- © PAULINA HILDESHEIM
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EM-Turnierdirektor Philipp Lahm im Porträt: Moderne Leitfigur

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Als Turnierdirektor vermittelt Weltmeister Philipp Lahm den Grundgedanken der UEFA EURO 2024: Menschen zusammenbringen. Der frühere Bundesliga-Profi wirbt für Gastfreundschaft, Nachhaltigkeit - und erklärt, wie die EURO in die heutige Zeit passt.

Ein roter Doppelstockbus biegt auf den Stuttgarter Schlossplatz ein, oben am offenen Deck steht Philipp Lahm, er hat eine Hand am EM-Pokal. Es ist die linke. Neben ihm hält Celia Sasic, als Botschafterin der UEFA EURO 2024 seine ständige Begleiterin in diesen Tagen, mit ihrer rechten den Pott am Henkel fest. Gleich wird ihn Turnierdirektor Lahm an die Repräsentanten der Gastgeberstadt Stuttgart übergeben, wie er das in allen zehn deutschen Host Cities tun wird. Es ist der Auftakt der Trophy Tour durchs EURO-Land, 84 Tage vor dem EM-Start. 

Lahm bringt nicht nur den Coupe Henri Delaunay mit, neu gestaltet unter altem Namen seit der EM 2008 vergeben. Er transportiert wie immer auch eine Botschaft. Der Weltmeister, Legende der Bundesliga und der Nationalmannschaft, spricht über die Kraft des Fußballs, die Gesellschaft zum Besseren zu verändern. Die EURO als Motor für das Gemeinwohl, so sagt er das. Lahm, ein Keynote-Speaker der Europameisterschaft, der immer gleich den optimistischen Ton setzt, ist auch auf der Zielgeraden darin unermüdlich. 

Zusammen mit Celia Sasic erzählt er die größere Geschichte dieser UEFA EURO 2024, sie handelt vom sozialen Zusammenhalt. Die Menschen zusammenführen, alle sollen teilhaben – auf diese Darstellung haben sich Lahm sowie die Mitstreiterinnen und Mitstreiter bereits in der Bewerbungsphase geeinigt. "Wir haben uns gefragt: Was soll die EURO werden?", erzählt der Chef der deutschen Turnierorganisation bei unserem Treffen in Düsseldorf. 67 Tage vor dem EM-Start findet dort das Meeting der Trainer aller 24 Teilnehmernationen statt. Lahm hat am Vortag zur Begrüßung eine kurze Rede gehalten mit seiner Kernbotschaft. "Dass man in Europa wieder zusammenkommt."

"Ich versuche, meine Werte und Ideale einzubringen"

Bestimmt ginge es auch eine Nummer kleiner, aber es schadet nicht, groß zu denken und diese EURO in ihrer Besonderheit zu präsentieren – als ökologisch und sozial nachhaltig, in politisch angespannten Zeiten. Es gelte, gerade jetzt die EURO als eine Chance zu sehen. Die Bedeutung des Fußballs in der Gesellschaft, soziale Nachhaltigkeit, "das sind Themen, die ich gern vermittle", sagt der Repräsentant des Turniers. Denn es sind auch seine eigenen Themen, die ihn begleiten als Unternehmer und Gründer der Philipp Lahm-Stiftung, die sich für benachteiligte Kinder einsetzt. "Ich versuche, meine Werte und Ideale einzubringen." 

Im Düsseldorfer Hotel ist die Lobby voll. Frankreichs Nationaltrainer Didier Deschamps sitzt da mit seiner Entourage, und ich treffe den DFL-Ehrenpreisträger Prof. Dr. Tim Meyer, den langjährigen DFB-Mannschaftsarzt, nun Chefmediziner der UEFA EURO 2024. Er hat eine Idee: Wenn man sich gleich ungestört mit Lahm unterhalten wolle, im zweiten Stockwerk gebe es ruhige Plätze. Philipp wisse das womöglich nicht, habe dort aber Zugang. 

Kurz darauf kommt Lahm, wie immer pünktlich. Er hat einen Vorschlag: Man könne mit dem Aufzug nach oben fahren, da gebe es ruhige Sitzecken. Natürlich hat er bereits alles gecheckt. Es ist später Vormittag, er hat wie immer nicht gefrühstückt. Lahm verzichtet darauf, isst nur zwei Mahlzeiten am Tag, für ihn passt das am besten so, hat er festgestellt. Er ist diszipliniert, achtet die Regeln wie früher als Profi. 

