Andreas Beck und seine Hoffenheimer haben am Samstag den FC Bayern zu Gast (© Imago)
Andreas Beck und seine Hoffenheimer haben am Samstag den FC Bayern zu Gast (© Imago)

"Wir suchen den offenen Schlagabtausch"

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München - Nach dem 4:1-Sieg in Hannover hat 1899 Hoffenheim wieder den Sprung in die obere Tabellenhälfte geschafft. Nun , der in Hoffenheim den alten Rekord des Hamburger SV von 36 Bundesliga-Spielen ohne Niederlage einstellen kann. Vor dem Duell mit dem Triple-Sieger sprach bundesliga.de mit dem Hoffenheimer Mannschaftskapitän Andreas Beck.

bundesliga.de: Andreas Beck, zehn Spieltage sind in der Bundesliga gespielt. Hoffenheim steht auf Platz 9. Wie zufrieden sind Sie mit der Zwischenbilanz?

Andreas Beck: Wir sind zufrieden damit, vor allem auch wenn man bedenkt, von wo wir herkommen. Wir standen in der letzten Saison mit dem Rücken zur Wand. Seit Markus Gisdol im April die Mannschaft übernommen hat, sieht man eine sehr starke Handschrift des Trainers. Man kann an der Art und Weise, wie wir Fußball spielen, erkennen, was der Trainer von uns verlangt. Das ist das Wichtigste. Wir wollen einen attraktiven, besonderen Fußball spielen, der auch den Fans Lust und Laune macht. Nichtsdestotrotz hätten wir mit den Leistungen, die wir bis jetzt abgeliefert haben und bei dem Aufwand, den wir betreiben, auch mit einigen Punkten mehr dastehen können. Aus verschiedenen Gründen ist das aber nicht der Fall. Das ist ein bisschen schade, aber wir beschweren uns nicht. Wir wollen weiter nach vorne blicken und weitere Spektakel mit guten Ergebnissen abliefern.

bundesliga.de: Was waren die entscheidenden Gründe für den Aufschwung?

Beck: Entscheidend war, die Schlüsselposition des Trainers im April mit Markus Gisdol zu besetzen. Wir hatten zuvor vor allem um die nötige Stabilität in der Defensive gekämpft. Das haben wir unter dem damaligen Trainer (Marco Kurz, die Red.) auch hinbekommen. Dafür hatten wir Probleme, Tore zu schießen. In der Situation, als wir wie gesagt mit dem Rücken zur Wand standen, brauchten wir Siege. Markus Gisdol hat den Glauben wieder in die Truppe reingebracht. Er hat den Enthusiasmus und die Leidenschaft in uns geweckt. Dann haben wir das Wunder geschafft, das nur möglich war, weil ein klares System vorhanden war und er uns eine klare Linie vorgegeben hat.

bundesliga.de: Wie sieht das klare System aus?

Beck: Es zeigt sich in unserem Spiel gegen den Ball mit der schnellen Umschaltbewegung. Dafür haben wir auch die Spieler. Wir setzen es sehr gut um. Dennoch ist vor allem punktemäßig noch Luft nach oben. Die Spiele waren oft offen, wir hätten sicher noch mehr Punkte holen können. Aber der Weg ist entscheidend. Wir sind bereit, zu arbeiten und diesen Weg weiterzugehen. Wir lassen uns auch nicht von Rückschlägen wie dem 2:6 in Stuttgart oder dem Nackenschlag gegen Leverkusen davon abbringen. Wir ziehen unseren Stil durch.

bundesliga.de: Bei den Hoffenheimer Spielen waren Spektakel garantiert. Das lässt sich ganz gut am Torverhältnis von 25:23 ablesen. Nimmt Hoffenheim mit dieser Spielweise auch in Kauf, viele Gegentore zu kassieren?

