Setzt sich für andere ein: Oliver Baumann, Keeper der TSG Hoffenheim - © Verena Müller/
Setzt sich für andere ein: Oliver Baumann, Keeper der TSG Hoffenheim - © Verena Müller/
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Oliver Baumann im Gespräch: "Ich bin im Begriff, vielleicht schon zu Ostern meinen eigenen Verein zu gründen"

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Helfen, das ist ein Leitmotiv für Torhüter Oliver Baumann von der TSG Hoffenheim, egal ob seinem Team – oder Kindern in der Kinderkrebsklinik Heidelberg. Ein Gespräch über den Antrieb, für andere da zu sein.

Herr Baumann, wann waren Sie zuletzt im „Café am Rande der Welt“?

Oliver Baumann: Das ist schon ein paar Jahre her. Ich habe das Buch von John Strelecky, ein Weltbestseller, sehr gern gelesen. Darin geht es um den Sinn des Lebens, um Fragen wie: Wonach strebst du, und wofür lebst du? Es hat mich inspiriert.

Sie gehören zu den Profis, die über das, was sie am liebsten tun und was sie lieber lassen, genau nachdenken. So beschränken sich Ihre Aktivitäten in den sozialen Medien auf fußballspezifische Themen.

Baumann: Aus gutem Grund, denn mein Privatleben gehört mir und hat dort nichts zu suchen.

Von Anfang an hatte Ihr Weg zu einem der besten Bundesliga-Torhüter viel mit harter Arbeit, Disziplin und Selbstbeschränkung zu tun. Hat Ihnen das gutgetan?

Baumann: Da muss ich etwas weiter ausholen. Ich bin in dem Hotelbetrieb meiner Eltern in Bad Krozingen in Südbaden groß geworden. Die beiden waren mit ihren Aufgaben vollauf beschäftigt. Dazu bin ich im Alter von zehn, elf Jahren zum Sport-Club Freiburg gewechselt. Durch all diese Faktoren habe ich ein Leben fast ohne Eltern geführt. Wofür sie aufgrund der Umstände gar nichts konnten.

Wer hat Sie dann pädagogisch begleitet?

Baumann: Ich bin großenteils durch den Fußball erzogen worden. Christian Streich, der damals als Jugendtrainer beim Sport-Club gearbeitet hat, war einer derjenigen, die mich geprägt haben – mit klaren Grundsätzen. So gab es bei ihm zum Beispiel für diejenigen, die die Schule mal schwänzten, kein Training. Fertig.

Hoffenheims Führungsspieler Oliver Baumann im Interview - Verena Müller/

"Damit habe ich einen Teil meiner Jugend liegenlassen"

So haben Sie, auch wenn Sie die Schule regelmäßig besucht haben, schon früh zu spüren bekommen, dass Sie sich als aufstrebendes Torwarttalent in einem Bundesliga-Club an klare Regeln zu halten hatten.

Baumann: Natürlich. Und ich war sehr ehrgeizig. Zusatzschichten, diszipliniert zu sein, die Ernährung sportlergerecht anzupassen, früh ins Bett zu gehen – das war schon früh mein Alltag. Klar, damit habe ich einen Teil meiner Jugend liegengelassen. So würde ich es zumindest rückblickend bewerten. Andere mit vielleicht mehr Talent haben ihre Jugend womöglich mehr genossen. Ich hatte damals aber auch viele Kollegen und Konkurrenten, die ich heute nicht mehr auf dem Fußballplatz beziehungsweise in der Bundesliga sehe. Auch deshalb fühle ich mich als inzwischen 32 Jahre alter Profi in der Verantwortung, jungen Spielern auch Ratschläge zu geben. Fußball ist unter anderem harte Arbeit und hat auch mit Verhaltensregeln zu tun. Das habe ich durch Christian Streich und die Freiburger Fußballschule schnell gelernt. Ich habe das, was dort Standard war, angenommen und gelebt.

Sie sind, nicht zuletzt durch das ganzheitliche Denken von Trainer Christian Streich, nie entrückt gewesen vom Leben der Menschen, die nicht durch eine Karriere im Profifußball privilegiert sind.

Baumann: Ich habe mein Fachabitur gemacht und danach neun Monate lang meinen Zivildienst in der Freiburger Turnerschaft von 1844, einem großen Sportverein der Stadt, abgeleistet, der in der Nähe des Dreisamstadions und der Freiburger Fußballschule zu Hause ist. So konnte ich weiter trainieren und trotzdem alle Zivildienstpflichten bestmöglich erfüllen. Morgens um 7 Uhr war ich als Zivildienstleistender gefragt und habe die Sporthallen saubergemacht. Das war hart, weil wir beim Sport-Club auch zweimal in der Woche morgens und abends Training hatten. Es war aber trotzdem eine schöne Zeit. Ich habe damals erfahren, wie sich der Alltag berufstätiger Menschen außerhalb des Profisports gestalten kann. Das war lehrreich.

"Den Kindern dort eine Freude zu machen, ist ein wunderbares Gefühl"

Während Ihrer Freiburger Zeit, in der Sie schnell zum Stammtorwart der Bundesliga-Mannschaft aufgestiegen sind, ist Ihr Vater 2012 mit 62 Jahren an einem Krebsleiden gestorben.

