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Mentor und Schüler: Jupp Heynckes (l.) und Ewald Lienen. Lienen war Spieler und Co-Trainer unter Heynckes
Mentor und Schüler: Jupp Heynckes (l.) und Ewald Lienen. Lienen war Spieler und Co-Trainer unter Heynckes

"Andere Trainer hätten einen Nervenzusammenbruch gekriegt!"

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München - 600 Mal Jupp Heynckes auf der Bundesliga-Trainerbank. Kein Trainer hat mehr Bundesligaspiele auf dem Buckel als der aktuelle Bayern-Coach. Einer, der die Heynckes' Trainerlaufbahn von Beginn an am eigenen Leib erfahren hat, ist Ewald Lienen. In Heynckes' erstem Spiel als Coach stand der ehemalige Stürmer auf dem Rasen.

"Er war eine Instiution", sagt Lienen über seinen 66-Jährigen Kollegen. Allerdings hat es der acht Jahre jüngere Lienen als Spieler seinem Chef damals nicht gerade leicht gemacht: "Wenn ich zu irgendwelchen politischen Veranstaltungen durch halb NRW gefahren bin, da hätten andere Trainer einen Nervenzusammenbruch gekriegt. Der Jupp hat alle diese Dinge akzeptiert, weil er gesehen hat, dass mir das gut getan hat", erzählt er. Später war Lienen unter Heynckes Co-Trainer bei CD Teneriffa.

Im ersten Teil des Interviews mit bundesliga.de spricht er über gute, aber auch knifflige Momente als Spieler unter Heynckes und dessen bemerkenswerte Wandlung. Und er erklärt, was den heutigen Trainer Heynckes so stark macht.

bundesliga.de: 600 Bundesligaspiele hat Jupp Heynckes als Trainer absolviert und ist damit Rekordhalter. Sein erstes Spiel war am 11. August 1979 mit Borussia Mönchengladbach, Endstand 1:1. Wissen Sie, wer den Ausgleich für Gladbach vorbereitet hat?

Lienen: Ich wahrscheinlich.

bundesliga.de: Genau. Sie haben durchgespielt und legten in der 65. Minute das 1:1 von Harald Nickel auf. Sie waren also von Anfang an dabei - erzählen Sie doch mal, wie der Trainer Heynckes für einen jungen Spieler war.

Ewald Lienen: Wir haben ja auch noch zusammen gespielt. Er war ja damals selber noch sehr jung. Ich hatte zuvor noch ein Jahr lang das Vergnügen, mit ihm spielen zu dürfen, wobei er mehr gespielt hat als ich natürlich. Der Jupp war natürlich eine Institution, schon als Spieler. Dann musste er die Karriere aufgrund von Verletzungen leider beenden. An sein letztes Spiel, ein 12:0 über Borussia Dortmund in Düsseldorf, kann ich mich noch gut erinnern. Da hat er fünf Tore gemacht, obwohl er sich kaum noch bewegen konnte. Sonst hätte er wahrscheinlich zehn gemacht. Er war eine Institution, als Spieler und dann auch als Trainer. Er hat uns sehr viel gegeben, wir haben zusammen wunderschöne Zeiten zusammen erlebt. Diese sechs Jahre, in denen er mein Trainer war, habe ich sehr genossen und habe dabei sehr viel gelernt.

bundesliga.de: Wenn man so lange zusammenarbeitet, gibt es ja zwangläufig auch schwierige Momente. Sie haben mal über ihn gesagt: "Es hat Phasen gegeben, da hätte ich ihn auf den Mond schießen können. Er hat sich selber wahnsinnig unter Druck gesetzt und wenn er dann von uns enttäuscht war, konnte er in seiner Kritik grausam verletzend sein." Können Sie das noch zuordnen?

Lienen: Natürlich sind solche Dinge auch passiert, das ist schon richtig. Das sind punktuelle Situationen gewesen, zum Beispiel als wir gegen Real Madrid im UEFA-Pokal nach einem 5:1-Sieg zu Hause noch 0:4 verloren haben und ausgeschieden sind. Da war er richtig sauer und ungenießbar. Der Jupp war als junger Trainer wahnsinnig ehrgeizig, aber das sind wir alle als Trainer. Aber bei ihm war es so, dass er das kaum ertragen konnte, wenn wir mal nicht gewonnen haben.

bundesliga.de: Heute sieht man ihn oft lächeln, er wirkt meist tief entspannt und sehr souverän.

