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- © © DFL DEUTSCHE FUSSBALL LIGA / Alexander Scheuber
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Franco Di Santo vor dem Derby Dortmund gegen Schalke: "Unsere Fans machen uns Mut"

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Gelsenkirchen - Punktgenau zum Revierderby steht der FC Schalke 04 zum ersten Mal seit beinahe drei Jahren in der Tabelle vor dem großen Konkurrenten Borussia Dortmund. Im Exklusiv-Interview mit bundesliga.de spricht S04-Angreifer Franco Di Santo, der nicht nur wegen seines beherzten Elfmeter-Treffers gegen den HSV eines der Gesichter der königsblauen Erfolgs-Story ist, wohltuend offen über Stürmerfrust und Stürmerlust, über Lehrer und Schüler und über loderndes Derby-Fieber.

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bundesliga.de: Senor Di Santo, als Sie sich im Spiel gegen den HSV den Ball zum Elfmeter zurechtgelegt haben, war Ihnen da bewusst, dass der FC Schalke mit einem Sieg zum ersten Mal seit beinahe drei Jahren in der Tabelle wieder vor Borussia Dortmund stehen würde?

Franco Di Santo: Nein. Um ehrlich zu sein, war mir das nicht bewusst. Ich hätte mir darüber aber auch keine Gedanken gemacht, wenn ich es gewusst hätte. In der Woche vor dem Spiel habe ich mit Naldo darüber gesprochen, wer einen möglichen Elfmeter gegen den HSV schießen könnte. Und er hat gesagt: „Schieß Du. Wenn Du Dich gut fühlst, schieß Du!“ Wir denken alle nicht großartig darüber nach, ob wir nun im Augenblick vor oder hinter dem BVB stehen. Wir versuchen einfach nur, uns jeden Tag ein wenig mehr zu verbessern – um am Ende das Bestmögliche für Schalke 04 herauszuholen.

"Ob beim Training oder beim Einkaufen im Supermarkt oder abends im Restaurant – jeder spricht dich auf dieses Spiel an. Unsere Fans sind überall." Franco di Santo

Großer Jubel bei Franco Di Santo: Nach dem Treffer gegen den HSV fällt alle Anspanung des Schalkers ab - © imago / siwe

Video: Die Schlüsselduelle im Revierderby

bundesliga.de: Für die Schalke-Fans ist es natürlich etwas ganz Besonderes, erstmals wieder vor dem BVB zu stehen, noch dazu eine Woche vor dem Derby. Konnten Sie in den vergangenen Tagen die Anspannung bei den Fans bereits spüren?

Di Santo: Auf jeden Fall. Ob beim Training oder beim Einkaufen im Supermarkt oder abends im Restaurant, jeder spricht dich auf dieses Spiel an. Unsere Fans sind wirklich überall. (lacht) Und natürlich verstehen wir, dass sie euphorisch sind, das muss auch so sein. Sie machen uns auch Mut und sagen „Jungs, ihr seid in einer Topform, jetzt ist die Chance da, den BVB zu schlagen. Wann, wenn nicht jetzt?!“ Es steht außer Frage, dass diese Woche für uns alle eine ganze besondere ist.

bundesliga.de: Sie sind seit mehr als einem Jahrzehnt Profi. Sind Sie vor einem solchen Derby dennoch angespannter als vor einem Spiel gegen Hamburg, Hoffenheim oder Hannover?

Di Santo: Wenn Du als Profi vor einem solchen Spiel nicht mehr eine positive Art der Anspannung und nicht wenigstens ein bisschen Nervosität spürst, dann solltest du mit dem Profi-Fußball aufhören. Ich erinnere mich sehr gut an ein Interview von Diego Maradona, das er gab, als er auf der Höhe seines Könnens war. „Ich bin vielleicht der beste Spieler der Welt“, so Maradona damals, „aber ich bin noch immer vor jedem einzelnen Spiel so aufgeregt und nervös, als wäre es mein erstes Match.“ Nein, wenn du diese Anspannung, diese Vorfreude nicht mehr spürst, dann hast du die grundsätzliche Freude am Fußball längst verloren.

bundesliga.de: Der BVB steht unter Druck, wie schon lange nicht mehr. Macht es das für Schalke leichter, oder halten Sie es eher mit der Lebensweisheit, dass ein angeschlagener Gegner der gefährlichste ist?

