Tim Kleindienst: Mit Eigenwerbung zum DFB
Im Alter von 29 Jahren erlebt Tim Kleindienst eine ganz besondere Premiere: Der Angreifer von Borussia Mönchengladbach wurde erstmals für die deutsche Nationalmannschaft berufen. Und vorab sammelte der Stürmer noch ein paar Pluspunkte mit seinem Treffer gegen Augsburg.
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Er ist vergleichsweise spät in der Bundesliga durchgestartet – aber 2023/24 dafür dann umso mehr! Und am Freitagabend, nur einen Tag nach seiner Nominierung, da betrieb der Stürmer noch einmal umso mehr Eigenwerbung - und das trotz einer Niederlage. Beim 1:2 gegen den FC Augsburg erzielte er sein drittes Saisontor. Die Rede ist von Tim Kleindienst. Der 1,94 Meter große Angreifer feierte zwar schon im Alter von 21 Jahren für den Sport-Club Freiburg sein Debüt in der höchsten deutschen Spielklasse, doch bei den Badenern ging dem seit eh und je fleißigen Anläufer in vorderster Front die Torgefährlichkeit ab: In seiner ersten Bundesliga-Saison gelangen dem Neuner gerade mal zwei Tore und drei Assists.
Seine beiden ersten Bundesliga-Treffer erzielte der Angreifer an den Spieltagen 33 und 34 der Saison 2017/18: Sein 2:0 gegen den FC Augsburg am 34. Spieltag machte den Klassenverbleib endgültig fest für den in dieser Saison etwas strauchelnden SC. "In der ersten Halbzeit hatte Tim ein paar unglückliche Aktionen, aber er hat sich nicht beirren lassen. Ich bin unglaublich stolz, dass wir auf diesem Weg nun den Klassenerhalt geschafft haben", lobte und tadelte die Freiburger Trainerlegende Christian Streich Kleindienst nach dem wichtigen 2:0 gegen den FCA.
Nicht immer glückliche Aktionen, vor allem des öfteren im Abschluss, aber sich niemals davon unterkriegen lassen und unentwegt für sein Team arbeiten: Das beschreibt die Anfänge der Profikarriere von Kleindienst ganz gut.
Immer wieder zurück nach Heidenheim
Bevor Kleindienst 2018 zum Freiburger Helden im Bundesliga-Abstiegskampf wurde, ging der Angreifer mit dem SC einen Umweg über die 2. Bundesliga: Die Badener verpflichteten Kleindienst im Sommer 2015 von Energie Cottbus und wurden mit dem Stürmer zusammen Meister der 2. Bundesliga. In sieben Einsätzen 2015/16 gelang dem damals 20 Jahre alten Angreifer aber kein Scorerpunkt in seinen sieben Einsätzen. 2016/17 lief es für Kleindienst im Unterhaus dann ein wenig besser: Als Leihgabe gelangen ihm nach seinem ersten von insgesamt drei Wechseln zum 1. FC Heidenheim 1846 sieben Tore und drei Vorlagen.
Nach seinem wichtigen Treffer im Endspurt der Saison 2018 hoffte man in Freiburg auf den Durchbruch Kleindiensts: Doch der Angreifer machte aufgrund zweier schwerer Verletzungen (Sprunggelenk und Meniskus) nur vier Spiele. So ging es für den Stürmer im Sommer 2019 dann fest nach Heidenheim und zurück in die 2. Bundesliga. Kleindienst gelang der endgültige Durchbruch: Mit 14 Treffern und sechs Assists avancierte er zu einem der besten Angreifer der 2. Bundesliga und empfahl sich so der KAA Gent, die ihn nach einem Jahr beim FCH loseiste.
In Belgien lief es von Beginn an nicht: Weder für Gent, noch Kleindienst selbst. Der Trainer, der Kleindienst damals unbedingt haben wollte, wurde nach der verpassten Champions-League-Qualifikation und zwei Niederlagen zum Saisonstart in der Jupiler League direkt entlassen – Jess Thorup, mittlerweile beim FC Augsburg der Chef. Bis zur Winterpause versuchten vier verschiedene Übungsleiter ihr Glück in Gent. Bei immer wieder wechselnden Spielsystemen kam Kleindienst wettbewerbsübergreifend auf 23 Einsätze, drei Treffer und einen Assist. Nach einem halben Jahr in Belgien kehrte er per Leihe zum dritten Mal an die Brenz zu Heidenheim zurück.
Kleindienst gehört plötzlich "zu den besten Neunern der Bundesliga"
Dort knipste der Angreifer umgehend, so als ob er nie weg gewesen wäre: elf Buden in 15 Spielen der Rückrunde! Im Sommer 2021 schloss er sich fest der Mannschaft von Trainer Frank Schmidt an und ließ 2021/2022 zehn Treffer und zwei Assists folgen, Heidenheim wurde Sechster. Die Saison danach wurde historisch – für Kleindienst und den FCH: Kleindienst wurde 2022/23 mit 25 Treffern der erste Heidenheimer Torschützenkönig in der 2. Bundesliga.
Nach neun Toren in der Hinrunde spielte er mit 16 Treffern eine überragende Rückrunde, hier traf Kleindienst mindestens doppelt so oft wie jeder andere Spieler. Der 1,94-Meter-Hüne war es auch, der am 34. Spieltag in Regensburg in der neunten Minute der Nachspielzeit das entscheidende 3:2-Siegtor erzielte – und Heidenheim so zum ersten Bundesliga-Aufstieg der Geschichte samt Meisterschaft in der 2. Bundesliga schoss. Zusammen mit sechs Torvorlagen kam er 2022/23 auf 31 Scorer-Punkte, er war auch der ligaweite Top-Scorer.
