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Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!

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München - In der Sportsprache haben Bilder bisweilen inflationären Charakter. Mal befindet sich ein Verein auf dem Erfolgsweg, mal durchschreitet ein Spieler das Tal der Tränen. Doch selten zuvor passte ein metaphorischer Vergleich so sehr, wie am Samstagnachmittag in der Münchner Allianz Arena.

Da war unter der Woche ein chilenischer Bergmann namens Mario Gomez aus einem eingestürzten Schacht hochgezogen worden und hatte nach 69 Tagen endlich wieder das Tageslicht erblickt. Bildlich gesprochen zog sich drei Tage später ein Münchner Stürmer mit dem gleichen Namen selbst aus dem dunklen Schacht und landete beim 3:0-Sieg gegen Hannover 96 mit einer Gala den so dringend benötigten Befreiungsschlag für seinen Verein - und vor allem für sich selbst. Das Motto des Arbeiterliedes galt für irgendwie beide Protagonisten: "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit, Brüder zum Lichte empor!"

Der bayerische Mario Gomez war sich sicher, dass die Rettung des chilenischen Namensvetters ein gutes Omen für ihn selbst sein würde. "Ich hatte deswegen ein gutes Gefühl vor dem Spiel. Das war kein Zufall, sondern Schicksal", sagte der Stürmer mit der Trikotnummer 33 - übrigens genau die Anzahl der Geretteten aus der Grube in San Jose. "Dass es dann auch noch mit den drei Toren klappt, ist schon ein bisschen Hokuspokus", schmunzelt Gomez.

Mit breiter Brust aus Kasachstan

Doch wenn man es genau nimmt, dann hatte der Bayern-Stürmer schon vier Tage zuvor sein persönliches Erweckungserlebnis. Im Trikot der deutschen Nationalelf beendete er mit dem 2:0-Treffer gegen Kasachstan seine saisonale Durststrecke und schüttelte damit offenbar die Verkrampfung schlagartig aus den Klamotten.

Dass Gomez mit jeder Menge Rückenwind ins Spiel gegen Hannover ging, war vom Anpfiff an zu sehen: Er bot sich ständig an, beschäftigte die 96-Abwehr über die vollen 90 Minuten - und schoss alle drei Treffer. Einen "Dreierpack" hatte Gomez zum letzten Mal im Trikot des VfB Stuttgart geschnürt - zu der Zeit also, als er noch voller Selbstvertrauen Tore am Fließband erzielte.

Vertrauen ist auch das Zauberwort beim Deutsch-Spanier: Die Leistungskurve des Angreifers steigt proportional zur Wertschätzung, die ihm die Club-Verantwortlichen entgegenbringen. Anders ausgedrückt: Die Rolle des Jokers schlägt dem sensiblen Stürmer meistens auf Gemüt, so dass er schon vor der Saison längere Einsatzzeiten forderte. "Ich bin im Sommer zum Verein hin und habe gesagt: Ich bin beim besten Club der Welt - aber ich habe nur Spaß daran, wenn ich auch spielen kann. Und wenn ich dazu beitragen kann, dass wir Erfolg haben. Der Verein hat mir verdeutlich, dass er mit mir plant und auf mich setzt."

"Ich habe ihm gesagt, dass wir an ihn glauben"

Dieses Vertrauen zahlt Gomez nun offenbar zurück, was den Trainer offenkundig freut. "Wenn er Vertrauen hat, dann macht er solche Tore. Das war ein typisches Gomez-Tor", lobte Trainer Louis van Gaal seinen Schützling für das Kabinettstückchen beim zweiten Treffer.

"Ich kann ihm nur gratulieren. Das ist der Beweis, dass wir alle die richtige Entscheidung gefällt haben, als es hieß, Mario Gomez nicht nach Liverpool ziehen zu lassen", sagte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge: "Ich habe ihm gesagt, dass wir an ihn glauben und von ihm erwarten, dass er jetzt Gas gibt. Das hat er in den letzten Monaten gemacht. Und das Ergebnis ist, dass ein Spieler mit dieser Qualität irgendwann solche Tore schießt."

Dass Gomez überhaupt auflaufen durfte, ist jedoch auch der langen Verletztenliste der Bayern geschuldet. Miroslav Klose und Ivica Olic waren von ihren Länderspielreisen angeschlagen an die Isar zurückgekommen - da fiel die Wahl auf Gomez nicht schwer. Der 25-Jährige hatte jedoch auch schon bei der unglücklichen 0:2-Niederlage in Dortmund mitgewirkt, war dort aber trotz guter Torchancen noch ohne Treffer geblieben.

"Wir haben viele Fehler gemacht"

Nun klappte es sogar dreifach - und Gomez genoss sichtlich den Augenblick. Da nahm er auch die Gelbe Karte in Kauf, die ihm Schiedsrichter Marco Fritz zeigte, nachdem sich der Stürmer für seinen "Torero-Jubel" das Trikot vom Leib riss. "Bei allen Toren habe ich große Freude empfunden", verriet Gomez nach dem dritten Saisonsieg des FC Bayern.

Allerdings wusste er, dass im Spiel des Rekordmeisters gegen die Niedersachsen längst nicht alles Gold war, was glänzte. "Wir haben Probleme gehabt, nicht so dominant gespielt wie sonst und auch viele Fehler gemacht. Man hat eine große Verunsicherung gespürt", gestand Gomez. "Deswegen ist es umso schöner, dass wir trotzdem zu Null gespielt und endlich mal wieder ein Spiel gewonnen haben." Erst das 2:0 löste die Verkrampfung der angeschlagenen Münchner Rumpfelf.

Der chilenische Mario Gomez muss nach der Rettung im Krankenhaus aufgepäppelt werden. Der bayerische Namensvetter strotzt nach seiner Gala nicht nur vor Gesundheit, sondern vor allem vor Selbstvertrauen. Das kann dem FC Bayern im weiteren Saisonverlauf nur gelegen kommen.

Aus der Allianz Arena berichtet Johannes Fischer