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Dieter Hecking ist seit Anfang des vergangenen Jahres Trainer des VfL Wolfsburg
Dieter Hecking ist seit Anfang des vergangenen Jahres Trainer des VfL Wolfsburg

Hecking: "Meine Handschrift ist erkennbar"

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Wolfsburg - Der VfL Wolfsburg kommt. Mit 60 Punkten und Platz 5 haben die Wölfe das zweitbeste Ergebnis ihrer Bundesliga-Zugehörigkeit erreicht. Im Interview mit bundesliga.de spricht Trainer Dieter Hecking über die Entwicklung seiner Mannschaft, über die Jugendarbeit beim VfL und darüber, was der aktuelle Erfolg für ihn ganz persönlich bedeutet.

bundesliga.de: Herr Hecking, 60 Punkte, Platz 5 und damit die direkte Qualifikation für die Europa League - können Sie das genießen oder ist auch ein bisschen Enttäuschung dabei, dass es nicht zu noch mehr gereicht hat?

Dieter Hecking: Hätte man uns vor der Saison garantiert "der VfL wird Fünfter", wäre wohl jeder in Wolfsburg zufrieden gewesen. Dass durch die Schwächeperiode von Bayer Leverkusen in der Rückrunde und durch unser Heranrücken an Platz 4 neue Hoffnungen geweckt wurden, ist aber auch klar. Und natürlich hätten wir den letzten Schritt gerne noch gemacht, um uns in der neuen Saison mit den Allerbesten messen zu können. Mit etwas Abstand freuen wir uns aber auch sehr über Platz 5 und die Teilnahme an der Europa League.

bundesliga.de: Leverkusen war nur einen Punkt besser, ärgert man sich da über die zwei verlorenen Punkte beim 2:2 gegen Freiburg am 32. Spieltag?

Hecking: Nein. Es liegt nie nur an einem einzigen Spiel. Im Übrigen haben wir eine Woche später beim VfB Stuttgart durch den Siegtreffer von Ivica Olic in der 92. Minute zwei schon verloren geglaubte Punkte doch noch aus Stuttgart mitgenommen. Man muss anerkennen, dass Leverkusen mit 37 Punkten eine überragende Vorrunde gespielt und so die Basis für den 4. Platz gelegt hat. Wir müssen weiter daran arbeiten, diesen kleinen Vorsprung aufzuholen.

bundesliga.de: Gemeinsam mit Klaus Allofs haben Sie die Mannschaft sukzessive und hochkarätig verstärkt. Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?

Hecking: Wenn man Ziele hat und wenn man in die Spitzengruppe der Bundesliga will, führt das über den Weg der Qualität. Mit Luiz Gustavo, Kevin De Bruyne, aber auch mit Ivan Perisic, der eine sehr gute Rückrunde gespielt hat, haben wir dem Kader diese Qualität hinzugefügt. Trotzdem gehen wir nicht nur über teure Neueinkäufe, sondern setzen auch auf junge Leute aus dem eigenen Nachwuchs. Deshalb werden wir in diesem Sommer auf dem Transfermarkt nicht so präsent sein wie noch im vergangenen Jahr. Wir sind überzeugt, dass wir über eine sehr gut aufgestellte Mannschaft verfügen, bei der es nur punktuell noch ein paar neuer Reize bedarf. Und auch was unsere Spielweise betrifft, sind wir schon sehr weit. Aus meiner Sicht könnte es eigentlich fast schon wieder losgehen.

bundesliga.de: Tatsächlich hat die A-Jugend des VfL in den vergangenen Jahren immer wieder für Furore gesorgt. Ist die Qualität so groß, dass man einen Julian Brandt gen Leverkusen ziehen lassen konnte?

Hecking: Nein. Wir haben Julian Brandt nur sehr ungern gehen lassen und haben mehrfach versucht, ihn vom Verbleib zu überzeugen. Aber wir hatten das Gefühl, dass Julian unbedingt eine Veränderung sucht. Dann muss man auch mal akzeptieren, dass eine Entscheidung gegen einen ausfällt - auch wenn das bedeutet, dass man eines der größten Talente im deutschen Fußball verliert.

bundesliga.de: Luiz Gustavo und Ricardo Rodriguez könnten nach der WM und etwaigen Angeboten ebenfalls auf der Verlustliste stehen. Bereitet Ihnen das Bauchschmerzen oder ist das "business as usual"?

Hecking: Als ich mich bei den Wolfsburger Journalisten in den Urlaub verabschiedet habe, habe ich sie gleichzeitig gebeten, mich in den kommenden Wochen mit jeder Art von Spekulation zu unserem Kader zu verschonen. "Rici" Rodriguez etwa wollte vor anderthalb Jahren noch weg, weil er in Wolfsburg keine Perspektive gesehen hat. Mittlerweile aber ist er einer der interessantesten linken Außenverteidiger der Liga, und ich glaube, dass er sieht, dass er bei uns sehr gut aufgehoben ist. Jetzt gilt es für ihn, diese Saison erst einmal zu bestätigen.

bundesliga.de: Und Luiz Gustavo?