Baumann: Sein Tod hat mich tief getroffen und beschäftigt mich bis heute. Er litt schon seit 2010 an der Krankheit und hat nur zwei meiner Bundesliga-Spiele im Stadion gesehen. Als er nicht mehr da war, stand ich da – und ich bin dem Verein, besonders Christian Streich, zu dem ich noch immer einen sehr guten Kontakt habe, bis heute dankbar dafür, wie ich in dieser schweren Zeit unterstützt wurde.

Was macht Christian Streich aus Ihrer Sicht so besonders?

Baumann: Er fordert viel, aber er gibt auch viel. Er nahm, weil er mich so früh kennengelernt hat, eine wichtige erzieherische Rolle in meinem Leben ein. Und er war auch der Trainer, unter dem ich 2010 mit 19 Jahren im Bundesliga-Team debütieren konnte. Mein Verhältnis zu Christian Streich war immer sehr familiär, auch wenn ihm mein Wechsel zur TSG Hoffenheim – das war im Sommer 2014 – wehgetan hat.

Warum sind Sie innerhalb Badens gewechselt?

Baumann: Mir ging es sowohl um die sportliche als auch um die persönliche Perspektive. Ich wohne und lebe mit meiner Frau Charlotte gern in Heidelberg, wo ich zwischen Beruf und Privatleben total wechseln kann. Das ging in Freiburg nicht so ohne Weiteres. Dort war der Fußball präsenter – auch wenn gerade nicht Spieltag war. In Heidelberg ist das anders. Dort bin ich viel privater unterwegs. Für mich ist das schön, da ich es mag, nicht allein auf den Fußball reduziert zu werden.

In Heidelberg setzen Sie sich für krebskranke Kinder ein.

Baumann: Wir wollten, das haben Charlotte und ich uns nach dem Tod meines Vaters gesagt, schon immer etwas in dieser Richtung tun. Dann haben wir die Kinderkrebsklinik im Universitätsklinikum Heidelberg gefunden und dort gefragt, ob es Projekte gibt, die wir unterstützen können. Das machen wir jetzt seit ein paar Jahren. Den Kindern dort eine Freude machen und Glücksmomente schenken zu können, ist ein wunderbares Gefühl. Wir organisieren mal eine Ballonfahrt oder ein paar Kopfhörer für die Kids. Viele dieser Kinder haben dank der modernen Medizin inzwischen erfreulicherweise auch sehr gute Heilungschancen.

Gibt es noch weitere Pläne, hilfsbedürftige Kinder zu unterstützen?

Baumann: Ich bin im Begriff, vielleicht schon zu Ostern meinen eigenen Verein zu gründen. Er wird „Olis Kinderwelt“ heißen und soll Kinderwünsche erfüllen. Ich kann für mein Projekt werben und Menschen dafür gewinnen, mitzumachen und zu unterstützen. Mit der neuen Reichweite und mit mir als öffentlicher Person können wir da etwas auf die Beine stellen. Ziel ist es, den Kindern schöne Momente zu bereiten. Ich freue mich sehr darauf.

Oliver Baumann plant die Eröffnung eines eigenen Vereins, der Kinderwünsche erfüllen soll - Verena Müller/

"Ich möchte endlich mal ein Länderspiel bestreiten"

Was Ihnen auch am Herzen liegt, ist der Kampf gegen den Bewegungsmangel vieler Kinder.

Baumann: Auch dieses Thema kann in „Olis Kinderwelt“ einfließen, indem man zum Beispiel Fußballevents organisiert. Dadurch könnte man, vielleicht im Verbund mit Schulen, auch Eltern entlasten, die die Mitgliedsbeiträge in einem Sportverein nicht mehr bezahlen können.

Um Bewegungsmangel müssen Sie sich persönlich nicht sorgen. Aber warum sind Sie so gern Torwart?

Baumann: Was mich nach wie vor fasziniert, ist der Umstand, in einem Team zu sein und dabei vieles in der eigenen Hand zu haben. Du kannst als Torwart und erster Helfer deiner Mannschaft massiv dazu beitragen, Erfolg zu haben. Ich sage aber auch immer, Demut ist der beste Lebensbegleiter, was nicht heißt, dass du nicht selbstbewusst sein darfst. Arroganz aber mag ich überhaupt nicht, weil du dich damit über andere Leute stellst. In der Arroganz machst du sowieso meistens Fehler, weil du nicht in der Realität bist. Ich war immer einer, der sich die Dinge erarbeitet und dafür viel Zeit und viele Trainingseinheiten investiert hat. Ich hatte dazu immer Glück mit Trainern und Torwarttrainern, die mich unterstützt haben. Meine Erfahrung ist: Du erreichst mehr, wenn du diesen Weg gehst.

Gibt es etwas, das Ihnen noch zu Ihrem Glück als Torwart der Topkategorie fehlt?

Baumann: Ich möchte, nachdem ich schon häufiger bei der Nationalmannschaft im Aufgebot war, endlich mal ein Länderspiel bestreiten. Je älter ich werde, desto mehr fühle ich mich dieser Aufgabe gewachsen.

Herr Baumann, vielen Dank für dieses Gespräch.

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