Herthas Zehner Ronny (r.) will in der Rückrunde seinen Stammplatz zurückerobern (© Imago)
Herthas Zehner Ronny (r.) will in der Rückrunde seinen Stammplatz zurückerobern (© Imago)

Der unberechenbare Jos und sein Luxusproblem

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München - Jos und sein Luxusproblem. Wenn es sich ein Aufsteiger gönnen kann, einen Techniker wie den Brasilianer Ronny, der die Hertha in der Vorsaison mit 18 Toren und 15 Vorlagen in die Bundesliga führte, auf der Bank zu lassen, ist das ebenso sensationell wie verwunderlich. Und trotzdem läuft es bei den Berlinern mit Platz 6 nach der Hinrunde sehr gut.

Das ist nicht zuletzt das Verdienst von Trainer Jos Luhukay. Der Niederländer trifft Entscheidungen nicht auf der Grundlage früherer Leistungen, Lobby oder großer Namen. Luhukay hat listig das Wohl und die Ziele der Mannschaft im Blick und jedem, der diese gefährdet oder gegensteuert, bläst der Gegenwind heftig ins Gesicht. So auch Ronny im Sommer. Der Brasilianer hatte während der Pause über die Stränge geschlagen und machte während der Vorbereitung und zu Beginn der Hinrunde mit einem durchwachsenen Fitnesszustand auf sich aufmerksam. Luhukay war davon nicht angetan und strafte seinen Filigrantechniker mit einigen Bank- und Kurzeinsätzen ab.

Ronny zeigt guten Willen

"Meine Aufgabe ist es, ihn zu motivieren", sagte Luhukay in der "Bild"-Zeitung. "Das kann ich aber nicht alleine, es muss sein Antrieb sein, auf Top-Niveau zu spielen." Offenbar hat die Motivationsspritze ihre Wirkung nicht verfehlt. Mitte Oktober wütete Ronny noch, weil er das Duell mit seinem Bruder Raffael verpasste, Ende Dezember startete der 27-Jährige dann bereits vier Tage vor dem offiziellen Trainingsauftakt eine individuelle Vorbereitung mit Lauf, Stretching- und Stabilisationsübungen sowie Übungen mit dem Ball. Der Frühstart Ronnys war in erster Linie nur ein Zeichen an Luhukay, dennoch freute es den Trainer: "Es ist immer gut, wenn ein Spieler freiwillig das Training früher aufnimmt. Das ist von Ronny einfach positiv."

Mittlerweile ist die Vorbereitung der Hauptstädter in vollem Gange, neigt sich gar dem Ende zu. Drei Mal testete die Alte Dame ihre Form, mit mäßigem Erfolg. Gegen den Schweizer Vertreter FC Aarau und Hannover 96 spielte die Hertha remis, gegen Borussia Mönchengladbach kassierte sie eine herbe Schlappe. Den Resultaten misst Luhukay im "kicker" aber wenig Bedeutung bei: "Das ist nicht so wichtig. Wir haben die Wochen hier in Belek gut genutzt und kommen mit einem guten Rhythmus aus dem Trainingslager."

Keine Abstriche für Einzelschicksale       

Ronny durfte sich in den Testpartien jeweils eine Halbzeit lang beweisen, gegen Aarau steuerte er außerdem ein Tor bei. Wie seine Chancen auf einen Stammplatz in der Rückrunde stehen, ist schwer zu prognostizieren. Der Südamerikaner schaffte wohl Argumente mit neuem Trainingsfleiß und starken Leistungen gegen Ende der Hinserie, doch das System könnte für ihn zur Stolperfalle werden. "Bei Ronny lag es nicht nur an ihm selbst, dass er weniger gespielt hat. Im vergangenen Jahr haben wir mit einer klassischen Zehn gespielt. Dort war er sehr wertvoll für uns. In dieser Saison spielen wir viel flexibler - im System und auch personell. Das hat uns unberechenbarer gemacht. Zu dieser Unberechenbarkeit gehört auch Ronny dazu", erklärt Luhukay in der Zeitung "Die Welt".

Jos und die Unberechenbaren. Ronny wird ohne jeden Zweifel weiterhin für jede Minute Einsatzzeit hart arbeiten müssen. Luhukay ist klar in seinen Zielen und klar in seiner Arbeitsweise. Für Einzelschicksale wird er keine Abstriche machen.

David Schmidt