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"Von ganz traurig bis extrem euphorisch alles dabei", beschreibt Lotto King Karl (l.) seine Gefühle am vergangenen Samstag: Sein guter Freund, Kult-Masseur Hermann Rieger (M.) war kurz zuvor verstorben, dann gelang dem HSV der sensationelle Sieg gegen Dortmund
"Von ganz traurig bis extrem euphorisch alles dabei", beschreibt Lotto King Karl (l.) seine Gefühle am vergangenen Samstag: Sein guter Freund, Kult-Masseur Hermann Rieger (M.) war kurz zuvor verstorben, dann gelang dem HSV der sensationelle Sieg gegen Dortmund

"Die Hoffnungslosigkeit hat sich umgekehrt"

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München - Er hat noch nie ein Tor erzielt, er rennt nicht dem Ball hinterher und setzt auch nicht zu Grätschen an, dennoch ist er einer der prägenden Köpfe beim Hamburger SV: Lotto King Karl. Der kultige Musiker und Moderator ist Stadionsprecher beim Dino - und besonders für seine Fußballhymne "Hamburg, meine Perle" bekannt. Im bundesliga.de-Interview spricht er über den Stimmungsumschwung beim HSV, seine Lieblingsanekdoten vom Nordderby und seine Leidensfähigkeit als extremer Fan.

bundesliga.de: Lotto King Karl, das vergangene Wochenende war sehr emotional für den Hamburger SV und seine Fans. Erst der Tod von Hermann Rieger, dann der befreiende Sieg gegen Dortmund. Beschreiben Sie doch einmal Ihre Gefühle…

Lotto King Karl: Bei mir und eigentlich allen HSV-Fans war von ganz traurig bis extrem euphorisch alles dabei. Das war auch ganz im Sinn von Hermann, da bin ich mir sicher. Und nicht Wenige haben gesagt, wir hätten Hilfe von oben bekommen. Mit einer kleinen Träne im Auge haben wir den Sieg auch für Hermann gefeiert. Das war ganz heftig. Aus sportlicher Sicht haben wir unterm Strich aber nur drei Punkte gewonnen, die man längst vorher hätte holen müssen im Abstiegskampf.

bundesliga.de: Aber was hat dieser Sieg konkret verändert im Team und bei den Anhängern?

Lotto King Karl: Der größte Erfolg des Sieges gegen Dortmund ist, dass alle wieder das Gefühl haben: Es kann funktionieren. Die Sorge, wie man überhaupt die Kurve kriegen kann, war groß. Wir wussten ja gar nicht mehr, wie man überhaupt ein Spiel gewinnen kann. Die Hoffnungslosigkeit bei den Fans und Ratlosigkeit bei den Spielern hat sich umgekehrt. Mannschaft und Fans sind in diesen 90 Minuten wirklich zu einer echten Einheit geworden, dass sah man nach dem Abpfiff beim Feiern in der Kurve. Es herrscht wieder Zuversicht, nach dem Motto: Wenn wir so spielen wie gegen Dortmund, wird es für alle Gegner richtig schwierig, immer die Punkte mitzunehmen. Vor dem Anpfiff haben wir immer einen Punkt. Und wenn wir den so oft wie möglich auch am Ende bekommen, ist das nicht so schlecht. Unten brauchst du ja auch weniger Punkte, als wenn du oben dran bleiben willst.

bundesliga.de: Mirko Slomka hat gegen den BVB einige Umstellungen vorgenommen, z. B. Petr Jiracek und Slobodan Rajkovic in die Startelf genommen. Welchen Anteil hat der neue Trainer an der Trendwende?

Lotto King Karl: Es ging bestimmt um ein bisschen frischen Wind. Aber besonders die beiden sind Spieler, die eine echte Kämpfermentalität verkörpern und alles für die Mannschaft geben - Rajkovic war manchmal sogar ein bisschen übermotiviert… (lacht) aber solche Leute brauchst du im Abstiegskampf. Beide haben einfach gut in die Mannschaft gepasst. Das war eine der Aktionen von Slomka, die gleich gezündet haben. Rund um seinen Antritt hat Slomka auch viele Dinge gesagt, wo ich dachte: Wenn das jetzt in die Hose geht, hast du deine ersten Joker schon verspielt. Es hat funktioniert und war damit die Leistung des Trainers. Die Mischung aus Kreativen und Kämpfern hat gestimmt, Slomkas Risiko wurde belohnt.

bundesliga.de: Jetzt geht es zum 100. Mal gegen Bremen. Tabellarisch ist das Duell mit dem 14. Werder und dem 16. HSV das schlechteste bisher (Vorschau-Fakten). Wie schätzen Sie in diesem Fall die Brisanz ein?

Lotto King Karl: Klar ist das jetzt ein Derby. Aber vor allem ist es ein Spiel, in dem die Mannschaft gegen einen direkten Konkurrenten in derselben Tabellensituation punkten muss. Das muss man ein bisschen hanseatisch unterkühlt sehen. Bremer und Hamburger gönnen sich am Ende des Tages nicht das Schwarze unterm Fingernagel. Aber wenn alle mal ganz ehrlich sind, besteht Einigkeit darüber, dass das Derby extrem wichtig für beide Clubs ist. Und am liebsten sollte es mal wieder um Platz 1 oder 2 gehen anstatt um Platz 14, 15 oder 16. 

bundesliga.de: Sie haben schon so manches Nordderby erlebt (Infografik zur Rekord-Paarung der Bundesliga). Gibt es Ihre ganz persönliche Lieblingsanekdote rund ums Nordderby?