Und, wie lief es nun in der Bundesliga, wo er zuvor bei Freiburg eher weniger überzeugen konnte? Überragend! Mit zwölf Treffern war er der beste Torschütze des Bundesliga-Neulings und trug enorm dazu bei, dass Heidenheim souverän Achter wurde – und sich direkt nach der ersten Saison für Europa qualifizieren konnte! Inklusive der vorherigen vier Zweitliga-Spielzeiten traf Kleindienst damit im fünften Jahr in Folge zweistellig. Wie vielseitig Kleindienst mittlerweile vor dem gegnerischen Tor im Abschluss ist, zeigt folgende Statistik: In der Bundesliag traf er seit Beginn der vergangenen Saison sechs Mal mit links, vier Mal mit rechts und markierte zudem vier Kopfballtreffer (2022/23 waren seine neun Kopfballtore Bestwert in der 2. Bundesliga).
Kleindiensts Spiel wurde reifer, technisch hat er sich verbessert
Für Frank Schmidt war im Sommer 2024 somit klar: "Tim gehört für mich zu den besten Neunern der Bundesliga!" Schmidt hat aus dem fleißigen Anläufer, der im Spiel gegen den Ball für Heidenheim 2023/24 unersetzlich war, über die Jahre einen bockstarken Brecher gemacht: Versprangen Kleindienst zu beginn seiner Profikarriere noch einige Bälle bei der Annahme oder agierte er im Abschluss überhastet und unsauber, ist er nun neben seiner Lauf- und Zweikampfstärke zu einem Wandspieler par excellence geworden, der seine nachrückenden Mitspieler gekonnt einsetzen kann. Mit außergewöhnlichen Fähigkeiten im Kopfballspiel, dank seines Timings und seiner Sprungkraft, sowie einer durch mehr Ruhe neu gefundenen Abschlussstärke wurde er auch zum Knipser.
Diese zahlreichen Stärken blieben Borussia Mönchengladbach im Sommer nicht verborgen: Die "Fohlen" lotsten Kleindienst an den Niederrhein. Er avancierte direkt zum Fixpunkt des Gladbacher Angriffs, traf sofort bei seinem ersten Bundesliga-Einsatz für seinen neuen Verein (das zwischenzeitliche 2:2 gegen Meister Leverkusen). Am 2. Spieltag legte er gegen Bochum, an seinem 29. Geburtstag, einen weiteren Treffer nach. Gegen Augsburg netzte der Stürmer dann unmittelbar vor der Länderspielreise erneut ein. Seine drei Saisontore sind Bestwert bei der Borussia. In allen sieben Pflichtspielen der Gladbacher gehörte Kleindienst zur Startformation, nur gegen Bochum wurde er – acht Minuten vor Schluss – ausgewechselt.
Kleindienst ist nicht nur gegen den Ball ein unermüdlicher Unruheherd: Der Angreifer gab bis zum Duell gegen den FCA die meisten Torschüsse aller Borussen ab (14). Sein Expected-Goals-Wert (2,0) war bis dahin entsprechend auch der höchste bei der Borussia. Neben seinen beiden Treffern gab er noch eine Torvorlage, ist Borussias Top-Scorer.
"Es liegt an mir selbst"
Es ist also kein Wunder, dass nun auch Bundestrainer Julian Nagelsmann nicht mehr an Kleindienst vorbeikommt: Der Angreifer wird kommende Woche zum ersten Mal zur deutschen Nationalmannschaft reisen, ist von Nagelsmann für die Nations-League-Partien gegen Bosnien-Herzegowina (11. Oktober) und die Niederlande (14. Oktober) berufen. Er ist der Stürmertyp, der dem DFB aktuell fehlt: In Kai Havertz hat man den schnellen, technisch starken Angreifer, der nicht nur stur die Box besetzt, sondern auch aus der Tiefe kommend im Sprint Lücken hinter der gegnerischen Abwehr reißt. Auch Deniz Undav kommt mit seiner Spielweise und Interpretation der Stürmerrolle eher wie ein "falscher Neuner" daher, agiert gerne um eine Spitze herum.
Weil Niclas Füllkrug, mittlerweile bei West Ham United in England unter Vertrag, verletzt ausfällt, erfüllt Kleindienst das fehlende Profil eines athletischen und eher klassischen Angreifers in vorderster Front. Außerdem: Nur vier Spieler liefen in der Saison 2023/24 mehr als Kleindienst in der Bundesliga, kein Akteur bestritt zudem mehr Zweikämpfe als der Stürmer! Gegen den Ball kann er Nagelsmann somit ganz neue Optionen im Anlaufen des gegnerischen Spielaufbaus geben, Gegner mürbe machen. Und in der Offensive als kopfballstarker Brecher bei Flanken und Standards als Zielspieler agieren.
Vor seinem zweiten Bundesliga-Anlauf, im Sommer 2023, sagte Kleindienst dem Kicker: "Vielleicht starte ich ja jetzt durch." Der Angreifer behielt Recht. Was er in dem Interview zum Thema "Nationalelf" noch kommunizierte: "Natürlich ist das etwas, das im Bereich des Möglichen liegen könnte. Es liegt an mir selbst." Kleindienst hat große Arbeit verrichtet in den vergangenen Jahren, für seine Mannschaften und an sich selbst: Nun wurde der Spätstarter endlich belohnt.
Patrick Dirrigl
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