Nach 17 Spielen ohne Sieg hat es für Nürnberg am 18. Spieltag endlich geklappt. Martin Bader erklärt trotzdem: "Wir sind nicht blauäugig"
Nach 17 Spielen ohne Sieg hat es für Nürnberg am 18. Spieltag endlich geklappt. Martin Bader erklärt trotzdem: "Wir sind nicht blauäugig"

Bader: "Bei Verbeek ist Strammstehen angesagt"

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München - 17 Spiele musste der 1. FC Nürnberg trotz guter Leistungen auf einen Sieg warten, erst im 18. Versuch platzte der Knoten beim 4:0 gegen Hoffenheim. Im Interview mit bundesliga.de spricht Sportdirektor Martin Bader über den Negativrekord und dessen Auswirkungen auf die "Club"-Seele, er schwärmt von der Fan-Aktion "Ich bereue diese Liebe nicht" und lässt die Tiefpunkte und Highlights seiner zehnjährigen Karriere Revue passieren.

bundesliga.de: Herr Bader, wie groß war nach dem Negativrekord von 17 Spielen ohne Sieg einerseits der Druck zum Rückrundenauftakt, wie groß war aber andererseits auch die Überzeugung, das Glück endlich zwingen zu können?

Martin Bader: Der Druck war da, keine Frage. Wir haben in der Vorbereitung zwar alles Menschenmögliche unternommen, haben noch einen Spieler verpflichtet, haben auch abseits des Trainingsplatzes mit Fans, Sponsoren und Zuschauern kommuniziert, um die notwendige Stimmung zu erzeugen. Denn uns war klar, dass wir eine Atmosphäre kreieren müssen, in der wir es schaffen können, uns endlich für die guten Spiele in der Vorrunde zu belohnen. Aber wir wussten auch um die große Fallhöhe, die ein weiteres Spiel ohne Sieg bedeutet hätte.

bundesliga.de: Wie wichtig war dieser Schulterschluss mit den Fans?

Bader: Der entscheidende Moment war das Mainz-Spiel, das uns mit 15 Spielen ohne Sieg erstmals den Negativrekord der Liga beschert hat. Die Ultra-Bewegung hat darauf mit einem Film und einem Song reagiert, mit dem Titel "Ich bereue diese Liebe nicht." Das hat uns alle sehr beeindruckt und das Gefühl gegeben "Egal, wie das Ergebnis im Mai aussehen mag, ob der "Club" nun die Klasse hält oder vielleicht doch absteigen muss - dieser Verein ist etwas ganz Besonderes und grenzt sich ab von anderen Vereinen!". Hier geht man gemeinsam durch ein solches Tal, in der Hoffnung, das Ziel doch noch zu erreichen. Und mittlerweile steht "Ich bereue diese Liebe nicht" längst nicht mehr als Motto nur für die Ultras, sondern für alle über 600 organisierten Fan-Clubs. Die Resonanz ist riesig, beim Trainingsauftakt waren fast 1500 Zuschauer. Und wir alle spüren, dass die Fans diesen Verein immer lieben werden, egal in welcher Liga. Umso schöner ist es, dass wir mit dem ersten Sieg jetzt etwas zurückgeben konnten.

bundesliga.de: Welchen Eindruck hat Trainer Gertjan Verbeek in den Wochen auf Sie gemacht, in denen gute Leistungen nie mit Punkten belohnt wurden?

Bader: Er war genauso enttäuscht wie wir alle. Aber er hat nicht lange die Wunden geleckt, sondern hat sich kurz geschüttelt und sich dann auf die nächste Aufgabe konzentriert. Diese Haltung hat die Spieler beeindruckt. Sie spüren, dass da draußen einer steht wie ein Fels, der sich nicht aus der Ruhe bringen lässt, auch wenn es in ihm vielleicht brodeln mag. Und die Spieler begegnen ihm nicht nur mit Respekt aufgrund der Qualität seines Trainings, sondern auch wegen seiner natürlichen Autorität. Wenn Verbeek den Trainingsplatz betritt, dann ist Strammstehen angesagt (lacht).

bundesliga.de: Eine grundsätzliche Frage: Wann ist die Enttäuschung größer, wenn man gut spielt, aber dennoch nicht erfolgreich ist, oder aber wenn neben den Ergebnissen auch die Leistungen nicht stimmen?

