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Taktik-Analyse: Das Erfolgsrezept von Bayer Leverkusens Alejandro Grimaldo

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Alejandro Grimaldo ist einer der neuen Stars am Bundesliga-Himmel. Mit der ablösefreien Verpflichtung des Spaniers ist Bayer 04 Leverkusen ein echter Monsterdeal gelungen. bundesliga.de analysiert, was den Flügelspieler so gut macht.

Hast du Grimaldo schon im offiziellen Bundesliga Fantasy Manager?

Alejandro Grimaldo wurde in der weltberühmten "La Masia", der Jugendakademie des FC Barcelona, ausgebildet. Alleine diese Beschreibung reicht, um die wichtigste Eigenschaft Grimaldos zumindest erahnen zu können: Der Spanier verfügt über eine extrem gute Technik. Kein Wunder, dass der gelernte Linksverteidiger schon in seiner frühen Jugend auch immer wieder als zentraler Mittelfeldspieler oder Linksaußen eingesetzt wurde. Elemente, die sich auch in seinem taktischen Spiel heute noch wiedererkennen lassen.

Mit einer starken Passquote von 90 Prozent innerhalb der eigenen Hälfte zeigt sich Grimaldo sehr sicher im Kombinationsspiel. Selbst wenn er in der gegnerischen Hälfte mehr ins Risiko geht, kommt er mit rund 88 Prozent angebrachten Pässen immer noch auf einen sehr guten Wert. Damit ist er für Leverkusens Kurzpassspiel sehr gut geeignet. Selbst unter Gegnerdruck bleibt er absolut passsicher und lässt sich nicht einschüchtern - hier kamen in der bisherigen Saison 87 Prozent der Pässe beim Mitspieler an.

Im Ballbesitz bilden Grimaldo und Kossounou als Außenverteidiger einen Viereraufbau - DFL Deutsche Fußball Liga

Grimaldo ist unpressbar im Aufbau

Doch auch mit dem Ball am Fuß ist er herausragend, was eine fantastische Dribbling-Erfolgsquote von 77 Prozent belegt. Damit ist Grimaldo sehr schwer zu pressen und er ist super geeignet fürs tiefe Aufbauspiel. Denn anders als sein rechtes Pendant Jeremie Frimpong muss Grimaldo im flachen Aufbau aus einer Viererkette die üblichen Linksverteidiger-Verpflichtungen übernehmen, während rechts aufgeschoben wird. Frimpong agiert dann quasi als Rechtsaußen und der rechte Innenverteidiger (meist Odilon Kossounou) rückt etwas weiter auf den Flügel. 

Immer wieder bleibt Grimaldo im ruhigen Spiel zurück und bietet eine Passoption über die linke Seite an. Und das, obwohl sich Florian Wirtz, der linke Offensivspieler, gerne ins Zentrum fallen lässt. Mit seinem guten Passspiel kann Grimaldo entweder schon von der linken Defensivseite Lücken finden, um den Ball nach vorne zu spielen - oder er trägt ihn einfach selbst den weiten Flügel hinauf. Doch auch wenn viele Gegenspieler auf seiner Seite stehen, kombiniert er sich durch seine tolle Technik stark durch den Druck.

So kann Grimaldo aus dem Nichts einen Angriff generieren. Ein Paradebeispiel für seine Fähigkeiten zeigte sich in der Nachspielzeit des ersten Durchgangs gegen den FC Augsburg. Flach im Viereraufbau wurde er von den Fuggerstädtern angelaufen, stand unter hohem Druck. Doch erst kombinierte er sich mit einem Doppelpass an einem Gegner vorbei. Den zweiten überlistete er schließlich mit einem Dribbling zur Mitte. Und mit einem weiteren Doppelpass ging es schnell in die Tiefe. Vier Verteidiger hatte Grimaldo mit dieser Pass-Dribbel-Pass-Kombination überspielt. Als ihn ein fünfter Defensivspieler anläuft, verlagerte er das Spiel auf die rechte Seite und ermöglichte der Werkself somit einen Angriff in Überzahl.

