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Ingo Anderbrügge begann seine Profikarriere 1984 beim BVB und beendete sie 200 auf Schalke
Ingo Anderbrügge begann seine Profikarriere 1984 beim BVB und beendete sie 200 auf Schalke

"Davon lebt der Fußball im Ruhrgebiet"

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Dortmund/Gelsenkirchen - Zwei Mal im Jahr fallen Ostern und Weihnachten im Ruhrgebiet auf einen Tag. Wenn das Revier-Derby (ab 20 Uhr im Live-Ticker / Liga-Radio) steigt, steht der "Pott" Kopf. Doch längst hat dieses Nachbarschafts-Duell auch den Rest der Bundesliga angesteckt.

Einer, der ganz genau weiß, was passiert, wenn das "Spiel des Jahres" für alle BVB- und S04-Fans ansteht, ist Ingo Anderbrügge. Der Linksfuß war bei zahlreichen Derbys mittendrin - für "Königsblau" und "Schwarz-Gelb"!

Im exklusiven Interview mit bundesliga.de spricht der gebürtige Recklinghausener nicht nur über die Emotionen, die mit dem Derby aufleben, sondern auch über die aktuelle Lage der beiden Rivalen und zwei junge, aber schon ganz große Spieler.

bundesliga.de: Herr Anderbrügge, wieder einmal steigt das Derby zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04. Ist es für die beiden Rivalen wie immer der Höhepunkt der Saison?

Ingo Anderbrügge: Ja, da wird sich auch in den kommenden Jahren nichts dran ändern. Das ist immer ein ganz besonderes Spiel für die Region, mittlerweile auch für die ganze Bundesliga, egal, wo die Teams in der Tabelle stehen. Davon lebt der Fußball im Ruhrgebiet.

bundesliga.de: Was ist denn das Besondere an diesem Duell?

Anderbrügge: Das Besondere sind die Fanlager. Das Ruhrgebiet ist in dieser Hinsicht zwiegespalten: Da gibt es die Dortmunder auf der einen und die Schalker auf der anderen Seite. Da muss man sich entscheiden. Man kann nur einen richtig mögen. Das ist dann bei den Fans auch immer wieder Thema am Arbeitsplatz. Das macht das Besondere aus.

bundesliga.de: Sie haben während Ihrer aktiven Zeit als Spieler für beide Clubs auf dem Feld gestanden. Wie erlebt man das Derby als Spieler?

Anderbrügge: Man merkt das schon im Voraus in seinem Umfeld. Die Leute, die zum Training kommen, die eigenen Freunde, alle fiebern diesem Spiel entgegen, um - hoffentlich - nach dem Derby derjenige zu sein, der die anderen ein bisschen ärgern kann. Das ist für die Region hier immens wichtig. Als Derby-Sieger gehen die Leute erhobenen Hauptes durch die Stadt, hissen vielleicht sogar die Fahne des Vereins. Dieses Spiel sorgt halt immer wieder und überall für Gesprächsstoff, nicht nur am Stammtisch.

bundesliga.de: Was für ein Spiel erwarten Sie, wenn Sie auf das Duell am Freitag vorausschauen?

Anderbrügge: Diese Situation, wie sie derzeit ist, dass einer der beiden Clubs seine Spiele so überlegen gewinnt wie Borussia Dortmund das derzeit macht, hat es in den vergangenen Jahren noch nicht gegeben. Der BVB ist mit einem immensen Vorsprung Erster, Schalke kommt in dieser Saison gar nicht so richtig in Tritt - das macht das Spiel besonders. Schalke hatte in der Liga fast mehr Tiefen als Höhen, aber hat in der Champions League erfolgreich gespielt, während Dortmund in der Bundesliga nicht zu stoppen scheint - das macht dieses Duell im Vorfeld aus.

bundesliga.de: Was bedeutet das für das Spiel?

Anderbrügge: Dortmund wird es Schalke sehr schwer machen, weil sie einfach so überlegen spielen. Das wird sehr schwer werden für Schalke 04. Sollte Schalke das Derby jedoch verlieren, wird es natürlich umso schwerer für den Club, an die internationalen Plätze heranzukommen.

bundesliga.de: Was sagen Sie denn zu den vier Neuzugängen bei den "Knappen": Ali Karimi, Angelos Charisteas, Danilo Avelar und Anthony Annan?