Bader: Niederlagen sind immer ein Ärgernis. Dieses Ärgernis ist allerdings noch größer, wenn man gut spielt, aber dennoch verliert. Denn jeder weiß, dass kein Verein im Laufe einer Saison alle 34 Spiele in guter Form absolvieren wird. Verliert man aber selbst die guten oder holt vielleicht nur einen Punkt, wie wir beim 3:3 in Hannover, dann bekommt man auf Dauer ein echtes Problem. Denn die schlechten Spiele, die zwangsläufig auch kommen werden, sind dann kaum noch auszugleichen.

bundesliga.de: Hat das auch in der Höhe überzeugende 4:0 gegen Hoffenheim nun das Zeug zu dem Befreiungsschlag, auf den man beim "Club" gehofft hat?

Bader: Unsere Erwartungshaltung war klar auf Hoffenheim ausgerichtet. Deswegen glaube ich daran, dass dieses Spiel wichtiger war als nur die drei Punkte, die es für jeden Sieg gibt. Jeder, der selbst Sport getrieben oder Fußball gespielt hat, weiß, dass mit positiven Erlebnissen auch das Selbstvertrauen wächst. Uns war das Bewusstsein, dass wir Spiele gewinnen können, in der Hinrunde doch völlig abhanden gekommen. Nach jedem Spiel haben die Jungs wieder in der Kabine gesessen und gesagt: "Das ist ja Wahnsinn! Wieder nicht gewonnen, wieder nur unentschieden! Wir haben zwar nur sechsmal verloren, so wenig wie Teams der Top 6, aber wir stehen auf Platz 17!" Das muss man erst mal in den Kopf bekommen, dass man ähnlich schwer zu bezwingen ist wie Wolfsburg, dass man aber auf einem Abstiegsplatz steht. Mit dem Sieg gegen Hoffenheim haben wir an all das Gerede von "Unentschieden-Könige", von "null Siege" und von "Negativrekord" jetzt endlich einen Haken gemacht. Aber wir sind nicht blauäugig. Wir wissen, dass sich mit möglichen Niederlagen am Wochenende in Berlin und dann zuhause gegen die Bayern alles schon wieder relativieren kann.

bundesliga.de: Macht Ihnen Mut, dass es mit Chandler, Frantz und Pinola gleich drei defensive "Cluberer" in die "Mannschaft des Tages" gebracht haben?

Bader: Das ist für uns längst wieder abgehakt. Sonst könnte man auch feiern, dass wir die Rückrundentabelle anführen. Das sind schöne Spielereien, die aber nichts daran ändern, dass wir auf Platz 17 stehen. Wir haben auch zur Kenntnis genommen, was unsere Konkurrenten geleistet haben. Kaum einer wäre doch auf die Idee gekommen, dass Freiburg gegen Leverkusen und Frankfurt gegen Hertha gewinnt. Trotzdem schauen wir in erster Linie auf uns. Wenn wir die sieben Siege holen, die wir mindestens noch brauchen, haben wir unser Schicksal wohl selbst in der Hand. Sollte es anders kommen, und sollten die anderen ihre Hausaufgaben stets erledigen, dann bleiben wir auf 17. Das wissen wir, so realistisch sind wir. Aber ich kann versprechen, dass wir alles daran setzen werden, uns bis zum 34. respektive 36. Spieltag, sollten wir in die Relegation müssen, am Leben zu erhalten!

bundesliga.de: Wie bewerten Sie die Leistung, die Javier Pinola als Ersatz-Innenverteidiger abgeliefert hat?