Doppelpass, Dribbling, Doppelpass - Grimaldo schaltet vier Gegner in Reihe aus - DFL Deutsche Fußball Liga

Grimaldo sorgt für Angriffsbreite und Torgefahr

Auch im weiteren Offensivspiel ist Grimaldo üblicherweise dafür zuständig, auf seinem Flügel die Breite zu halten. Das sorgt dafür, dass die gegnerischen Außenverteidiger nicht zu weit ins Zentrum aufrücken können. Die Abwehrkette des Gegners wird dadurch auseinandergezogen und die Lücken werden größer.

Erst spät, wenn sein Team schon am oder sogar im Strafraum angekommen ist, verschiebt Grimaldo schließlich nach innen, um als Zielspieler für Flanken oder als Abfangjäger für zweite Bälle zu funktionieren. Aus dieser Position gibt der ungewohnt abschlussstarke Außenverteidiger auch immer wieder Schüsse aufs Tor ab.

Mit seiner seltenen Schusstechnik gibt er den Bällen viel Spin mit und lässt sich überraschend vor dem Tor nach unten fallen. Bereits dreimal traf Grimaldo aus der Ferne, wenn auch nur einmal aus dem laufenden Spiel. Seine sieben Tore sind der zweitbeste Wert Leverkusens - und das als Außenverteidiger!

Grimaldo hält im Ballbesitz die Breite - DFL Deutsche Fußball Liga

Wenn das Zentrums-Gen durchkommt

Doch es gibt auch Ausnahmen von der Regel, bei denen Grimaldo schon frühzeitig den Weg ins Zentrum sucht. Generell gibt es hier zwei Gründe: Leverkusen rotiert gerne die Positionen durch und bringt dabei immer wieder vor allem Super-Youngster Florian Wirtz in gute Situationen, um in Ballbesitz zu kommen und für die Werkself das Spiel gestalten zu können. Ein häufiges Muster: Wirtz lässt sich weit links raus fallen und besetzt den Flügel. Dann zieht Grimaldo von der linken Defensivseite ins Zentrum, anstatt den Flügel nach vorne zu arbeiten. Dabei zieht er seinen Gegenspieler mit sich und öffnet der Innenverteidigung den direkten Passweg auf Wirtz.

Zum anderen erkennt der Spanier gut, wann viele seiner Mitspieler auf der rechten Seite aufgerückt sind - dann bietet er als Zentrumsspieler eine Passoption an, um das Spiel zu verlagern. Sind zu viele seiner Mitspieler rechts gebunden, der Ball bewegt sich aber in Richtung Zentrum, schiebt er weit ein. Dann muss der linke Innenverteidiger breit schieben, um eine gewisse Gefahr über den linken Flügel auszustrahlen. Das passiert im Zusammenspiel mit Linksfuß Piero Hincapie häufiger als wenn Rechtsfuß Edmond Tapsoba als linker Halbverteidiger spielt.

Kommt Grimaldo im Zentrum an den Ball, agiert er - wie er es aus seiner früheren Erfahrung von dieser Position kennt - genau wie ein moderner Achter. Er begibt sich gut in Schnittstellen, um im Aufbau anspielbar zu sein, kann dann schnell aufdrehen und findet gut Schnittstellenpässe in die Tiefe. Ist er selbst nicht ins Spiel integriert, hilft er mit sogenannten "Dummy Runs", also Läufen in die Abwehrkette hinein, um Verteidiger mit sich zu ziehen, Platz für seine Mitspieler zu schaffen. Besonders Wirtz profitiert in solchen Situationen davon. Denn wenn Grimaldo erst ins Zentrum zieht und dann von innen hinter Wirtz wieder nach außen, nimmt er oft den absichernden Verteidiger mit und Wirtz kann ins Eins-gegen-Eins gehen. Und wer Wirtz kennt, weiß: Das ist schon die halbe Miete.

