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Die Rückkehr zur alten Liebe: Tim Kleindienst zu Gast beim 1. FC Heidenheim

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Wiedersehen macht Freude: Tim Kleindienst wechselte im Sommer vom 1. FC Heidenheim zur Gladbacher Borussia. Bei den Schwaben fasste er endgültig Fuß in der Bundesliga, bei den Fohlen reifte er zum Nationalspieler. Nun tritt der Sturmtank erstmals wieder in seiner alten sportlichen Heimat an.

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Wenn man Tim Kleindiensts Anfängen seiner Bundesliga-Karriere einen Beziehungsstatus verpassen müsste, dann wäre es wohl dieser: "Es ist kompliziert." Der 1,94 Meter große Angreifer feierte zwar schon im Alter von 21 Jahren für den Sport-Club Freiburg sein Debüt in der höchsten deutschen Spielklasse, doch bei den Badenern ging dem seit eh und je fleißigen Anläufer in vorderster Front die Torgefährlichkeit ab: In seiner ersten Bundesliga-Saison gelangen dem Neuner gerade mal zwei Tore und drei Assists.

Die Treffer waren dafür aber immens wichtige: Der Angreifer erzielte diese an den Spieltagen 33 und 34 der Saison 2017/18: Sein 2:0 gegen den FC Augsburg am 34. Spieltag machte den Klassenverbleib endgültig fest für den in dieser Saison etwas strauchelnden SC. "In der ersten Halbzeit hatte Tim ein paar unglückliche Aktionen, aber er hat sich nicht beirren lassen. Ich bin unglaublich stolz, dass wir auf diesem Weg nun den Klassenerhalt geschafft haben", lobte und tadelte die Freiburger Trainerlegende Christian Streich Kleindienst nach dem wichtigen 2:0 gegen den FCA.

Nicht immer glückliche Aktionen, vor allem des öfteren im Abschluss, aber sich niemals davon unterkriegen lassen und unentwegt für sein Team arbeiten: Das beschreibt die Anfänge der Profikarriere von Kleindienst ganz gut. 

"Die eine oder keine": Immer wieder zurück ins geliebte Heidenheim

Bevor Kleindienst 2018 zum Freiburger Helden im Bundesliga-Abstiegskampf wurde, ging der Angreifer mit dem SC einen Umweg über die 2. Bundesliga: Die Badener verpflichteten Kleindienst im Sommer 2015 von Energie Cottbus und wurden mit dem Stürmer zusammen Meister der 2. Bundesliga. In sieben Einsätzen 2015/16 gelang dem damals 20 Jahre alten Angreifer aber kein Scorerpunkt. 2016/17 lief es für Kleindienst im Unterhaus dann ein wenig besser: Als Leihgabe gelangen ihm nach seinem ersten von insgesamt drei Wechseln zum 1. FC Heidenheim 1846 sieben Tore und drei Vorlagen.

Nach seinem wichtigen Treffer im Endspurt der Saison 2018 hoffte man in Freiburg auf den Durchbruch Kleindiensts: Doch der Angreifer machte aufgrund zweier schwerer Verletzungen (Sprunggelenk und Meniskus) nur vier Spiele. So ging es für den Stürmer im Sommer 2019 dann fest nach Heidenheim und zurück in die 2. Bundesliga. Kleindienst gelang der endgültige Durchbruch: Mit 14 Treffern und sechs Assists avancierte er zu einem der besten Angreifer der 2. Bundesliga und empfahl sich so der KAA Gent, die ihn nach einem Jahr beim FCH loseiste. 

In Belgien lief es von Beginn an nicht: weder für Gent, noch für Kleindienst selbst. Der Trainer, der Kleindienst damals unbedingt haben wollte, wurde nach der verpassten Champions-League-Qualifikation und zwei Niederlagen zum Saisonstart in der Jupiler League direkt entlassen – Jess Thorup, mittlerweile beim FC Augsburg der Chef. Bis zur Winterpause versuchten vier verschiedene Übungsleiter ihr Glück in Gent. Bei immer wieder wechselnden Spielsystemen kam Kleindienst wettbewerbsübergreifend auf 23 Einsätze, drei Treffer und einen Assist. Nach einer halbjährigen "Affäre" in Belgien kehrte er per Leihe zum dritten Mal an die Brenz zu Heidenheim zurück.

