Abwehrorganisator und Antreiber: Franz Beckenbauer prägte die erfolgreichste Ära des deutschen Fußballs - © imago images / WEREK
Abwehrorganisator und Antreiber: Franz Beckenbauer prägte die erfolgreichste Ära des deutschen Fußballs - © imago images / WEREK
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Zum Tode von Franz Beckenbauer: Der "Kaiser", der den Fußball liebte

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Fußball ist ein einfaches Spiel – und gerade deshalb so kompliziert. Franz Beckenbauer war der erste deutsche Fußballer, der all dies Schwierige auf dem Platz schier mühelos erscheinen ließ und dabei dennoch unfassbar erfolgreich war. Der "Kaiser" revolutionierte das Spiel auf seine ganz eigene Weise und entzauberte praktisch nebenbei das Klischee des deutschen Fußball-Arbeiters.

Große Trauer um Franz Beckenbauer

"Geht's raus und spielt's Fußball" - mit dieser so simplen wie schwierig umzusetzenden Botschaft schickte Franz Beckenbauer die deutsche Nationalmannschaft in das Endspiel der Weltmeisterschaft 1990. Dieser Satz – er wurde zu einem Markenzeichen der deutschen Fußball-Legende. Dieser Satz spiegelt aber auch wider, wie viele begeisterte Beobachter Franz Beckenbauer auf dem Rasen erlebt haben. Das Gesicht des FC Bayern München, er repräsentierte wie wohl kein anderer deutscher Spieler die schwerelose Leichtigkeit des Seins, die Erhabenheit und Eleganz dieses eigentlichen Kampfsports namens Fußball, das Spielerische inmitten des heiligen Ernsts, den dieser Sport gerade in Deutschland prägt wie vermutlich nirgendwo anders.

Internationale Pressestimmen zum Tod von Franz Beckenbauer

Stets in aufrechter Haltung, irgendwo zwischen stolzierend und über den Dingen schwebend, schier mühelos – so werden nicht nur Fußball-Liebhaber den Spieler Franz Beckenbauer in Erinnerung behalten. Seine selbstverständliche Art und Weise, die Geschehnisse auf dem Platz in die eigene Hände (oder besser Füße) zu nehmen, diese Gewissheit, die nicht zu verwechseln mit oft unterstellter Arroganz war, kannte in den Arenen dieser Welt keine Grenzen. "Auf dem Platz hat ihn Intelligenz mehr ausgezeichnet als Kraft. Er war mehr ein brasilianischer als ein deutscher Fußballer", gab ihm der legendäre Pelé das wohl größte Kompliment, das eine Ikone der "Seleção" machen konnte. Franz Beckenbauer: Dieser Name steht für eine Spielweise, die ihrer Zeit vor allem in Deutschland meilenweit voraus war.

Eleganz und Ehrgeiz vereint: Beckenbauer verändert das Spiel

Beckenbauers Stern ging auf der wohl größten Bühne, die der Fußball bis heute kennt, endgültig auf: Bei der Weltmeisterschaft 1966 spielte sich der damals erst 20-Jährige in die Herzen der Fans, erzielte vor der Abwehr agierend vier Treffer und führte die prominent besetzte DFB-Auswahl ins Endspiel – dort blieb dem Münchner Jungspund gegen die englischen Gastgeber die Krönung verwehrt, Wembley-Tor inklusive. Doch schon damals wurde den begeisterten Beobachtern klar, dass dieser Feingeist und Stratege mit dem Adler auf der Brust das Spiel, wie man es zu dieser Zeit kannte, verändern wird. Mit Offensivdrang sprengte Beckenbauer die engen Fesseln des Fußballs, drang im Doppelpass mit den Angreifern immer wieder bis tief in die gegnerische Hälfte ein.

So trauert die Fußballwelt um Franz Beckenbauer

Schon bald rückte der "Kaiser", wie er auch ob seiner Spielweise bald genannt wurde, eine Position nach hinten und prägte die erfolgreichste Ära in der deutschen Fußball-Geschichte als angriffslustiger Libero nachhaltig. Mit großer Spielintelligenz war er Abwehrchef und Antreiber in einer Person – durch seine technischen Fähigkeiten eröffnete er das Spiel oft per Außenristpass oder gezielter Seitenverlagerung für seine Mannschaft und konnte dann nach vorne durchstechen, um die gegnerischen Defensivreihen zur Verzweiflung zu bringen. Besonders das Zusammenspiel mit Gerd Müller suchte gerade in den siebziger Jahren seinesgleichen. Doch Beckenbauer war keinesfalls nur ein fußballerischer Schöngeist, die Legende des FC Bayern vereinte Eleganz und Ehrgeiz. Wie sehr der "Kaiser" auf die Zähne beißen konnte, bewies er im legendären WM-Halbfinale 1970, als er mit ausgerenkter Schulter die Partie zu Ende brachte.