Beck: Wir arbeiten daran, weniger Gegentore zu fangen. Das ist doch klar. Wir freuen uns aber umso mehr über die vielen geschossenen Tore. Und wir hatten noch mehr Chancen. Das ist ein sehr gutes Zeichen. Wir erarbeiten uns sehr viele Möglichkeiten. Der Trainer will, dass wir risikoreich und mutig spielen und uns nicht verstecken. Wir suchen eher den offenen Schlagabtausch statt uns einzuigeln. Damit sind wir nicht schlecht gefahren. Trotzdem wollen wir noch eine bessere Balance finden.

bundesliga.de: Überragend ist die Offensive und die Tatsache, dass sich die Last des Toreschießens bislang auf mehrere Schultern verteilt und die Offensivspieler wie Roberto Firmino, Kevin Volland oder Anthony Modeste sehr oft getroffen haben. Damit ist Hoffenheim für die Gegner auch nur schwer auszurechnen.

Beck: Absolut. Das zeigt auch die Qualität innerhalb der Mannschaft. Die brauchen wir auch. Es wäre nicht gut, wenn die ganze Verantwortung auf den Schultern eines Einzelnen lasten würde. Wir schalten gut um, jeder im Angriff beteiligt sich am Spiel und gönnt dem anderen auch die Tore. Nichtsdestotrotz ist jeder auch dafür sensibilisiert, dass bereits vorne auch die Abwehrarbeit beginnt, genauso wie hinten die Angriffe starten. Die ganze Mannschaft ist an den Toren beteiligt.

bundesliga.de: Jetzt steigt am Samstag das große Spiel gegen Bayern München. Wie sind die Bayern zu stoppen, wo sind sie verwundbar?

Beck: Das ist eine gute Frage. Man muss aber vorweg sagen, dass die Bayern in den letzten ein, zwei Jahren schon unter Jupp Heynckes mit dem Triplegewinn die Mannschaft des Jahres waren, womöglich sogar die beste Mannschaft der Welt. Jetzt haben sie unter Pep Guardiola noch einmal eine neue Stabilität gefunden. Die Variabilität ist unfassbar, genauso wie sie die Gegner dominieren können.

bundesliga.de: Wie gehen Sie das Spiel an?

Beck: Für uns wird das eine riesige Herausforderung, auf die wir uns aber freuen. Wir haben auch unsere Möglichkeiten, auch wenn die im Vergleich eher gering ausfallen werden. Aber wir werden nach den Antworten in diesen 90 Minuten suchen und wollen sie finden. Es gibt gegen jeden Gegner eine kleine Chance. Wir wollen uns nicht verstecken. Bei uns überwiegt die Freude, gegen die beste Mannschaft und die besten Spieler derzeit auflaufen zu dürfen. Für viele von uns wäre es in der vergangenen Saison das Schlimmste gewesen, in die 2. Bundesliga runterzugehen und nicht diese Möglichkeit zu haben, auf Mannschaften wie Bayern oder Dortmund zu treffen. Wir werden dieses Spiel genießen, egal was kommen wird.

bundesliga.de: Höre ich da richtig heraus, dass Hoffenheim eher auf Risiko als auf Abwarten spielen wird?

Beck: Wir wollen die Karten nicht offenlegen. Das Trainerteam um Markus Gisdol wird uns einen guten Plan an die Hand geben. Wir wollen unsere Identität auch nicht verändern und uns zu einem anderem Spielstil hinreißen lassen. Wir werden sehen, was Ende dabei herauskommt. Wir glauben an die kleine Chance.

bundesliga.de: In der Tabelle liegt Hoffenheim nur zwei Punkte hinter Platz 5, aber schon sechs Zähler vor Rang 16. Wo will sich der Verein in dieser Saison einsortieren?

Beck: Die ersten drei Vereine Bayern, Dortmund und Leverkusen kann man derzeit ein bisschen ausklammern. Der Rest der Tabelle ist eng beieinander. Hätten wir gegen Hannover nicht gewonnen, wären wir wieder unten drin gewesen. Wir müssen darauf schauen, nach unten Abstand zu gewinnen. Der Sieg in Hannover war eminent wichtig, um für unsere Leistungen auch die Bestätigung zu finden. Wir haben schon in der letzten Saison gut daran getan, uns auf unseren Fußball zu konzentrieren und uns nicht an der Tabelle auszurichten. Das werden wir weiter machen. Wir wollen unseren Fußball verfeinern. Dann werden die Punkte auch zwangsläufig kommen. Der Platz, auf dem wir jetzt stehen, spiegelt unseren Leistungsstand schon ganz gut wider.

Das Gespräch führte Tobias Gonscherowski