Mit Heidenheim steigt Kleindienst in die Bundesliga auf und ballert den FCH in den Europapokal - Sebastian Widmann/Bundesliga

Kleindienst und die Bundesliga: Liebe auf den zweiten Blick

Dort knipste der Angreifer umgehend, so als ob er nie weg gewesen wäre: elf Buden in 15 Spielen der Rückrunde! Im Sommer 2021 schloss er sich fest der Mannschaft von Trainer Frank Schmidt an und ließ 2021/2022 zehn Treffer und zwei Assists folgen, Heidenheim wurde Sechster. Die Saison danach wurde historisch – für Kleindienst und den FCH: Kleindienst wurde 2022/23 mit 25 Treffern der erste Heidenheimer Torschützenkönig in der 2. Bundesliga.

Nach neun Toren in der Hinrunde spielte er mit 16 Treffern eine überragende Rückrunde, hier traf Kleindienst mindestens doppelt so oft wie jeder andere Spieler. Der 1,94-Meter-Hüne war es auch, der am 34. Spieltag in Regensburg in der neunten Minute der Nachspielzeit das entscheidende 3:2-Siegtor erzielte – und Heidenheim so zum ersten Bundesliga-Aufstieg der Geschichte samt Meisterschaft in der 2. Bundesliga schoss. Zusammen mit sechs Torvorlagen kam er 2022/23 auf 31 Scorer-Punkte, er war auch der ligaweite Top-Scorer.

Und, wie lief es nun in der Bundesliga, wo er zuvor bei Freiburg eher weniger überzeugen konnte? Überragend! Mit zwölf Treffern war er der beste Torschütze des Bundesliga-Neulings und trug enorm dazu bei, dass Heidenheim souverän Achter wurde – und sich direkt nach der ersten Saison für Europa qualifizieren konnte! Kleindienst und die Bundesliga – Liebe auf den zweiten Blick sozusagen.

Inklusive der vorherigen vier Zweitliga-Spielzeiten traf Kleindienst damit im fünften Jahr in Folge zweistellig. Nimmt man die aktuelle Saison hinzu, in der er mit 14 Toren der treffsicherste Deutsche in der Bundesliga ist, hat er nun schon sechs Saisons in Folge zweistellig getroffen. Wie vielseitig Kleindienst mittlerweile vor dem gegnerischen Tor im Abschluss ist, zeigt folgende Statistik: In dieser Bundesliga-Saison traf er vier Mal mit links, vier Mal mit rechts und markierte zudem sechs Kopfballtreffer. Nur Dortmunds Knipser Serhou Guirassy hat 2024/25 ebenfalls schon so viele Treffer per Kopf vorzuweisen.

Air Kleindienst: Enorme Kopfballstärke zeichnet den Angreifer aus - Lukas Schulze/Bundesliga

Auch bei der neuen Liebe einer der "besten Neuner der Bundesliga"

Für Frank Schmidt war im Sommer 2024 somit klar: "Tim gehört für mich zu den besten Neunern der Bundesliga!" Schmidt hat aus dem fleißigen Anläufer, der im Spiel gegen den Ball für Heidenheim 2023/24 unersetzlich war, über die Jahre einen bockstarken Brecher gemacht: Versprangen Kleindienst zu beginn seiner Profikarriere noch einige Bälle bei der Annahme oder agierte er im Abschluss überhastet und unsauber, ist er nun neben seiner Lauf- und Zweikampfstärke zu einem Wandspieler par excellence geworden, der seine nachrückenden Mitspieler gekonnt einsetzen kann. Mit außergewöhnlichen Fähigkeiten im Kopfballspiel, dank seines Timings und seiner Sprungkraft, sowie einer durch mehr Ruhe neu gefundenen Abschlussstärke wurde er auch zum Knipser.