Diese EURO solle "wieder mehr Zusammenhalt schüren", formulierte Philipp Lahm im November bei einem Pressetalk in Stuttgart. Man wolle ein guter Gastgeber sein, sagte er bei einer Veranstaltung von "Die Zeit", "Handelsblatt", "Tagesspiegel" und "WirtschaftsWoche" im März in Berlin. Seine Rolle sei die eines Vermittlers, verkündete er in seiner "Zeit"-Kolumne im Februar, die inzwischen von rund 30 internationalen Zeitungen übernommen wird, von Großbritannien bis Nordmazedonien. Lahm berief sich auf die Idee großer Sportfunktionäre, Pierre de Coubertin (Gründer des IOC) und Jules Rimet (früherer FIFA-Präsident), wonach internationale Sportveranstaltungen Menschenrechte und Völkerverständigung fördern. "Es geht um das Wesentliche, das Grundsätzliche." So reden sonst Staatsmänner. Lahm wolle einen Fußabdruck hinterlassen wie Franz Beckenbauer beim Sommermärchen 2006, hieß es im Deutschlandradio, wo der EURO-Turnierchef den Wunsch äußerte, die EURO möge helfen, Freiheit und Demokratie zu verteidigen. 

Lahm spielt konstant seine Rolle, darin lässt er nicht nach. So verlässlich wie in 28 Jahren als Fußballer. Fußball verbinde Europa und fördere Botschaften der Freude, sagt er beim 100-Tage-Countdown im Bundesinnenministerium. Das Turnier, schreibt er in einem Gastbeitrag für den „kicker“, sei ein Aufruf zu Solidarität und Fürsorge und ein Wiedererstarken des europäischen Gedankens. Mit der Klimafreundlichkeit der EURO der kurzen Wege wolle man "Vorbild sein" und Standards setzen, betont er im März beim Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung im Deutschen Bundestag.

Bei den Grünen ist er in die Fraktionssitzung zur Diskussion eingeladen. Auch als ein Konzert von Ed Sheeran und Nelly Furtado angekündigt wird, das auf der Münchner Theresienwiese zwei Tage vor der EURO stattfindet, nimmt der Turnierdirektor Lahm dazu Stellung: Fußball und Musik brächten Menschen zusammen, "genau das stärkt unsere Zivilgesellschaft und unsere Demokratie".

"Ich mache nur, was mir wichtig ist"

In Stuttgart vor dem Neuen Schloss übergibt er an jenem warmen Frühlingstag Ende März die acht Kilogramm schwere und 60 Zentimeter hohe EM-Trophäe an Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper. Der nennt ihn "geschätzter Herr Turnierdirektor". Lahm, blauer Anzug, graues Hemd und helle Wildlederschuhe, fällt schon dadurch auf, dass sein Stil zurückhaltend ist. Seine EM-Botschaft ist im Prinzip die Fortsetzung seines beruflichen Schaffens nach der aktiven Karriere, die Dinge sind miteinander verzahnt.

"Ich bin ja eine Person", sagt er in unserem Gespräch in Düsseldorf. Er will damit ausdrücken: Was ihn antreibt als Privat- und Geschäftsmann, ist sein Denken auch als EURO-Repräsentant. "Ich mache nur, was mir wichtig ist." Menschen motivieren. Kindern vermitteln, wie wichtig Bewegung und Ernährung sind, seine Schultouren. Programme für gesunde Lebensführung mit Experten zusammen entwickeln.

Sein Sohn Julian spielt in der U12. Bei Philipp Lahm lässt sich alles auf seine frühe Fußballerjugend bei der Freien Turnerschaft München-Gern zurückführen. Dass Fußball Gemeinschaft schafft, diese Erkenntnis "ist bei mir damals entstanden". Sein Vater spielte in dem Verein, der Opa, der Onkel. Die Mutter war 30 Jahre lang Jugendleiterin, sitzt inzwischen im Vorstand. "Es war die zweite Heimat. Die Kinder eines Waisenhauses um die Ecke haben bei uns mitgespielt. Dass jeder willkommen ist und das, was Menschen an der Basis leisten – das alles habe ich dort gelernt." 

In der aktuellen Ausgabe 2/24 des DFL MAGAZINS erzählt Philipp Lahm auch, welchen Wunsch er für die UEFA EURO 2024 hat. Den gesamten Text gibt es jetzt im ePaper.