Bader: Scherzhaft könnte man sagen: Wenn wir das früher gewusst hätten, hätten wir uns nach dem Verlust von Timm Klose nie Sorgen machen müssen. Nein, ernsthaft: Pinola hat das in der 2. Bundesliga schon ein paar Mal gespielt. Also hat Gertjan Verbeek im Training diejenigen, die in Frage kommen würden, ausprobiert. Das ist übrigens auch eine seiner großen Qualitäten, dass er jedem die gleichen Chancen einräumt. Wer es im Training am besten macht, der spielt am Wochenende. Und "Pino" hat im Training voll überzeugt. Dass er es im Spiel aber so hervorragend machen würde, damit konnte man nicht rechnen. Er ist als Typ für uns sehr wichtig, weil er die Fans wahnsinnig schnell auf seine Seite ziehen kann. "Pino" ist einer der Dienstältesten, der auch in der zweiten Liga geblieben ist. Jeder nimmt ihm ab, dass er immer alles für diesen Verein gibt. Und nun hat er mit seiner Leistung gegen Hoffenheim die Messlatte für sich selbst sehr hoch gelegt.

bundesliga.de: Dank Pinola hatte die Verletzung von Pogatetz keine Auswirkungen. Nun aber fällt mit Per Nilsson auch der zweite gesetzte Innenverteidiger aus; ist es denkbar, dass Sie kurz vor Transferschluss noch einmal aktiv werden?

Bader: Aus bloßem Aktionismus werden wir sicherlich nichts unternehmen. Häufig aber ist es so, dass gerade ein oder zwei Tage vor Transferschluss irgendwo Türen aufgehen, die eine Woche zuvor noch fest verschlossen schienen. Zudem sind bei uns mit Hasebe, Pogatetz, Nilsson und Stark vier potenzielle Stammspieler verletzt. Kategorisch ausschließen möchte ich deshalb nichts.

bundesliga.de: Sie haben gerade Ihr zehnjähriges Jubiläum als "Club"-Sportdirektor gefeiert; ist der Negativrekord von 17 Spielen ohne Sieg trotz des Abstiegs von 2008 Ihre bitterste Erfahrung?

Bader: Ich habe in diesen zehn Jahren sehr viele Dinge erlebt. Ich bin mit dem "Club" zweimal auf- und einmal abgestiegen, bin einmal Pokalsieger geworden und habe einmal Europa League gespielt. Aber diese Phase, in der Du wirklich glaubst "Das kann doch nicht wahr sein, dass wir 15, 16, 17 Spiele keinen Sieg einfahren, mit dem Pokal sogar 18", eine solche Phase hatte ich noch nie! Zumal wir in den fünf Jahren seit dem Wiederaufstieg immer das Gefühl hatten, dass wir, wenn auch mit kleinen Schritten, unsere Nische besetzt haben und uns auch gegen Widrigkeiten behaupten können. Denn hier ist in den vergangenen Jahren etwas entstanden, und dieser Verein hat auch noch weitere Möglichkeiten, wenn wir es schaffen, längerfristig in der Bundesliga zu bleiben. Ein Abstieg aber würde uns um zwei, drei Jahre zurück werfen. Es ist also nicht wegzudiskutieren, dass wir uns aktuell echte Sorgen machen. Und man kann sich vorstellen, dass mir diese Vorrunde schlaflose Nächte bereitet hat.

bundesliga.de: Was war das absolute Highlight in diesen zehn Jahren?

Bader: Der Pokalsieg. Das war einmalig, auch weil man gesehen hat, welchen Rückenwind ein solcher Erfolg mit sich bringen kann. Es ist ein Highlight, wenn man den Fans, die vierzig Jahre lang warten mussten, endlich wieder einen Titel schenken kann. Und das zudem in einer Phase, in der kleinere Vereine kaum noch Titel gewinnen können. Ich kann mir gut vorstellen, wie gerne Leverkusen, der HSV, Schalke oder Mönchengladbach, allesamt ganz andere Kaliber als der "Club", auch wieder einmal einen Titel holen und eine Trophäe in den Himmel halten würden. Dem "Club" ist das gelungen. Das wird bei mir immer hängen bleiben. Im Gedächtnis und im Herzen, und bei mir im Büro als Bild an der Wand.

Das Gespräch führte Andreas Kötter