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Thomas Tuchel gibt seit 2009 die Kommandos beim 1. FSV Mainz 05. Zuvor trainierte er die Mainzer U 19
Thomas Tuchel gibt seit 2009 die Kommandos beim 1. FSV Mainz 05. Zuvor trainierte er die Mainzer U 19

"Hatte nie das Gefühl, ich müsste mich beweisen"

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Dass der 1. FSV Mainz 05 eine nahezu perfekte Bundesliga-Saison 2009/10 gespielt hat, ist im medialen Trubel um die große Saison des FC Bayern fast ein wenig untergegangen. Den 9. Platz - direkt hinter dem VfL Wolfsburg, dem Deutschen Meister 2009 - hatte den 05ern kaum ein Experte zugetraut.

Großen Anteil am Mainzer Erfolg hat Thomas Tuchel. Der 36-jährige Cheftrainer formte gleich in seiner ersten Bundesliga-Saison eine Mannschaft, die sich auch ohne große Namen als konkurrenzfähig zeigte. bundesliga.de hat mit Thomas Tuchel im Trainingslager in Flachau (Österreich) über seine Arbeit bei Mainz 05 gesprochen.

bundesliga.de: Herr Tuchel, steht ihr Kader, oder hätten Sie noch ein, zwei Plätze frei?

Thomas Tuchel: Vielleicht würde uns noch ein Stürmer gut tun, der ein bisschen anders ist als Aristide Bancé, Adam Szalai und Petar Sliskovic. Die drei sind körperlich sehr präsent und leben natürlich von ihrer Statur und haben ihre Stärken auch mit dem Rücken zum Tor. Vielleicht würde es uns gut zu Gesicht stehen, wenn wir dort noch einen flexiblen Stürmer hätten, der vielleicht auch mal auf der Außenbahn spielen kann und als unterstützende Spitze seine Stärke hat.

bundesliga.de: Noch knapp vier Wochen bis zum Bundesliga-Start: Können Sie schon ein Zwischenfazit ziehen?

Tuchel: Grundsätzlich ist uns bisher eine gute Kaderwahl gelungen, weil sich die Charaktere sportlich und sozial ergänzen und sich gegenseitig beeinflussen. Das merkt man im Miteinander auf dem Platz und auch abseits des Platzes. Die Leistungsbereitschaft der Mannschaft ist außergewöhnlich hoch, die Spieler sind in jeder Einheit mit höchster Aufmerksamkeit und Motivation dabei und deshalb bin ich bisher sehr zufrieden.

bundesliga.de: Ist die überragende letzte Saison überhaupt zu wiederholen?

Tuchel: Ja, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass wir noch besser spielen müssen, um das gleiche Ergebnis zu erreichen. Deshalb kann es aber auf der anderen Seite auch kein Rucksack für uns werden. Denn es würde im Umkehrschluss bedeuten, wir hätten es jetzt einfacher, wenn wir in der letzten Saison erst in der Relegation in der Liga geblieben wären. Das ergibt so natürlich keinen Sinn. Das versuchen wir jetzt vorzuleben und so argumentieren wir auch. Wir machen uns jetzt weniger Gedanken darüber, wo unser Handeln hinführt. Sondern wir konzentrieren uns ausschließlich auf unsere Aufgaben und Abläufe. Ich glaube fest, dass das dann zu einem Ziel führt, mit dem wir alle zufrieden sind.

bundesliga.de: Sehen Sie bei einem Spieler wie Andre Schürrle, der jetzt im zweiten Jahr bei den Profis dabei ist, schon gravierende Unterschiede in seiner Entwicklung im Vergleich zum Vorjahr?

Tuchel: Das sieht man deutlich. Er ist jetzt in einem Entwicklungsstadium, wo er täglich dazu lernt. Man merkt schon, dass über 30 Spiele in der Bundesliga positiv für seine Entwicklung waren. Und es ist natürlich auch eine andere Form der Anerkennung und Wertschätzung in der Mannschaft. Es ist ein großer Unterschied, ob du als Neuling aus der A-Jugend kommst oder ob du in das zweite Jahr startest und schon während der letzten Saison ein vollwertiges Mitglied warst, an dem der Erfolg hing. Und dementsprechend hebt dich auch diese Anerkennung in der Gruppe noch mal auf ein neues Niveau. Dazu kommt auch mehr Ruhe; man hat nicht mehr das Gefühl, dass er sich in jeder Szene beweisen will, wie es oft bei jungen Spielern ist. Deswegen bin ich sehr zufrieden.

bundesliga.de: Ist bei den anderen jungen Spielern auch wieder jemand dabei, dem Sie eine solche Entwicklung zutrauen?