Lotto King Karl: Da habe ich gleich zwei! Es gab ja vor ein paar Jahren diese vier Derbys (zwischen dem 22.4. und dem 10.5.2009, Anm. d. Red.). Zeitgleich zum Hinspiel im UEFA-Cup haben wir (die Barmbek Dream Boys, Anm. d. Red.) in der heutigen O2-World gespielt. Während der Konzerte sagten wir immer den Spielstand durch und fiebern natürlich mit. An dem Abend führte der HSV mit 1:0 und wir wollten mit "Hamburg, meine Perle" aufhören, wenn das Spiel abgepfiffen wird. Durch diverse Soli können wir die Stücke immer ein bisschen verlängern, aber dieses Spiel ging und ging einfach nicht zu Ende. Ich habe hinter der Bühne auf einer Briefmarke von Fernseher immer noch Spieler rennen sehen. Irgendwann ist aber auch der längste Song vorbei. Die Menge in der Halle hat gejubelt, wir haben uns verbeugt und alles, aber das Spiel lief immer noch. Ich hab mir dann das Mikro geschnappt, ein bisschen kommentiert und die Leute eingeladen zu bleiben und gemeinsam auf den Schlusspfiff zu warten. Als ich dann den Schiedsrichter mit Pfeife im Mund erkannte, haben wir "Viva La Vida", den damaligen Tor-Jingle des HSV gespielt, und die Halle wusste, dass wir gewonnen haben. Leider hat der Sieg uns nicht viel gebracht.

bundesliga.de: Und die zweite Geschichte?

Lotto King Karl: Spektakulär war natürlich auch das Rückspiel, ich sage nur Papierkugel. Ein paar Monate danach sind wir auf dem Deichbrand-Festival in Cuxhaven aufgetreten. Als wir um Mitternacht rausgegangen sind, war die Bühne übersät von weißen Papierkugeln. Wenn wir einen Besen genommen hätten, wären wir ja direkt ausgepfiffen worden. Also bin ich auf Zehenspitzen zwischen den ganzen Kugeln balanciert und habe ins Mikro gesagt: "Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass ein Hamburger jemals noch auf einer Papierkugel ausrutscht! Aber vielen Dank für eure Mühe!" (lacht) Ich kann verstehen, dass die Bremer seitdem Papierkugeln abfeiern, würden wir ja auch machen (lacht). Diese beiden Partien in dem Derby-Viererpack waren sicherlich besonders und für mich unvergesslich.

bundesliga.de: Sie haben zuletzt mal gesagt, dass Sie auch in der 2. Bundesliga die Hymne singen. Befürchten Sie, dass es tatsächlich am Saisonende zum ersten Abstieg des Hamburger SV kommt?

Lotto King Karl: Das hoffe ich nicht! Und mittlerweile glaube ich auch wieder an die Rettung. Im Moment denke ich immer nur ans nächste Spiel und schaue auf die direkten Auswirkungen in der Tabelle. Es geht nur darum, am Saisonende einen Platz weiter vorne zu stehen als jetzt. Sollten wir das nicht schaffen, geht es um den Klassenerhalt in der Relegation. (Jetzt im Tabellenrechner tippen!) Soweit denke ich natürlich schon mal, weil ich über meinen Verein immer viel nachdenke. Aber es gibt eigentlich keine Planspiele. Ich bin ein sehr extremer vielleicht ein bisschen schräger HSV-Fan, so gehe ich abends ins Bett und stehe ich morgens wieder auf. Mein Vertrag hat nichts mit der Liga zu tun und ich empfinge meine Tätigkeit als große Ehre. Und mein Verhältnis zu meinem Verein hat nichts mit den Ergebnissen zu tun. Wobei mich schlechte Spiele natürlich belasten und es mir viel besser geht, wenn es dem HSV gut geht. Diese Leidenschaft ist einfach ein Teil von mir. Ich weiß, dass es für viele Menschen wichtigere Dinge gibt als Fußball und kann das verstehen. Aber ich kann und will das nicht ändern - und wüsste auch gar nicht wie. Ich bin vor 41 Jahren zum ersten Mal mit meinem Vater im Stadion gewesen und seitdem gehört der HSV zu mir.

bundesliga.de: Ohne einen Tipp kommen Sie natürlich nicht davon. Also?

Lotto King Karl: Realistisch gesehen freut sich jeder Hamburger schon über einen Punkt, weil es auswärts gegen Werder geht und Bremen stärker ist, als es die Tabelle hergibt. Aber wir wollen drei Punkte und brauchen die eigentlich auch. Von daher gehe ich auf den langweiligsten Tipp von allen - 2:1 für uns. Wie das zu Stande kommt, ist mit vollkommen egal. Das wäre super für unsere Veranstaltung am Samstag. Wir gucken zusammen mit 33 Leuten das Spiel in einer Kneipe in Barmbek und spielen ein kleines Unplugged-Konzert - und vielleicht ergibt sich daraus ja wieder eine legendäre Situation... wir Fans versuchen auf jeden Fall alles und denken sogar über Voodoo nach. Die Mannschaft kann sich sicher sein, dass ganz Hamburg mitfiebert! 

Das Gespräch führte Tim Tonner