Schwarz-gelbe Zukunft: Lucien Favre übernimmt Dortmund - © © imago / Revierfoto
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Lucien Favre wird neuer Trainer bei Borussia Dortmund: Ein Philosoph für den BVB

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Dortmund - Sein Name tauchte in der Gerüchteküche rund um Borussia Dortmund immer wieder auf, nun ist klar: Lucien Favre wird neuer BVB-Trainer. Der Schweizer folgt auf Peter Stöger, der die Schwarz-Gelben im Winter übernahm und zur Champions-League-Teilnahme führte. Mit Favre wollen die Dortmunder einen klaren Schnitt machen, eine turbulente Saison hinter sich lassen und frohen Mutes in die neue Spielzeit starten. Der 60-Jährige ist eine naheliegende Wahl.

Starke Bilanz in Mönchengladbach

Fünf Gründe, warum Lucien Favre perfekt zum BVB passt

Die Führungsetage der Westfalen um Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc setzt in Favre auf einen alten Bundesliga-Bekannten. In Deutschland trainierte er - nachdem er sich in seiner Heimat bei Yverdon, Genf und Zürich einen Namen gemacht hatte - zunächst Hertha BSC und führte die Hauptstädter 2008/09 ins internationale Geschäft. In der Folgesaison verließ Favre in seiner dritten Spielzeit an der Spree aber das Glück, die alte Dame stellte ihn frei.

Ein Jahr später begann für Favre seine bisher wohl eindrucksvollste Zeit. Im Februar 2011 übernahm der als Fußballphilosoph geltende Übungsleiter das Traineramt bei Borussia Mönchengladbach. Die Fohlenelf stand zu diesem Zeitpunkt mit einem Rückstand von sieben Punkten auf das rettende Ufer bei nur noch zwölf verbleibenden Spielen mit dem Rücken zur Wand auf dem letzten Tabellenplatz. Aussichtslos? Nicht für Lucien Favre! Er schaffte sensationell den Klassenerhalt mit der Borussia und führte sie bereits in der folgenden Spielzeit zur Champions-League-Teilnahme. Die Erfolgsgeschichte am Niederrhein endete für den Schweizer erst 2015 - nach einem schwachen Saisonstart erklärte Favre gegen Widerstände im eigenen Club seinen Rücktritt. 228 Spiele in der Bundesliga standen damals für ihn zu Buche: Im Schnitt holte er 1,57 Punkte pro Partie und kassierte nur 1,1 Gegentore pro Duell.

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Auch in Frankreich erfolgreich

Doch während die Arbeit Favres seitdem in Deutschland nicht mehr allzu sehr im Fokus stand, schrieb er in den letzten Jahren seine Erfolgsgeschichte weiter. Der 60-Jährige gönnte sich nach seiner Demission in Gladbach eine Pause und übernahm dann die Geschicke beim OGC Nizza. Bereits in seiner ersten Saison an der Cote d’Azur erlebte der französische Club einen Aufschwung. Der OGC spielte nicht nur um das internationale Geschäft mit, auch spielerisch wusste die Mannschaft stets mit ansehnlichem Fußball zu überzeugen.

Eine Überraschung ist das nicht: Favre gilt als Ästhet. Die Neigung, ansehnlichen Fußball spielen zu wollen, dürfte in Dortmund gut ankommen. Die defensive Spielweise unter Peter Stöger konnte die Fans nicht immer begeistern. Unter Favre dürfte das anders werden. "Für mich ist Fussball immer schön", sagte er einst. "Auch das Training ist schön, weil wir mit dem Ball arbeiten. Ich selber jongliere sehr gern. Der Ball ist meine Droge." Grundsätzlich gibt sich Favre, was taktische Vorgaben angeht, nicht sonderlich dogmatisch.

"Für mich ist Fussball immer schön. Der Ball ist meine Droge." Lucien Favre

Alte Weggefährten: Unter Lucien Favre spielte Marco Reus seine beste Bundesliga-Saison - © imago / siwe

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"Es wäre dumm, wenn ich einem Spieler, der drei Gegner umdribbeln kann, sagen würde: 'Spiel früher ab!' Wer an drei Mann vorbei dribbeln kann, spielt für die Mannschaft", stellte Favre vor einigen Jahren im Gespräch mit dem Magazin 11 Freunde klar. Der Sport ist für ihn ohnehin nie nur Schwarz und Weiß. "Fußball ist ein Spiegel der Gesellschaft", verglich Favre damals. "Die Züge fahren schneller, die Informationen verbreiten sich schneller. Im Fußball muss man ebenfalls schnell handeln und antizipieren." Auch wegen diesem gesellschaftlichen Interesse, das über den Fußballkosmos hinausgeht, gilt der Schweizer in der Branche als Philosoph.

Nicht nur auf dem Platz hat Favre klare Vorstellungen. Auch was die Teamführung angeht, bringt der Fußballlehrer Qualitäten mit, die dem BVB guttun dürften. Diese reichten sogar so weit, dass es ihm gelang, den als schwierigen Charakter bekannten Mario Balotelli in Nizza zu bändigen - für den italienischen Stürmer steht der Schweizer "auf einer Stufe mit Jose Mourinho".

"Er ist ein sensationeller Trainer - von ihm habe ich in meiner Karriere sicher am meisten gelernt." Marco Reus

Herausforderung in Dortmund

Der Erfolg Favres kommt nicht von ungefähr. Ob in der Schweiz, in Deutschland oder in Frankreich, er scheute sich nie vor großen Aufgaben - und konnte sie meist lösen. "Ich mag es, wenn es richtig schwierig wird", ließ der 60-Jährige auch bei seinem Amtsantritt in Nizza durchblicken.

Eine leichte Aufgabe wartet in Dortmund nicht auf den Schweizer - auch deshalb dürfte er den Verantwortlichen sein Jawort gegeben haben. Zudem sind seine Qualitäten bekannt und bei den Spielern geschätzt. Gerade in der Entwicklung junger Talente hat Favre Stärken, doch auch im Umgang mit Stars ist er mittlerweile routiniert - optimale Voraussetzungen, um Schwarz-Gelb nach oben zu führen. Dort freut man sich schon auf den Mann mit dem spitzbübischen Lächeln. "Er genießt bei uns hohe Wertschätzung für seine fachlichen Qualitäten, die er in der Bundesliga bei der Hertha und in Mönchengladbach - genau wie zuletzt in Nizza - auch schon mehrfach eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat", äußerte Sportdirektor Michael Zorc.

"Er ist ein sensationeller Trainer", erklärte Top-Star Marco Reus bereits im Jahr 2012. "Von ihm habe ich in meiner Karriere sicher am meisten gelernt. Ich habe ihm sehr viel zu verdanken und bin froh, dass ich unter ihm trainieren durfte." Reus wechselte damals von Mönchengladbach, wo er unter seinem alten und neuen Coach seinen Durchbruch gefeierte hatte, nach Dortmund. Auch Mahmoud Dahoud konnte sich zu Gladbacher Zeiten über sein Bundesliga-Debüt unter Favre freuen. Mit ein paar Jahren Verspätung und einer Zwischenstation geht nun also auch der damalige Förderer der beiden Ex-Fohlen den Schritt zum BVB. Wieder ist es eine große Aufgabe, die dort auf den ihn wartet. Und wieder ist es vermutlich genau das, was Lucien Favre will.