Di Santo: Ich bin gerne bereit zu hoffen, dass die aktuelle Situation des BVB uns in die Karten spielt. Aber der von Ihnen zitierte Satz kommt ja auch nicht von ungefähr, und über die große Qualität der BVB-Spieler gibt es auch keine zwei Meinungen. Letztendlich spielt all das Für und Wider aber gar keine so große Rolle. Denn in der Bundesliga ist jedes einzelne Spiel eine Herausforderung. Leichte Gegner gibt es hier überhaupt nicht.

Franco Di Santo im Duell mit Stefan Ilsanker beim Spiel der Schalker gegen Leipzig - © DFL DEUTSCHE FUSSBALL LIGA / Lukas Schulze

"Wenn Du als Profi vor einem solchen Spiel nicht mehr eine positive Art der Anspannung und nicht wenigstens ein bisschen Nervosität spürst, dann solltest du mit dem Profi-Fußball aufhören." Franco Di Santo

bundesliga.de: Erinnern Sie sich an einen ganz besonderen Derby-Moment?

Di Santo: Ja. Aber dieser Augenblick war keine Spielszene, kein Tor oder was auch immer. Ich erinnere mich sehr gut an die Woche vor meinem ersten Derby auf Schalke. Zum Abschluss-Training kamen damals so viele Fans, die sich um den Trainingsplatz drängten, dass man den Eindruck hatte, in einem Stadion zu sein. Das war unglaublich, ich hatte so etwas in all den Jahren und auf meinen anderen Stationen als Profi noch nie erlebt.

Video: Di Santo trifft gegen den HSV

bundesliga.de: Sie haben in der Premier League gespielt und verfügen über jahrelange Bundesliga-Erfahrung. Dennoch waren Ihre ersten beiden Jahre auf Schalke eine schwierige Zeit, und manch einer mag sie schon abgeschrieben haben. Woher haben Sie dennoch das Selbstbewusstsein genommen, einen Elfmeter zu schießen, an dem für Schalke eine Menge gehangen hat?

Di Santo: Ich glaube, dass das Vertrauen meiner Kameraden und des Trainers in mich entscheidend war. Wenn du spürst, dass die anderen an dich glauben, auch wenn es zuvor vielleicht eine Zeitlang nicht so gut gelaufen ist, macht das Vieles leichter. Als ich mir in diesem Moment den Ball geschnappt und gesagt habe „Jungs, ich schieße“, war da keiner, der gesagt hat „Lass mich das besser machen“ und in keinem Gesicht war ein Zweifel zu sehen. Im Gegenteil: Als der Ball im Tor lag, konnte ich an den Gesichtern ablesen, wie sich jeder einzelne für mich freut, dass nach all den Monaten ohne Treffer nun eine Last von mir abgefallen war.

bundesliga.de: Sie selbst sprechen von einer Last, die abgefallen ist. Kann sich ein Profi überhaupt Selbstzweifel erlauben?

Di Santo: Ich glaube, dass es in jeder Karriere gute wie auch schlechte Phasen gibt. Und auch die schlechten muss man akzeptieren. Die Kunst ist es, selbst dann positiv zu bleiben. Zum Glück habe ich eine tolle Familie und großartige Freunde, die immer zu mir stehen und mich unterstützen. Letztlich aber musst du dich selbst aus einer solchen Lage befreien. Und da hilft es enorm, wenn du gelernt hast, positiv zu bleiben. Das muss natürlich mehr sein als ein Lippenbekenntnis. Ich glaube aber, dass jeder auf Schalke bestätigen kann, dass ich fast immer ein Lächeln auf den Lippen und auch in der Zeit, in der es eher schlecht für mich gelaufen ist, immer nach vorne geschaut habe.

bundesliga.de: Trotzdem: Beschreiben Sie doch bitte einmal, was es mit der Stürmerseele macht, wenn sie über Monate oder noch länger keine Tore bejubeln kann?