Lienen: Ja, diese Phase ist seit langen Jahren passe. Heute ist es eine seiner ganz großen Stärken, mit den Spielern umzugehen und das Beste aus ihnen herauszuholen. Er geht mit bestimmten Situationen viel gelassener und ruhiger um. Nach wie vor wird er es nicht ertragen können, wenn er nicht gewinnt. Das geht jedem Trainer oder Spieler so, aber die Ausprägung ist immer eine andere. Heute geht er wesentlich analytischer und sozialverträglicher damit um und zieht daraus auch die richtigen Konsequenzen. So wie zuletzt bei dieser Ergebnis-"Krise" der Bayern auswärts. Er hat reagiert, und was dabei herausgekommen ist, sieht man ja jetzt.

bundesliga.de: Als Grund für seine entspanntere Arte nennt er auch oft seine Krankheitsphase. So sagte er: "Das wurde mir wurde klar, dass viele Dinge im Leben gar nicht so wichtig sind." Ist der Heynckes von heute, der sich auf das Wesentliche konzentriert, vermutlich der beste Trainer Heynckes, den es je gab?

Lienen: In unserer Zeit existiert generell übertriebener Jugendwahn. Die Achtung dem Alter gegenüber sollte wieder mehr betont werden, nicht nur im Fußball, auch beispielsweise in der Wirtschaft. Das begreifen viele Firmen jetzt wieder. Jeder fängt mal an, aber wenn jemand erst ein Jahr im Job ist und gleich als Top-Mann hingestellt wird, während der ältere Kandidat auf die Seite geschoben wird, ist das für mich völlig daneben. Das sieht man jetzt im Fall von Jupp. Die Erfahrung, die er gesammelt hat, ist besonders in Drucksituationen entscheidend. Der Jupp hätte vor 20 Jahren wahrscheinlich auch anders reagiert in der sogenannten Krise, die die Bayern jetzt hatten. Aber wenn Dinge erlebt hat, wo sich der Fußball dann relativiert, dann kann man auch ganz anders damit umgehen. Man kann seinen Spielern ganz andere Dinge mitgeben. Die Fehler, die junge Trainer heute machen, haben wir auch früher alle gemacht. Daraus muss man lernen und sich weiterentwickeln. Und dann wird man abgeklärter, ruhiger und sicherer: Einfach besser. Wie Jupp eben auch.

bundesliga.de: Bei Leverkusen und Bayern bewies Heynckes zuletzt ein gutes Händchen mit jungen Spielern wie Toni Kroos. Wären Sie auch lieber unter dem heutigen Trainer Heynckes Spieler gewesen?

Lienen: Ich kann mich überhaupt nicht beklagen. Wir haben ja meistens gewonnen (lacht)! Wir haben super Jahre erlebt, zum Schluss sind wir gemeinsam zwei Mal Vierter und zwei Mal Dritter geworden. Ich bin ja auch ein Spieler gewesen, der jeden Trainer auf eine harte Probe gestellt hat durch sein politisches und soziales Engagement. Nicht jeder Trainer hätte die Ruhe und die Abgeklärtheit gehabt, damit umzugehen. Der Jupp hat alle diese Dinge akzeptiert, weil er gesehen hat, dass mir das gut getan hat. Wenn ich zu irgendwelchen Veranstaltungen durch halb NRW gefahren bin, da hätten andere Trainer einen Nervenzusammenbruch gekriegt. Der Jupp war von Anfang an ein sehr verständnisvoller Trainer. Nur eben Niederlagen konnte er nicht ertragen - aber so viele haben wir davon ja nicht gehabt (lacht)!

Das Gespräch führte Christoph Gschoßmann

Lesen Sie im zweiten Teil des Interviews: "Wenn ich am Spielfeldrand einpenne, ist es besser, ich gehe nach Hause!" über die emotionalen Ausbrüche von Trainern wie Jürgen Klopp und jetzt auch Lucien Favre oder Stale Solbakken.