Schalke "gewinnt" 2:2 und feiert trotz Platz 17
Das 100. Revierderby hielt, was es versprach, und könnte sowohl den Abstiegskampf als auch das Rennen um die Meisterschaft entscheidend beeinflussen. Der FC Schalke 04 geht nach dem 2:2 gegen die favorisierte Borussia aus Dortmund als emotionaler Sieger vom Platz und mit einer breiten Brust in den Saisonendspurt.
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Wer erst seit Samstag Fußball-Fan ist, der dürfte den Tag mit ein paar Fragezeichen über dem schwirrenden Kopf ins Bett gegangen sein. Warum feierte die Mannschaft in Blau erst eine Grätsche von dem schlaksigen Spieler mit der 41 und dann ein 2:2 im eigenen Stadion wie einen Sieg? Wenn sie nach diesem Ergebnis doch weiterhin auf dem vorletzten Tabellenplatz steht, der in elf Wochen den Abstieg bedeuten würde.
Vielleicht war es die perfekte erste Lektion für angehende Enthusiasten: Ergebnis und Qualität sind nicht alles in diesem Sport, der seine Zuschauer in schöner Regelmäßigkeit so elektrisiert wie bei den Schalker Ausgleichstreffern von Marius Bülter und Kenan Karaman. Als über die Stadionmauern hinaus gefeiert wurde, dass der Underdog seinem fußballerisch seit Jahren weit enteilten Erzrivalen ein Schnippchen schlug. "Dass Dortmund uns fußballerisch überlegen war, muss man anerkennen", räumte Schalke-Trainer Thomas Reis hinterher ein: "Aber wenn man sieht, in welcher Art und Weise das Unentschieden entstanden ist, wenn man so zurückkommt und diese Mentalität zeigt, genießt man das."
Das Derby als Schlüssel für Meister- und Abstiegsrennen?
Es war kein Schalker Derbysieg, und trotzdem sogar noch mehr als das: Der emotionale Schub hätte für die Königsblauen auch bei einem Sieg kaum größer ausfallen können. Gleiches - nur umgekehrt - gilt für die Stimmung bei den Borussen, die nach dem Ausscheiden in der Champions League unter der Woche beim FC Chelsea nun auch in der Bundesliga den ersten herben Dämpfer in diesem Kalenderjahr einstecken mussten.
Spektakuläres Revierderby endet 2:2
Hinzu kommen die rein faktischen Konsequenzen an beiden Enden der Tabelle: Während die vor sechs Wochen noch hoffnungslos abgeschlagenen Schalker nur noch zwei Punkte von Platz 14 trennen, kassierte Dortmund einen empfindlichen Rückschlag im Titelkampf. Die Super-Serie von acht Siegen in acht Bundesliga-Spielen 2023 endete ausgerechnet auf Schalke, wodurch die zuletzt eindrucksvoll geschlossene Punktelücke zu Tabellenführer FC Bayern nun wieder zwei Zähler beträgt. Im Rückblick auf diese Saison könnte das 100. Revierderby vielleicht als Schlüsselmoment für Meister- und Abstiegsfrage ausgemacht werden.
Neue Schalker Derbyhelden
Sollte Schalke bis zum 34. Spieltag tatsächlich den Klassenerhalt feiern, dürften einige Spielernamen besonders gewürdigt werden. Neben Top-Scorer Bülter, einem Gesicht des Schalker Umschwungs seit Januar und Schütze des 1:1 sowie Vorbereiter des 2:2 gegen Dortmund, bot das Top-Spiel mit Karaman auch einen eher unwahrscheinlichen Derbyhelden. In der 79. Minute gewann er das entscheidende Kopfballduell gegen Julian Ryerson und versetzte die Nordkurve in Exstase. "Mein erstes Tor für Schalke und dann direkt im Derby," strahlte der 29-Jährige ungläubig in die TV-Kamera. Seit seiner Ankunft im Sommer hat Karaman bislang nur wenig Einsatzzeit bekommen. Thomas Reis: "Er hat nie aufgegeben und es ist schön, dass der Junge trifft, nachdem er eingewechselt wurde."
Und dann war da ja noch Henning Matriciani. Der unscheinbare Abwehr-Allrounder, der 2021 aus der zweiten Mannschaft der Königsblauen hochgezogen wurde und mit seiner beherzten Grätsche kurz vor Schluss eine Riesenchance durch Mahmoud Dahoud vereitelte. Das Stadion feierte die Aktion wie ein Tor. "Wenn man sagt, dass man den Gegner auffressen soll, war Henning dafür in diesem Derby das Sinnbild", sagte Ralf Fährmann nach dem Spiel über "Mentalitätsmonster" Matriciani. "Er hat in Perfektion bewiesen, wie man den Gegner unangenehm bearbeiten kann."
Lust auf mehr statt Abstiegsangst
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Emotional vollgetankt und wieder ganz eng verbandelt mit den Fans, sind Unsicherheit und Abstiegsangst im Schalker Team mittlerweile gieriger Lust auf den Rest des Weges bis zum Klassenerhalt gewichen. Und in diesen neuen Hunger mischt sich langsam aber sicher gar ein Gefühl der Unbesiegbarkeit: Schalke ist als einzige Mannschaft neben dem BVB in der Rückrunde noch ungeschlagen. Aus dem winterlichen "Gegen wen soll diese Truppe gewinnen?" ist ein "Wer kann diese verschworene Einheit eigentlich schlagen?" geworden. Seit diesem Samstag wissen Alteingesessene ebenso wie ganz frische Fußball-Fans: Der BVB jedenfalls nicht.
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