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Als Friedhelm Funkel auf der Pressekonferenz seinen Abschied nach fünf Jahren bei Eintracht Frankfurt verkündet, kämpft er mit Tränen
Als Friedhelm Funkel auf der Pressekonferenz seinen Abschied nach fünf Jahren bei Eintracht Frankfurt verkündet, kämpft er mit Tränen

Es funkelt nicht mehr

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Friedhelm Funkel ist ein ruhiger, sachlicher Zeitgenosse. Emotionen lässt er selten aufkommen. Bei den Spielen seiner Eintracht steht der Trainer meist starr und steif neben der Reservebank. In Denkerpose und die Augen aufs Spielfeld gerichtet. Nur wenn er findet, dass seine Mannschaft vom Schiedsrichter benachteiligt wird, hüpft er kurz umher oder schwingt schreiend die Arme. Ansonsten kann man an ihm nicht erkennen, ob die Frankfurter in Führung liegen oder einem Rückstand hinterher laufen.

Als Funkel aber am gestrigen Donnerstag im Presseraum der Commerzbank-Arena verkündet, dass er den Trainerjob bei der Eintracht aufgibt, sieht man, dass die Gefühle in ihm hochschlagen. In dunkelgrünem Hemd und blauer Jens statt wie gewöhnlich im Sportleroutfit sitzt er auf dem Podium und kämpft mit den Tränen.

Der routinierte Fußball-Lehrer, sonst sehr redegewandt, macht auffallend viele Sprechpausen und schluckt immer wieder, ehe er seine Botschaft unters Volk bringt. Nach fünf Jahren bei Eintracht Frankfurt ist Schluss für ihn. Weil er es so will. Doch ganz freiwillig geht er nicht.

Funkel-Gegner und Funkel-Freunde

Schon lange hat sich an ihm ein Streit entzündet, der das ganze Frankfurter Umfeld zerrissen hat. Das Feuer der Kritik flammte zunächst in der Fanszene auf, griff dann um sich und breitete sich auf die VIP-Gäste, die Sponsoren und auch auf den Aufsichtsrat aus.

Das Lager spaltete sich in Funkel-Gegner und Funkel-Freunde. Während die einen die sachliche, überlegte Art des in Neuss geborenen Trainers schätzen, der immer wieder betont, dass das Bundesliga-Mittelfeld das Maß der Dinge für einen Club wie die Eintracht sei, sahen die anderen in Funkel einen Realisten ohne Emotionen. Ohne kurzfristige Ziele. Ohne Visionen.

Reizfigur Caio

Mit der Zeit wurde von immer mehr Anhängern bemängelt, Friedhelm Funkel lasse zu defensiv spielen. Und stets nur mit einer Spitze. Tatsächlich probierte der Eintracht-Coach einige Systeme in dieser Spielzeit aus. In den vergangenen zehn Partien ließ er immer im 4-5-1 spielen, zuvor hatte er schon ein 4-3-3, 3-4-3, 4-4-2 (Raute sowie mit offensiven Außen) und ein 4-4-1-1 mit offensiven Außen getestet.

Der Wunsch vieler Fans nach mehr Offensive wurde immer stärker und schließlich auf die Person von Caio projiziert - auf den teuersten Neuzugang in der Eintracht-Geschichte, der den Ball streicheln kann wie kaum ein anderer, aber wenig Spaß daran findet, zu laufen, zu kämpfen und zu grätschen. Deswegen ließ Funkel ihn meist auf der Bank, was die zahlreichen Fans auf die Palme brachte, für die Caio der Inbegriff des Offensivzaubers ist, von dem viele in Frankfurt träumen.

Hatte die Eintracht in den frühen 90er Jahren doch ausgezeichnet, dass in Bein, Möller, Okocha und Yeboah Spieler aufliefen, die Fußball zelebrierten und nicht kämpften. Eben nicht so, wie es Friedhelm Funkel von seinen Schützlingen fordert. Das aktuelle Spielermaterial gibt nicht viel mehr her. Doch das wollten immer weniger Fans wahrhaben und so schossen sie sich auf den 1953 geborenen Trainer ein. "Funkel raus"-Rufe gehörten zuletzt zu den Frankfurter Spielen dazu wie Apfelwein und Bratwurst.

"Die fünf schönsten Jahre überhaupt"

Aber als er da so sitzt, auf dem Stuhl im Presseraum und nach Wochen der massiven Kritik, die auf ihn niederprasselte wie Starkregen in den Tropen, verabschiedet sich Friedhelm Funkel nicht mit Rechtfertigungen oder wütenden Angriffen auf seine Widersacher, sondern mit feuchten Augen und einem Liebesbekenntnis von den Hessen: "Die Eintracht bleibt tief in meinem Herzen. Ich hatte hier in Frankfurt die fünf schönsten Jahre überhaupt."