Di Santo: Stürmer werden an Toren gemessen, und Stürmer leben von den Toren, die sie schießen. Bleiben die Tore länger aus, wird es von Spiel zu Spiel schwieriger. Daraus braucht man gar keinen Hehl zu machen. Dir bleibt dann nur eins: Du musst dieses Manko mit harter und noch härterer Arbeit kompensieren. Du musst schuften für das Team, musst deine defensiven Aufgaben umso besser erledigen. Denn das vermittelt dir das Gefühl, dass deine Arbeit wichtig ist, auch wenn du keine Tore schießt. Wenn ich in den sozialen Medien lese, dass die Fans mir Mut zusprechen und mich dafür loben, dass ich für die Mannschaft arbeite, hilft mir das, die Situation anzunehmen und positiv zu bleiben. Und als Stürmer weißt du: Wenn du nach einer noch so langen Durststrecke endlich dieses eine Tor gemacht hast, werden weitere fast wie von selbst folgen.

"Jeder Einzelne hat sich gesteigert, und natürlich steigert das in der Folge auch die Qualität der Gruppe." Franco Di Santo

bundesliga.de: Heute sind Sie kaum noch wegzudenken aus dieser Mannschaft. Liegt das allein daran, dass mit Domenico Tedesco ein neuer Trainer gekommen ist?

Di Santo: Ich glaube, dass daran viele Faktoren ihren Anteil haben. Natürlich spielt es eine große Rolle, dass ich jetzt überhaupt wieder zu Einsätzen komme und das Vertrauen des Trainers spüre. Aber auch die Tatsache, wie sich die Mannschaft in den vergangenen Monaten entwickelt hat, ist nicht zu unterschätzen. Wir haben eine hervorragende Mischung aus jüngeren und älteren Spielern gefunden. Jeder Einzelne hat sich gesteigert, und natürlich steigert das in der Folge auch die Qualität der Gruppe. Überhaupt spürt man, dass Schalke in einer Entwicklung steckt, die längst noch nicht abgeschlossen ist. Es wird gebaut, neue Trainingsplätze und ein Zentrum für die Profis entstehen. Man sieht die Veränderung jeden Tag.

Video: McKennie vs. Pulisic

bundesliga.de: Tatsächlich scheint die Mannschaft zurzeit so stabil, dass selbst der wochenlange Ausfall eines Leistungsträgers wie Leon Goretzka ohne größeren Leistungsverlust zu verkraften ist...

Di Santo: Das ist der Punkt! Jeder hat verstanden, dass der Einzelne allein nichts bewirken kann, sondern dass es das Team ist, das zählt. Keiner spielt für sich selbst, jeder spielt für die Mannschaft. Nehmen Sie Max Meyer. Für ihn hat der Trainer mit der Sechserposition eine andere, eine neue Rolle gefunden, die sehr viel harte Arbeit verlangt. Max hat diese Rolle sofort angenommen und zeigt hervorragende Leistungen. Jeder hat auch das Gefühl, dass er jeden Augenblick wichtig werden kann, wie zum Beispiel dann, wenn ein Spieler wie Leon ausfällt. Du weißt, dass du immer bereit sein musst. Und bereit sein kannst du nur, wenn du vorher hart dafür gearbeitet hast.

bundesliga.de: Trainer nennt man auch Fußballlehrer, und ein Lehrer soll seine Schüler besser machen. Ist das eine der ganz großen Stärken Tedescos, dass er genau erkennt, wo der einzelne dem Team am besten helfen kann?

Di Santo: Ja. Der Trainer macht den einzelnen besser, indem er ihn dort einsetzt, wo er am wirkungsvollsten ist – und so macht er auch das Team besser. Das ist anders als in den vergangenen Jahren. Ich habe heute das Gefühl, dass jeder versteht, dass er persönlich nur wirklich glänzen kann, wenn auch die Mannschaft glänzt. Das ist es, was uns der Trainer als erstes beigebracht hat: Dass wir wie eine Mannschaft denken, und nicht wie eine Ansammlung von Profis, die mehr am eigenen Erfolg interessiert sind als an dem des Teams.

Das Gespräch führte Andreas Kötter