Situativ rückt Grimaldo schon frühzeitig ins Zentrum ein - DFL Deutsche Fußball Liga

Grimaldos Zweikämpfe: Kalkuliertes Risiko statt Problemstelle

Alejandro Grimaldo gewinnt nur rund 49 Prozent seiner Zweikämpfe. Was für einen Linksaußen ein guter Wert wäre, ist für einen gelernten Linksverteidiger jedoch eher enttäuschend. Beschränkt man sich auf defensive Bodenzweikämpfe, geht die Siegquote zwar auf etwa 52 Prozent nach oben, doch weiterhin bleibt es eine der Schwachstellen des Spaniers (zum Vergleich der Außenverteidiger-Bestwert: Robin Gosens kommt ebenfalls als Dreierketten-Linksverteidiger auf starke 65,8 Prozent).

Doch diese Schwäche ist einkalkuliert. Durch die Dreierkette und Defensiv-Ass Granit Xhaka in der Schaltzentrale kann die Werkself Grimaldos Problemzone ausschalten. Ohnehin soll der Spanier auch ins Risiko gehen und sich komplizierteren Verteidigungsaktionen stellen. Denn mit seinem Spielverständnis schaltet er sich auf dem linken Flügel immer wieder clever ins Leverkusener Pressing ein, erobert Bälle (zurück) und leitet in hohen Positionen Konterangriffe ein. 

Wie gut das funktioniert, zeigen zwei Torerfolge in dieser Saison: Im rheinischen Derby gegen Köln attackierte Leverkusen über links - obwohl Grimaldo seit mehreren Passstationen den Ball nicht mehr hatte, blieb er trotzdem hellwach. Ein Pressschlag landete links neben dem Strafraum, Grimaldo schaltete am schnellste, sprintete vor und flankte auf Frimpong, der einnetzen konnte. Doch auch selbst war er schon nach eigenem Ballgewinn erfolgreich. Gegen Union Berlin sorgte eine ungenaue Ablage von Victor Boniface auf Wirtz für einen Ballverlust. Doch sofort setzte nicht nur Wirtz im Zentrum nach, auch Grimaldo sprintete von außen in den möglichen Passweg des Kölners, fing den Ball ab, spielte einen Doppelpass mit Wirtz und versenkte seinen Fernschuss zur 1:0-Führung im Netz.

Eine derartige Spielweise geht immer mit dem Risiko einher, dass du im vollen Tempo nicht den besten Zweikampf führen kannst. Doch gewinnst du das Duell oder erläufst einen freien Ball, sind Torchancen fast schon garantiert.

- DFL Deutsche Fußball Liga

Standardexperte Grimaldo

Doch abseits des taktischen Nutzens ist Grimaldos Fuß einfach eine ganz besondere Waffe, die Leverkusens Angriffsspiel eine wichtige Facette verleiht: gefährliche ruhende Bälle. Schon fünf Mal führte ein Grimaldo-Standard zum Torerfolg - zweimal versenkte er einen Fernschuss mit seiner unfassbaren Schusstechnik im Winkel (Ligabestwert), dreimal führten seine Eckenflanken zum Treffer der Mitspieler. Fünf Standard-Torbeteiligungen toppt bei Leverkusen keiner, auch nicht Jonas Hofmann, der mit rechts Standardschütze ist und im Vorjahr bei Gladbach dadurch glänzte.

Kurios: Trotz seiner tollen Schusstechnik und satten 47 Flanken aus dem Spiel (Platz 3 ligaweit) führte noch keine dieser Aktionen zum Torerfolg. Da jedoch schon mehrere flache Hereingaben Grimaldos in Toren endeten und auch seine Flanken schon gute Torchancen ermöglichten, ist das wohl nur noch eine Frage der Zeit. Auch so ist Grimaldo mit starken acht Assists der zweitbeste Torvorbereiter der Bundesliga (nur Leroy Sané ist mit zehn Assists besser).

Alejandro Grimaldo passt einfach perfekt zu Xabi Alonso und Bayer 04 Leverkusen. Wenn die Rückrunde so weiterläuft, könnte sich der ablösefreie Spanier als der beste Transfer der ganzen Bundesliga-Saison entpuppen - und das trotz Toptransfers wie Xhaka, Boniface oder auch Bayerns Superstürmer Harry Kane.

Niklas Staiger