundesliga.de: ...was ihm Trainer Hennes Weisweiler wohl Übel nahm...

Bonhof: Weisweiler wollte ihn zur Halbzeit einwechseln, Günter aber weigerte sich. Allerdings nicht weil er vielleicht geschmollt hätte. Nein, er hatte schlicht und einfach erkannt, dass er seiner Mannschaft zu diesem Zeitpunkt – wir hatten eine sehr starke erste Halbzeit gespielt – kaum hätte helfen oder etwas besser machen können. Die zweite Halbzeit lief dann aber längst nicht mehr so gut, weil unserem Spiel die Ruhe fehlte. Das hat Günter natürlich sofort erkannt. Also ist er zum Trainer gegangen und hat gesagt "Ich spiele jetzt", ohne eine Antwort auch nur abzuwarten. Und wie schon gesagt, der "Rest" ist Geschichte.

bundesliga.de: Es war wohl nicht immer ganz leicht mit Netzer?

"Günter war bei uns voll anerkannt"

Oft hat er nach dem Training in der Kabine noch Dinge angesprochen, die vielleicht nicht so geklappt hatten, und immer hatte er eine passende Lösung parat. Er war unser Ideengeber und ein wahrer Ästhet am Ball.

bundesliga.de: Wenn Sie Netzers fußballerische Fähigkeiten einordnen sollten, wo würde der „Lange“ heute stehen?

Bonhof: Ich glaube, das lässt sich nicht vergleichen. Häufig werde ich auch gefragt, was die „Fohlen-Elf“ von damals heute wohl in der Bundesliga bewegen könnte. Aber das geht nicht. Es waren einfach andere Zeiten. Die Trainingsmethoden waren anders, Hilfsmittel wie Diagnostik gab es kaum. Und wer hat sich damals schon über einen Sportlerkörper Gedanken gemacht? Kein Mensch! Heute dagegen weiß man fünf Minuten nach dem Spiel, wie viele Kilometer man gelaufen ist.

bundesliga.de: Netzer war der erste Popstar im Fußball, haben Sie ihn bewundert oder eher belächelt?

bundesliga.de: Und Netzers Discothek „Lover’s Lane war Treffpunkt für die Mannschaft?

Bonhof: Nicht nur dort haben wir viele Siege und Titel gefeiert. Denn was viele gar nicht wissen: Günter hatte damals auch ein Restaurant, das „La Lacque“. Das war erstklassig, mit einem exzellenten Koch. Dort haben wir sehr gut und gerne gemeinsam gesessen. Dass die Mönchengladbacher das „La Lacque“ dennoch nie so richtig angenommen haben, lag wohl am Interieur. Denn das war schwarz wie die Nacht, nach ähnlichem Muster, wie sich Günter auch zuhause eingerichtet hatte. Er war seiner Zeit auch diesbezüglich mal wieder ein ganzes Stück voraus.

Das Gespräch führte Andreas Kötter

(Bilder © imago/Getty Images)