Titelsammler - mit dem FC Bayern und der Nationalmannschaft

Damals noch ohne den gewünschten Erfolg, der sich allerdings vier Jahre später einstellen sollte. Nach dem EM-Titel 1972 arbeitete sich die DFB-Elf 1974 zum WM-Triumph im eigenen Land – mit Franz Beckenbauer als Kapitän und Spiritus Rector auf dem Rasen. Die Krönung einer großen Karriere mit dem Adler auf der Brust, nach einem weiteren EM-Finale war Schluss für den "Kaiser" in der deutschen Nationalmannschaft. Überheblich gemacht haben ihn die umjubelten Triumphe keinesfalls. Ganz im Gegenteil sogar: So selbstsicher sich Beckenbauer über den Platz bewegte, so selbstsicher bewegte er sich auch in der Einschätzung seiner eigenen Qualitäten – und der anderer Weltstars. "Johan Cruyff war der bessere Spieler, aber ich bin Weltmeister", sagte die Münchner Ikone einmal angesprochen auf den niederländischen Mittelfeld-Zampano, dessen Team die DFB-Elf im WM-Finale 1974 besiegt hatte.

Franz Beckenbauer: eine große Karriere in Zahlen

"Erfolg ist ein scheues Reh. Der Wind muss stimmen, die Witterung, die Sterne und der Mond", erklärte Beckenbauer einst. Und doch schien der Erfolg immer dort zu sein, wo sich das "Glückskind aus Giesing" (O-Ton Beckenbauer) aufhielt. Neben den beiden Titeln mit der Nationalmannschaft wurde er mit dem FC Bayern und dem Hamburger SV fünf Mal Deutscher Meister (1969, 1972-1974, 1982) und vier Mal DFB-Pokalsieger (1966, 1967, 1969, 1971). Dazu gewann er mit den Münchnern drei Mal den Europapokal der Landesmeister (1974, 1975, 1976), ein Mal den Europapokal der Pokalsieger (1967) und ein Mal den Weltpokal (1976). Auch bei seinem USA-Abenteuer gab es ordentlich Grund zu jubeln: Mit Cosmos New York holte Beckenbauer drei Meistertitel.

"Franz war und ist ein Geschenk für den Fußball"

Doch es war mehr das WIE denn das WAS, das den "Kaiser" zum unumstrittenen Herrscher des deutschen Fußballs machte – nie um einen Spruch verlegen, doch nie großspurig. Nonchalant, aber stets voller Charme und Charisma. Elegant, ehrgeizig, emotional. "Fußball ist eine Passion, eine Leidenschaft. Ich liebe den Fußball", sagte Beckenbauer nach seiner Karriere. Und das spürte jeder, der ihn auf dem Platz und auch in seiner Funktionärslaufbahn erlebte. Ein Mensch sei er, kein Zauberer – das betonte der "Kaiser" immer wieder. Und doch hat er durch sein Auftreten den Sport, den er so sehr liebte, geprägt und verändert wie wohl kein anderer deutscher Fußballer vor und nach ihm. Auf seine ganz eigene Art revolutionierte er den Libero, der dem Namen nach frei sein sollte und es vor Beckenbauer doch nicht wirklich war, und entzauberte praktisch nebenbei das Klischee des deutschen Fußball-Arbeiters.

Ligaweite Schweigeminute für Franz Beckenbauer

In Deutschland gibt es eine Zeit vor – und eine Zeit mit Franz Beckenbauer. Als Spieler, als Trainer, als Funktionär, als Person. Der "Kaiser" ist tot, lang lebe der "Kaiser"? Was anders gemeint ist, stimmt in diesem Falle im wahrsten Wortsinne. Abseits aller anderen Verdienste um den deutschen Fußball: Allein durch seine Spielweise hat Beckenbauer den deutschen Fußball auf eine andere Ebene gehoben – fußballerisch, aber auch für das Ansehen der Sportart in der Gesellschaft. Der gebürtige Giesinger, er war der erste richtige Popstar des deutschen Fußballs. Und doch noch so viel mehr: "Für das Image der Deutschen im Ausland hat er mehr geleistet als 50 Jahre Diplomatie und zehn Goethe-Institute zusammen", sagte der Künstler André Heller nach der WM 2006. "Franz war und ist ein Geschenk für den Fußball", betonte der frühere BVB- und DFL-Präsident Dr. Reinhard Rauball einst. Ein besseres Schlusswort kann es einfach nicht geben.