
Loris Karius: Die Odyssee eines Torhüters
Genau vier Jahre waren zwischen den letzten beiden Einsätzen von Loris Karius in Deutschland vergangen. Am 24. Spieltag meldete sich der Winterneuzugang von Schalke 04 mit einer großartigen Performance zurück. Bei den Königsblauen könnte nach dem Mega-Comeback gegen Münster das nächste Kapitel einer besonderen Karriere warten.
Den Sagen der griechischen Mythologie nach verbrachte Odysseus zehn Jahre auf hoher See. Die Geschichten des titelgebenden Helden sind in der "Odyssee" niedergeschrieben. Sie handeln von tragischen Ereignissen und Rückschlägen auf der Reise, enden aber mit dem "Happy End", der langersehnten Rückkehr in die Heimat.
Möchte man die Idee der Geschichte auf einen Akteur der 2. Bundesliga anwenden, landet man - zumindest nach dem 24. Spieltag - bei Loris Karius. Bei seinem neuen Club, dem FC Schalke 04 von "Heimat" zu sprechen, ist zwar nicht wirklich präzise, schließlich wurde der 31-Jährig in Baden-Württemberg geboren und schaffte sportlichen den Durchbruch bei 1. FSV Mainz 05, allerdings lässt sich mit Sicherheit sagen, dass auch in der "Odyssee" nicht alles so passiert ist, wie von Autor Homer niedergeschrieben.
Bleiben wir also im übertragenen Sinn. Die Rückkehr zwischen die Torpfosten ist Karius' vorläufiges Ende der persönlichen Odyssee. Am vergangenen Freitag stand er nämlich zum ersten Mal, seit rund einem Jahr wieder in einem Pflichtspiel im Kasten. Vor dem 2. Bundesliga-Duell zwischen Schalke und SC Preußen Münster war er zuletzt am 24. Februar 2024 für Newcastle United gegen Arsenal zum Einsatz gekommen.

Fast auf dem Olymp - dann in "stürmischen Gewässern"
Die rund einjährige Spielpause war vielleicht so etwas wie der Tiefpunkt einer ohnehin schon beschwerlichen Reise des Keepers.
Dabei war es lange eigentlich nur in eine Richtung gegangen - nach oben. Im Winter 2012 hatte ihn Mainz nach einjähriger Leihe von Manchester Citys Reserve fest verpflichtet. In folgenden Saison feierte er sein Bundesliga-Debüt für die Rheinhessen. Ab der Spielzeit 2013/14 wurde der 1,91-Meter-Mann dann unumstrittener Stammtorhüter der 05er, absolvierte bis zum Ende der Saison 15/16, 100 weitere Partien im deutschen Oberhaus und wechselte dann zum FC Liverpool. Dort machte er sich weiter einen Namen, die Entwicklung gipfelte in einer - bis zum Finale - überragenden Champions-League-Saison 2017/18. Unter anderem mit sechs Zu-Null-Spielen.
Es folgte der "Schiffsbruch" im Endspiel. Karius, dem einer erlittener Ellenbogenschlag zu Beginn der Partie sichtlich zu schaffen machte, leistete sich schwere Fehler, die zu Gegentreffern führten und bei der 1:3-Niederlage gegen Real Madrid den Unterschied machten.
In Zeiten, in denen mit etwaigen Kopfverletzungen noch nicht so sensibel umgegangen wurde wie heute, kam erst nach dem Spiel die Diagnose: Gehirnerschütterung. Tragisch, dass die Fußballerkarriere darunter litt. Bei den folgenden Stationen in der Türkei und der zwischenzeitlichen Rückkehr in die Bundesliga zum 1. FC Union Berlin (wo er genau vier Jahre vor der Premiere bei Schalke seine letzte Partie in Deutschland absolviert hatte) wurde Karius nicht glücklich. Stürmische Zeiten bei der Suche nach einem erneuten Stammplatz.
Beim Comeback wie eine abgewandelte Form der Hydra
Nun scheint alles darauf hinzudeuten, dass er jenen Platz zunächst einmal bei S04 finden wird. Im Winter nahmen die Knappen den Routinier an Bord, das Arbeitspapier gilt zunächst bis Sommer. Eigentlich war er als Nummer zwei eingeplant, seit vergangener Woche sitzt der 31-Jährige am Steuer. Einen besseren Einstand hätte es wohl kaum geben können. Gegen Münster sicherte der Keeper seinem neuen Club den Sieg fast im Alleingang.
Mit acht starken Paraden erinnerte an eine weitere Sagengestalt des alten Griechenlands. Die "Hydra", der nach jeder "geschlagenen Schlacht" neue Köpfe wuchsen. Nur, dass Karius - insbesondere beim unglaublichen Doppel-Reflex in der Nachspielzeit - den Eindruck erweckte, er verfüge über unzählige Arme.