Anderbrügge: Zu den Spielern kann ich im Einzelnen nichts sagen. Allerdings muss Schalke versuchen, diese vier neuen Spieler schnellstmöglich zu integrieren. In der Hinrunde hat man gesehen, wie schwierig es war und wie lange es gedauert hat, die vielen neuen Spieler, die Schalke geholt hatte, ins Team einzubauen. Ich hoffe, dass Felix Magath und die Mannschaft es schaffen, die Neuen zügig zu integrieren, weil man wenig Zeit hat. Ein Spiel folgt auf's nächste - unter anderem steht das schwere Halbfinale im DFB-Pokal beim FC Bayern München an.

bundesliga.de: Angelos Charisteas ist ein wuchtiger Stürmer, der vom Körperbau her Klaas-Jan Huntelaar ähnelt und bei dem es seit dem 12. Spieltag nicht mehr läuft. Sehen Sie seine Verpflichtung als Ergänzung an?

Anderbrügge: Das hängt allein von Felix Magaths Motiv ab. Ob er Charisteas verpflichtet hat, um Huntelaar ein wenig Druck zu machen oder im System zu variieren und mal mit drei Spitzen zu spielen, kann nur er beantworten.

bundesliga.de: Haben Sie denn eine Erklärung dafür, dass es bei Huntelaar in letzter Zeit nicht mehr so zu laufen scheint?

Anderbrügge: Das sehe ich gar nicht als großes Problem an. Das war bei anderen Spielern, sei es Kevin Kuranyi, Mario Gomez oder Miroslav Klose, auch so. Huntelaar hat ja von Beginn an getroffen. Jetzt hat er mal einen Durchhänger, trotzdem arbeitet er noch sehr viel für die Mannschaft. Wäre es umgekehrt gewesen würde man sagen: Okay, er musste sich erst eingewöhnen. Stürmer haben immer mal eine kleine Flaute. Dennoch bin ich der Meinung, dass Huntelaar ein überdurchschnittlich guter Spieler und für den FC Schalke eine Bereicherung ist.

bundesliga.de: In den vergangenen drei Wochen war Julian Draxler ja das Gesprächsthema auf Schalke. Was halten Sie von dem neuen Jungstar?

Anderbrügge: Julian Draxler kenne ich noch aus der Jugend. Er war ab und zu in meiner Fußballschule. Ich gratuliere ihm, dass er das geschafft hat. Er ist ein toller junger Spieler, der hoffentlich eine Zeit lang bei Schalke bleiben wird, um sich dort zu entwickeln. Allerdings darf man seine Leistungen bisher nicht überbewerten. Er hat ein wunderbares Tor erzielt im Pokal gegen Nürnberg, aber ich hoffe, dass er trotzdem auf dem Boden bleibt.

bundesliga.de: Wo liegen denn seine Stärken?

Anderbrügge: Dass er bei mir in der Fußballschule war, ist ja schon ein paar Jahre her. Als er elf oder zwölf war, hat er mal ein Camp bei mir absolviert. Julian sucht die Eins-gegen-Eins-Situation und ist beidfüßig. Allerdings muss man ihm nun die Zeit geben, sich zu entwickeln - mit Höhen und Tiefen. Das Zeug, ein guter Spieler zu werden, hat er allemal.

bundesliga.de: Bei Borussia Dortmund hat sich mit Mario Götze ebenfalls ein junges Talent zu einem sehr guten Spieler entwickelt. Wie bewerten Sie seinen Aufstieg?

Anderbrügge: So etwas kann man immer nur mit viel Talent, Schweiß und Arbeit erklären. Talent muss man sich immer wieder neu erarbeiten. Er ist in seiner Entwicklung schon weiter als Julian Draxler. Er hat schon einiges an Erfahrung gesammelt, hat schon international gespielt. Er ist zwar ein kleinerer Spieler, aber sehr dynamisch, dennoch durchsetzungsstark und ebenfalls beidfüßig. Im Prinzip ein ähnlicher Typ wie Julian Draxler.

bundesliga.de: War es denn zu erwarten, dass er - wie zuletzt in Wolfsburg - Shinji Kagawa so problemlos ersetzen kann?