Tuchel: Aktuell ist Eugen Gopko von den jungen Spielern am weitesten, Petar Sliskovic macht offensiv eine sehr gute Entwicklung. Dann haben wir mit Stefan Bell und Jan Kirchhoff zwei herausragende Innenverteidiger-Talente. Bei den beiden ist es wegen der Position aber schwierig, den Weg in dem Tempo zu beschreiten wie Andre Schürrle letztes Jahr. Weil man als Innenverteidiger von Haus aus nicht so oft eingewechselt wird. Im Sturm hat man immer mal die Möglichkeit hat, 30 Minuten zu spielen. Hinzu kommt, dass wir schon drei herausragende Innenverteidiger haben, die letztes Jahr eine außergewöhnlich konstante Saison gespielt haben: mit Niko Bungert, Bo Svensson und Nikolce Noveski. Deshalb hängt die Entwicklung vielleicht gar nicht so sehr an den Spielminuten.

bundesliga.de: Worin liegt Ihrer Meinung nach der Unterschied in der Arbeit mit einer ambitionierten Jugend- und einer Profimannschaft?

Tuchel: Der Unterschied liegt zum einen in der medialen Aufmerksamkeit. Inhaltlich liegt er in den unterschiedlichen Altersstrukturen. Im Nachwuchsbereich hat man eine sehr homogene Gruppe, die sich maximal um zwei Jahre unterscheidet. Aber ständig ähnliche Entwicklungsstadien durchmacht bei ihren Interessen und dem Umgang mit dem Trainer. Meiner Meinung nach ist es bis zu den U-21- oder U-23-Teams sehr stark ein Trainer-Spiel, wo der Trainer extremen Einfluss auf Verhaltensweisen nimmt.

In einer heterogenen Gruppe, wo 32-Jährige mit 18-Jährigen zusammenspielen und viel mehr Erfahrung vorherrscht, wird es ein "Players Game", wo wir Hinweise geben und Ideen einbringen, aber uns auch die Innenansicht und die Erfahrung der Spieler zunutze machen. Wir geben also nicht nur Feedback, sondern bitten die erfahrenen Spieler auch um Feedback. Da verändert sich dann die Coaching-Rolle, das ist die größte Veränderung. Das Handwerkszeug lernt man aber zu 100 Prozent in den Nachwuchsleistungszentren.

bundesliga.de: Haben Sie das Gefühl, dass Sie sich nach einem Jahr, in dem Sie sich in der Bundesliga etabliert haben, immer noch nach außen "beweisen" müssen?

Tuchel: Ich hatte nie das Gefühl, ich müsste mich beweisen. Das ist der Verdienst des Vereins. Ich hatte das Glück, schon im Jahr vorher im Verein gearbeitet zu haben und hatte immer das Gefühl, dass es nicht darum geht, dass ich mich beweisen müsste. Ich selber hatte natürlich hohe Ansprüche an mich und wollte es mir beweisen. Und das geht jetzt eigentlich direkt weiter. Man ist total vereinnahmt vom Job, was ich sehr genieße. Es ist wahnsinnig spannend und es ist meine große Leidenschaft. Wir im Trainerteam wollen uns natürlich auch wieder etwas beweisen. Wir spüren schon, dass wir auf einem anderen Niveau ansetzen als noch vor einem Jahr, als Mannschaft und Trainer sich nicht kannten und man sich an Vieles erst gewöhnen musste. Jetzt haben wir ein anderes Niveau, zum einen sportlich, aber auch im Miteinander. Und das gibt uns allen Ruhe und hilft, die nötige Gelassenheit zu bewahren.

Das Gespräch führte Stefan Kusche