Hecking: Luiz hat immer betont, dass er sich in Wolfsburg sehr, sehr wohl fühlt. Er hat gesehen, dass alles so eingetreten ist, wie wir es ihm zu Saisonbeginn prognostiziert hatten. Damals mussten wir über etwas sprechen, von dem wir selbst nicht sicher wussten, ob es so auch eintreten würde. Heute haben wir stichhaltige Argumente und können in Gesprächen darauf verweisen, dass all das, was wir in Aussicht gestellt haben, Realität geworden ist. Ich denke, Luiz Gustavo und Ricardo Rodriguez wissen, dass es interessant ist, in Wolfsburg zu bleiben. Aber selbst wenn Luiz nach der WM mit einem Top-Angebot zurückkommen würde, müssten wir darüber sprechen. Diese Probleme haben andere Vereine aber auch, und ich kann nur dazu raten, entspannt zu bleiben.

bundesliga.de: Sie haben in der Vergangenheit in einem Interview einmal betont, dass Sie sich mit dem Wechsel vom 1. FC Nürnberg zum VfL Wolfsburg auch die Frage beantworten wollten, wie Sie mit einem Spitzen-Team arbeiten können. Was ist das für ein Gefühl jetzt, wo Sie den Beweis angetreten haben?

Hecking: Diese Saison gibt mir die Gewissheit, dass ich mit einer Mannschaft auch höhere Ziele erreichen kann als den Klassenerhalt. Natürlich fragt man sich, je höher man kommt, ob es vielleicht eine Grenze gibt, die man kaum noch  überwinden kann. Umso mehr ist es ein sehr schönes Gefühl, wenn man mit der Mannschaft etwas erreicht hat, Fünfter geworden ist, 60 Punkte geholt und attraktiven Fußball gespielt hat. Das ist für mich persönlich die wichtigste Erkenntnis dieser Saison: Dass ich in der Lage bin, einer Mannschaft meine Vorstellung von Fußball zu vermitteln, so dass eine Handschrift erkennbar ist. Man sieht, dass man sehr viel erreichen kann, wenn man die richtigen Mitarbeiter hat und wenn man auf sich selbst vertraut. Und nach anderthalb Jahren in Wolfsburg kann ich sagen, dass der Wechsel die absolut richtige Entscheidung war.

bundesliga.de: Bedeutet Rang 5 nun, dass die genannte Grenze noch einmal verschoben wird und der Anspruch für die kommende Saison Platz 4 und die Champions League sein muss?

Hecking: Aus Ihrer Frage kann in der Öffentlichkeit sehr schnell ein Anspruch werden. Dann heißt es, dass der VfL Wolfsburg nun aber bitte schön vielleicht nicht gleich die Bayern und Dortmund angreifen muss, dass aber Platz 3 oder 4 doch das Ziel sein sollte. Wir in Wolfsburg sagen dazu: "Erst mal abwarten!" Jetzt kommt erst einmal die Weltmeisterschaft, dann folgt die Vorbereitungszeit, und andere Clubs werden auf dem Transfermarkt aktiv sein. Deshalb halte ich es für zu früh, jetzt bereits über Ziele zu sprechen. Fakt ist allerdings auch, dass man nach einem 5. Platz nicht sagen kann "Jetzt wollen wir Zehnter werden".

bundesliga.de: Stichwort Bayern München: Hat Sie das deutliche Aus der Bayern gegen Real Madrid überrascht?

Hecking: Die Bayern haben zunächst ein Dreivierteljahr lang auf nationaler wie auf internationaler Ebene einen überragenden Fußball gespielt. Woran es beim Aus gegen Real nun gelegen hat, wage ich als Außenstehender nicht zu beurteilen. Für mich hat der FC Bayern in Europa aber nach wie vor alle Chancen. Das hat auch das Hinspiel in Madrid gezeigt, als man es lediglich versäumt hat, aus dem überlegenen Ballbesitz auch Tore zu machen. Im Rückspiel haben die beiden frühen Gegentore schnell den Stecker gezogen. Das ist menschlich und kann passieren.

bundesliga.de: Zum Abschluss bitte noch ein, zwei Sätze zu Ihrem ehemaligen Club, dem 1. FC Nürnberg ...

Hecking: Nach den ersten fünf Spielen in der Rückrunde war der Club auf einem guten Weg. Da hätten wohl die wenigsten - auch ich nicht - geglaubt, dass Nürnberg absteigen muss. Man muss aber sehen, dass es dann einfach zu viele verletzte Stammspieler gab, deren Ausfall nicht aufgefangen werden konnte. Letztlich bin ich aber zu weit weg, um mir ein Urteil erlauben zu können. Fakt ist, dass 26 Punkte einfach zu wenig sind. Und in den letzten Wochen gab es auch kaum noch Spiele, bei denen man das Gefühl hatte, dass der Club noch gewinnen kann.

Das Gespräch führte Andreas Kötter

Das Saisonfazit des VfL