Anderbrügge: Dass er das kann, hat er ja schon in den letzten Spielen bewiesen. Allerdings muss man sagen, dass man bei Kagawa ja auch nicht damit rechnen konnte, dass er so gut ist. Aber dass ein Spieler so explodiert, wie das bei Götze im Moment der Fall ist, kann man nicht erwarten. Er hat mit Jürgen Klopp einen Trainer, der weiß, wie man mit jungen Spielern umgehen muss, der weiß, wann man ihn mal raus nehmen muss, um ihn nicht zu überlasten. Doch Mario steckt das gut weg, zeigt viel Spielfreude und scheint im Moment vollkommen unbelastet zu sein. Das ist toll, wenn sich junge deutsche Spieler so behaupten.

bundesliga.de: Aber war es denn abzusehen, dass der BVB Kagawas Ausfall so unbeeindruckt verkraften würde?

Anderbrügge: Mannschaften, die oben stehen, haben eine gute Bank. Hinzu kommt, dass Borussia Dortmund in der Hinrunde fast immer dieselben acht, neun Spieler in der Startformation hatte, die dann durch zwei, drei andere ergänzt wurden. Man wünscht es keinem, aber da ist es dann nur eine Frage der Zeit, wann einer von diesen Stammkräften mal länger ausfällt. Man hat aber gesehen, dass genug Qualität auf der Bank sitzt: Ob das nun Robert Lewandowski ist, der Lucas Barrios ersetzt, oder Götze für Kagawa. Auch Antonio da Silva hat Sven Bender während seiner Verletzung gut vertreten. Aber so eine Bank braucht man auch, wenn man oben dabei sein will. In den vergangenen Wochen kamen darüber hinaus immer wieder weitere Spieler nach überstandener Verletzung hinzu - das macht eine Mannschaft stabil und das ist auch ein Teil des Erfolgs von Borussia Dortmund.

bundesliga.de: Jetzt ist es allerdings so, dass im Derby am Freitag mit Neven Subotic eine große Stütze ausfällt. Ist das ein schwerwiegendes Problem für die Borussia?

Anderbrügge: Das könnte eine Schwachstelle sein, und die muss Schalke ausnutzen. Neven Subotic und Mats Hummels sind zwei außergewöhnlich gute Innenverteidiger und der Hauptgrund dafür sind, dass die Abwehr des BVB bislang überragend ist. Für Subotic wird Felipe Santana spielen, der auch seine Qualitäten hat. Subotic eins zu eins ersetzen, kann im Moment aber niemand. Das wird eine Chance für Schalke sein.

bundesliga.de: Ist Dortmund Ihrer Meinung nach denn schon Deutscher Meister?

Anderbrügge: Ich glaube, dass Dortmund es am Ende schaffen wird. Ob es dann sieben, fünf oder nur zwei Punkte sind, ist egal - der Vorsprung ist einfach enorm und die Borussia gewinnt ihre Spiele sehr überlegen. Sie lebt im Moment nicht von diesem berühmten Bayern-Dusel - der meiner Meinung nach auch ein Zeichen für eine gewisse Qualität ist. Dortmund gewinnt 3:0 in Wolfsburg, 3:1 in Leverkusen - das ist unglaublich souverän. Deswegen glaube ich auch, dass der BVB Meister werden wird.

bundesliga.de: Und wie beurteilen Sie die Chancen für Schalke 04? Sie haben vorhin gesagt, dass Platz 5 möglich sei...

Anderbrügge: Ja, aber dazu braucht man eine Serie - und die muss irgendwann anfangen. Vielleicht ist das Derby da genau das richtige Spiel, um noch einmal Stimmung zu machen. Sollte man in Dortmund verlieren, könnte es passieren, dass die Fans nach dieser Niederlage und der im Heimspiel gegen Hoffenheim vergangene Woche das Ziel "Internationaler Wettbewerb" als nicht mehr erreichbar betrachten. Das kann dann dazu führen, dass die Saison gedanklich schon abgehakt würde, was schlecht wäre. Das darf nicht passieren. Man muss sich rechnerisch die Chance erhalten, vorne noch ranzukommen und dafür braucht Schalke am Freitag einen Sieg.

Das Gespräch führte Gregor Nentwig