Marcell Jansen wechselte vor der Saison von München nach Hamburg
Marcell Jansen wechselte vor der Saison von München nach Hamburg

"Wenn wir an die Grenze gehen, sind wir richtig stark"

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Mit seinen beiden Toren schoss Marcell Jansen den Hamburger SV zum 2:1-Sieg in Düsseldorf gegen Bayer 04 Leverkusen und an die Tabellenspitze der Bundesliga.

Im Gespräch mit bundesliga.de verrät der 23-jährige Nationalspieler, der im letzten Jahr mit Bayern München Meister wurde, wie er die Titelchancen des HSV einschätzt.

bundesliga.de: Marcell Jansen, Sie sind als zweifacher Torschütze der Matchwinner des Spitzenspiels. Wir wussten gar nicht, dass ein Torjäger in Ihnen steckt.

Marcell Jansen: Im Training lief es mit dem Toreschießen in den letzten Wochen schon sehr gut, nur im Spiel nicht. Da hat der Trainer schon geflachst. Gegen Leverkusen bin ich belohnt worden. Ich war schon als linker Mittelfeldspieler immer gefährlich mit Assists oder Aluminiumtreffern. Und wenn man kontinuierlich arbeitet, kommt das Glück auch irgendwann zurück.

bundesliga.de: Der HSV ist jetzt Spitzenreiter der Bundesliga. Welche Aussagekraft hat die Tabelle?

Jansen: Das ist eine sehr schöne Momentaufnahme. Das freut uns auch. Aber um eine Spitzenmannschaft zu sein und zu werden, muss die Entwicklung weitergehen. Wir sind noch in allen drei Wettbewerben dabei. Wir brauchen uns aber nichts vormachen. Es ist noch alles sehr eng da oben. Wenn wir unserer Linie treu bleiben, nicht abheben und nicht meinen, dass wir schon irgendetwas geschafft hätten, dann können wir eine sehr erfolgreiche Saison spielen.

bundesliga.de: Der HSV gewinnt seine Spiele meistens sehr knapp, oft mühsam. Aber die Mannschaft gewinnt eben, macht die Big Points. Hat der HSV schon eine Siegermentalität entwickelt?

Jansen: Die Siege sind sicher kein Zufall, denn sie sind uns schon öfter gelungen. Es ist aber auch klar, dass man eine Mannschaft wie Leverkusen nicht mal eben wegputzt. Du musst erst einmal gucken, dass Du gut stehst und nicht verlierst. Wenn Du dann Deine Chance bekommst, musst Du sie nutzen. Gegen andere Mannschaften haben wir auch klare Siege eingefahren. Nur auswärts hatten wir Schwankungen, was aber normal ist.

bundesliga.de: Was ist in der Winterpause beim HSV passiert? Danach wurden fünf von sechs Spielen gewonnen.

Jansen: In der Hinrunde haben wir auch schon sehr gute Ergebnisse auf eine sehr gute Art und Weise erzielt. Das haben wir jetzt fortgesetzt. Unsere Entwicklung zeigt nach oben. Um da zu bleiben, müssen wir unser Spiel noch weiter verfeinern. Das entscheidet dann später über die nächsten Big Points.

bundesliga.de: Was steckt hinter dem gegenwärtigen Erfolg des HSV?

Jansen: Eine gute Harmonie in der Mannschaft und im Verein, beim Trainerteam und bei de Fans. Und der Charakter der Mannschaft. Wir sind keine Mannschaft, die es sich erlauben kann, auch nur 10 Prozent weniger zu geben. Wir müssen immer an die Grenze gehen. Dann sind wir richtig stark. Dann können wir auch jeden Gegner besiegen. Wir wissen aber auch, dass wir, wenn wir von der Einstellung her zu lasch sind, Probleme kriegen. Das hat man dann nach der 2:0-Führung in Karlsruhe gesehen, wo wir noch verloren haben.

bundesliga.de: Als amtierender Deutscher Meister wissen Sie, wie man Meister wird. Was kann der HSV von den Bayern lernen?

Jansen: Was uns im letzten Jahr bei Bayern ausgezeichnet hat und was etwas unterging, war die Kompaktheit der Mannschaft. Man darf sich beim Verteidigen nicht aus der Ruhe bringen lassen. Das heißt, dass man den Ball so erkämpft, dass man danach gut kontern kann. Dann wird es schwer für den Gegner. Und für unsere Spieler vorne war es dann relativ einfach. Das hat den FC Bayern im letzten Jahr ausgezeichnet. Das machen wir beim HSV teilweise auch schon sehr gut.

bundesliga.de: In Hamburg wird jetzt wieder eine große Euphorie ausbrechen. Ist das förderlich oder störend?

Jansen: Die Euphorie der Fans würde ich nie bremsen. Die sollen sich freuen. Wir Spieler müssen es richtig einschätzen. Wir können uns auch ein, zwei Tage darüber freuen. Aber dann kommt Wolfsburg, die auch richtig gut drauf sind. Vorher ist noch UEFA-Cup. Wir haben also volles Programm und gar nicht die Zeit, groß nachzudenken. Und das ist vielleicht auch ganz gut so.

bundesliga.de: Die Chance auf den ersten Hamburger Meistertitel seit 1983 war noch nie so groß wie in dieser Saison.

Jansen: Aber das sagt man ja bei jeder Mannschaft, die gerade oben steht. Es ist ja richtig, dass man Möglichkeiten hat. Vor allem weil wir uns in drei Wettbewerben gut präsentieren. Aber um eine Spitzenmannschaft zu sein, muss man am Schluss irgendwo spitze sein. Deshalb muss unsere Entwicklung noch weitergehen.

bundesliga.de: Nächster Gegner in der Bundesliga ist der VfL Wolfsburg, der an diesem Wochenende bereits einen Tabellenführer entthront hat.

Jansen: Bei Wolfsburg weiß man, dass die auch einen Lauf haben. Wir dürfen jetzt nicht nachlassen. Wir müssen so zuhause spielen wie bisher. Das ist wieder ein sehr wichtiges Spiel. Eigentlich geht es jedes Wochenende wieder von vorne los. Wir wissen genau, wie schwer es wird, gerade weil noch so viele Spiele vor uns liegen. Man kann nicht immer das schönste Spiel machen. Aber solche Spiele wie gegen Leverkusen machen uns natürlich Mut. Wir dürfen von der Einstellung und vom Charakter her nicht ein Prozent nachlassen. Wir müssen unsere Laufbereitschaft beibehalten.

bundesliga.de: Wir haben jetzt den dritten verschiedenen Spitzenreiter der Bundesliga nacheinander. Die Liga spielt ein bisschen verrückt.

Jansen: Aber so ist die Bundesliga interessant. Jeder kann jeden schlagen. Das ist ja der Wahnsinn, was da los ist in den Stadien, in den Medien. Für jeden ist etwas dabei. Es gibt unerwartete Siege, das macht eine Saison doch aus. Das zeigt, dass alle Mannschaften sehr gut arbeiten. Das ist auch eine Warnung an uns, nicht nachzulassen.

Das Gespräch führte Tobias Gonscherowski