Diese zahlreichen Stärken blieben Borussia Mönchengladbach im Sommer nicht verborgen: Die Fohlen lotsten Kleindienst bekanntermaßen an den Niederrhein. Er avancierte bei seiner neuen Liebe direkt zum Fixpunkt des Gladbacher Angriffs, traf sofort bei seinem ersten Bundesliga-Einsatz für seinen neuen Verein (das zwischenzeitliche 2:2 gegen Meister Leverkusen). Mit 14 Toren und fünf Assists ist Kleindienst der Topscorer der Borussia. Der 29 Jahre alte Angreifer ist mit und gegen den Ball ein unermüdlicher Unruheherd: Seine 62 Torschüsse sind die mit Abstand meisten von allen Gladbachern, zudem geht keiner in so viele Zweikämpfe wie Kleindienst (657). Auch bei den Luftzweikämpfen (214), der Sprintdistanz (14,12 Kilometer) und der Distanz der Tempoläufe (18,52 Kilometer) ist er die klare Nummer eins Gladbachs.

Neuer Club vs. alte Liebe: Die erste Rückkehr nach Heidenheim

Weil Niclas Füllkrug (West Ham United) und Kai Havertz (FC Arsenal) derzeit verletzt sind, dürfte Kleindienst, der im Oktober sein Länderspiel-Debüt für Deutschland gab, nun ebenfalls die erste Option im Angriff für Bundestrainer Julian Nagelsmann sein. Doch bevor es Ende März in die Viertelfinal-Partien der Nations League gegen Italien geht, stehen noch drei Bundesliga-Spiele für Gladbach und seinen Angreifer an: Den Auftakt macht am Samstag das Gastspiel der Borussia beim 1. FC Heidenheim, der alten Liebe Kleindiensts. Der Angreifer kehrt erstmals zu dem Club zurück, für den er die meisten Einsätze als Profi absolviert hat (172) und bei dem er das Fundament für seine DFB-Karriere gelegt hat.

Beim 3:2-Heimerfolg in der Hinrunde steuerte das Neu-Fohlen einen Doppelpack gegen seinen früheren Arbeitgeber bei. Dem Stürmer wäre frei vor dem Heidenheimer Tor beinahe auch noch ein dritter Treffer gelungen, doch sein ehemaliger Teamkollege Kevin Müller machte ihm mit seiner Parade einen Strich durch die Rechnung. "Wenn er das dritte Tor geschossen hätte, hätte ich eine Rote Karte in Kauf nehmen müssen. Ich hätte ihn mir geschnappt", scherzte der Keeper nach der Partie. "Es hat schon wehgetan, zwei Tore von ihm zu kassieren." Kleindiensts enormer Ehrgeiz zeigte sich im Anschluss an den Sieg gegen das Ex-Team: "Der letzte Schuss kotzt mich tatsächlich an. Ich hatte einen schlechten Kontakt, was ermöglicht hat, dass er den bekommt", ärgerte er sich, dass er Müller unterlag.

Dass er seinem Kumpel am Samstag wieder einen einschweißt, ist aber nicht unwahrscheinlich: Vor der 0:3-Niederlage gegen Augsburg am vergangenen Wochenende netzte Kleindienst fünf Spiele in Folge ein. Auch falls ihm beim Ex-Verein kein Tor gelingen sollte, ist erkennbar: Im beschaulichen Heidenheim erarbeitete sich der fleißige Kleindienst das Rüstzeug, um ein gestandener – sogar einer der besten – Bundesliga-Stürmer zu werden. Ein bisschen Gefühls-Chaos könnte diese Rückkehr zur alten Liebe also schon hervorrufen. Aber: "Kompliziert" ist der Beziehungsstatus zwischen Kleindiensts Karriere und der Bundesliga auf keinen Fall mehr.

Patrick Dirrigl

Verhaltener Jubel: Kleindienst nach einem seiner Treffer gegen Heidenheim - IMAGO/Kirchner-Media/TH