Und eigentlich wollte er das sechste Jahr beim Traditionsclub vom Main anpacken, weshalb er am 6. Februar den Vertrag um ein Jahr bis zum Juni 2010 verlängert hatte. Das hätte ihn zum Rekord-Trainer der "Adlerträger" gemacht. Am 2. Juli hätte Funkel Erich Ribbeck als Rekordhalter abgelöst. Nur zwei Tage fehlen ihm zur Marke von 1.827 Tagen als Frankfurter Übungsleiter. Doch mit der Zeit sei die Entscheidung langsam gereift, aufzuhören, wie der Mann mit dem zerfurchten Gesicht verrät. Was "nichts mit den Fans zu tun" hat, wie er betont.

Druck von Spielern nehmen

Die Erklärung liefert der ehemalige Profi, der 320 Bundesliga-Partien bestritt und 83 Tore schoss, gewohnt sachlich. "Als die Situation in den letzten Wochen angespannter wurde und als die Zielsetzungen, die wir für realistisch gehalten haben, nicht mehr uneingeschränkte Zufriedenheit hervorriefen, habe ich darüber nachgedacht, ob es für mich überhaupt noch sinnvoll ist, weiterzumachen", sagt Funkel.

"Ich habe gespürt, dass die Mannschaft Schwierigkeiten hat, mit dieser Situation umzugehen. Ich wollte mit dieser Maßnahme für die kommende Saison den Druck von den Spielern nehmen. Sie sollen unbelastet in die neue Spielzeit gehen."

Eine Ära geht zu Ende

Am Montag hatte Funkel, der im Saisonfinale gegen den Hamburger SV zum letzten und 170. Mal für die Eintracht auf der Bank sitzen wird, Heribert Bruchhagen darum gebeten, den erst kürzlich verlängerten Vertrag aufzulösen. "Wir haben seinem Wunsch entsprochen. Es ist uns leider nicht gelungen, die Eigendynamik der Enttäuschung durch Argumente zu entkräften", sagt Bruchhagen, der auf dem Podium links neben Funkel Platz genommen hat.

Somit endet am Samstag eine Ära in Frankfurt. Funkel hatte das Trainerkommando beim hessischen Traditionsverein zur Saison 2004/05 übernommen. Er führte die Eintracht sogleich in die Bundesliga und etablierte sie dort. Der Höhepunkt war die Teilnahme am DFB-Pokal-Finale 2006, das die Hessen gegen den FC Bayern München mit 0:1 verloren. Weil die Bayern aber die Meisterschaft holten, zogen die Frankfurter in den UEFA-Pokal ein, wo sie es bis in die Gruppenphase schafften.

Negative Bilanz in Frankfurt

In der laufenden Saison war Funkel mit seiner Elf hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Aufgrund zahlreicher Verletzungen vieler Leistungsträger mühte sich Frankfurt zum Klassenerhalt, der am 33. Spieltag unter Dach und Fach gebracht wurde. Amanatidis, Spycher und Co. werden die Spielzeit als 13. oder 14. abschließen.

Funkels beste Saison als sportlicher Chef der Hessen war die vergangene, als er mit der Truppe Neunter wurde. In den Spielzeiten 2005/06 und 2006/07 hatte er die Eintracht jeweils auf Rang 14 geführt. Seine Bilanz in Frankfurt ist negativ: 57 Siegen bei 45 Remis stehen 67 Niederlagen gegenüber. Im Schnitt holte er 1,28 Punkte pro Spiel. In der Bundesliga sackte er bis dato 155 Zähler in 135 Partien mit der Eintracht ein. Exakt genauso viele wie beim MSV Duisburg (in 127 Spielen), für den der einstige Stürmer von 1996 bis 2000 tätig gewesen war.

Gelöst oder nicht

Auf dem Podium wird Friedhelm Funkel entspannter, nachdem er seinen Entschluss verkündet hat. Er lehnt sich auf dem Stuhl zurück und verschränkt die Arme. Während Heribert Bruchhagen den Stand der Dinge aus seiner Sicht erklärt und die Journalistenfragen nach dem Nachfolger mit Gegenfragen beantwortet, muss Funkel immer wieder schmunzeln. Er wirkt gelöst.

Prompt will ein Pressevertreter wissen, wie die Gefühlslage in ihm aussieht. Funkel erwidert: "Ich bin weder gelöst noch angespannt. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich einen Verein verlasse. Im Fußball ist es nun mal so, dass irgendwann der Tag kommt, an dem man sich trennt. Ich war länger hier, als ich vorher geglaubt habe. Fünf Jahre ist eine stolze Zeit - vor allem in Frankfurt."

Eine gewohnt nüchterne Antwort von Friedhelm Funkel. So wie man ihn kennt, als ruhigen, sachlichen Zeitgenossen.

Thorsten Schaff