BVB-Keeper Roman Weidenfeller nimmt das vermeintlich leichte Achtelfinallos Zenit St. Petersburg nicht auf die leichte Schulter: "Jeder weiß, was Zenit zu bieten hat"
BVB-Keeper Roman Weidenfeller nimmt das vermeintlich leichte Achtelfinallos Zenit St. Petersburg nicht auf die leichte Schulter: "Jeder weiß, was Zenit zu bieten hat"

Weidenfeller: "Zenit wird uns alles abverlangen"

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Dortmund - Trotz der Niederlage in Hamburg liegt Borussia Dortmund auf Kurs. In der Bundesliga ist Platz 2 wieder in greifbarer Nähe, im DFB-Pokal steht man im Halbfinale und im Champions-League-Achtelfinale gilt Zenit St. Petersburg als lösbare Aufgabe (ab 17:45 Uhr im Live-Ticker).

Im Interview spricht BVB-Keeper Roman Weidenfeller vor dem Spiel in Russland mit bundesliga.de über die angebliche Krise der Schwarz-Gelben, den kommenden Champions-League-Gegner Zenit St. Petersburg und das Klima vor Ort. Außerdem spricht er über den Abschied von Robert Lewandowski im Sommer, die Fußball-WM und das moderne Torwartspiel.

bundesliga.deHerr Weidenfeller, nachder Niederlage vom Wochenende beim Hamburger SV geht es schon am Dienstag für den BVB weiter. In der Champions League steht das Achtelfinal-Hinspiel bei Zenit St. Petersburg an. Wie sehr ärgert es Sie, dass eine mit Stars wie Witsel, Hulk oder Arshavin gespickte Mannschaft klein geredet wird?

Weidenfeller: Zenit St. Petersburg mag vom Klang her eine andere Bedeutung haben als Barcelona, Manchester City oder etwa Paris Saint-Germain. Jeder, der sich aber ein wenig näher mit der Materie beschäftigt, weiß, dass Zenit durchaus eine Menge zu bieten hat. Sie haben die Namen einiger Stars bereits genannt. Das sind allesamt Spieler mit Top-Qualität, die uns alles abverlangen werden. Und dazu kommt möglicherweise noch die Kälte...

bundesliga.de: Aktuell liegt der Unterschied zu Dortmund nur bei drei, vier Grad...

Weidenfeller: Ist mir aber immer noch zu kalt, ich halte von Kälte nicht so viel (lacht). Vor kurzem waren es allerdings noch minus 19 Grad in St. Petersburg. Da wären Temperaturen um den Gefrierpunkt tatsächlich schon ein deutlicher Fortschritt. Aber wie auch immer - wir nehmen es wie es kommt und sind für jedes Wetter gut vorbereitet.

bundesliga.de: Wie stellt man sich auf einen Stürmer wie Hulk ein. Schaut man sich im Vorfeld Videos an?

Weidenfeller: Angesichts des Drei-Tage-Rhythmus’, in dem wir uns bewegen, besteht die Schwierigkeit darin, sich innerhalb weniger Stunden immer wieder auf einen neuen Gegner einstellen zu müssen. Gerade ist es der HSV, mit dem man sich beschäftigt hat, und schon ein paar Stunden später muss die ganze Konzentration dem kommenden Gegner, in diesem Fall Zenit, gelten. Das ist nicht immer einfach. Aber selbstverständlich werden wir uns in den wenigen Tagen vor dem Duell gegen Zenit auch Videos von der Spielweise der Russen ansehen.

bundesliga.deWenn wir über Topstürmer sprechen, dann gehört in diese Kategorie auch das erfolgreiche BVB-Torjägerduo Lewandowski/Aubameyang. Wie zuvor Götze, wird auch Lewandowski Dortmund im Sommer verlassen. Ist das dauerhaft das Schicksal des BVB?

Weidenfeller: Das ist schwer zu beurteilen. Fakt ist einerseits, dass Lewandowski zunächst eine ähnlich große Lücke hinterlassen wird, wie es Mario Götze im vergangenen Sommer getan hat. Andererseits setzt der Verein aber nicht nur immer wieder alles daran, solche Lücken zu schließen, sondern in aller Regel gelingt das auch. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass unsere Verantwortlichen auf Abgänge stets sehr gute Antworten finden, wie etwa im vergangenen Sommer mit Aubameyang, Mkhitaryan und Sokratis. Und ich habe vollstes Vertrauen, dass das auch dieses Mal gelingen wird.

bundesliga.de: Durch den Wechsel Lewandowskis zu den Bayern erhalten diese einen weiteren Top-Spieler von einem ihrer größten Konkurrenten. Glauben Sie an eine dauerhafte Dominanz des FC Bayern?

Weidenfeller: Das einzuschätzen ist schwierig. Ich hoffe aber, dass die Bundesliga auch in Zukunft interessant bleibt. Dass Bayern München wirtschaftlich in einer anderen Liga spielt als die weiteren 17 Clubs, dessen sind wir uns alle bewusst. Das ist aber nicht neu, sondern war auch vor zwei, drei, vier Jahren schon der Fall. Und es ist nicht allzu lange her, dass wir zweimal in Folge den Titel holen konnten. Wenn wir in den vergangenen Jahren auf die Bayern getroffen sind, war es meist sehr eng. Und daran wird sich meiner Meinung nach nichts ändern.

bundesliga.deNicht ganz so eng war es im Pokalfinale 2012, als der BVB die Münchner beim 5:2 klar beherrschte. Erleben wir in diesem Jahr eine Neuauflage?

Weidenfeller: Mein Traumfinale wäre Kaiserslautern gegen Borussia Dortmund (lacht). Ich habe noch immer sehr viele Freunde in Kaiserslautern, und es sind schon unzählige Ticketwünsche für dieses bei mir angekommen. Aber Spaß beiseite: Zunächst einmal wartet auf uns mit dem VfL Wolfsburg ein sehr anspruchsvoller Gegner, der in dieser Serie immer stärker geworden ist. Wir sind also gewarnt. Aber wir wissen auch, dass dieses Heimspiel eine große Chance bietet, um erneut nach Berlin zu kommen. Was den 1. FCK betrifft: Bei aller Verbundenheit zum Club, sage ich doch sicher nichts Falsches, wenn ich befürchtete, dass die Aufgabe in München für die Lauterer sehr, sehr schwer werden dürfte.

bundesliga.deFür Sie persönlich bleibt ein ganz großes Ziel zudem die WM-Teilnahme; wie sehr bestimmt dieser Traum Ihren momentanen Alltag?

Weidenfeller: Für mich zählt nur das Hier und Jetzt. Ich denke zum Beispiel vor einem Spiel nie daran, dass ich mich möglicherweise verletzen und so meine Ziele mit dem BVB, aber auch die WM verpassen könnte. Das würde mich nur hemmen. Ohnehin kann ich heute nicht beurteilen, wie die Gesamtsituation im Sommer sein wird. Dass es eine Riesenherausforderung und eine Riesenfreude für mich wäre, Teil dieser deutschen Mannschaft sein zu dürfen, das versteht sich aber von selbst.

bundesliga.deIhre Leistung stimmt jedenfalls, wie eigentlich immer in den vergangenen zehn Jahren, in denen Sie regelmäßig in der Top 3 der besten deutschen Torhüter gestanden haben und erneut stehen; wie gelingt es Ihnen, die Konzentration über so lange Zeit hochzuhalten?

Weidenfeller: Die Bundesliga war und ist gespickt mit exzellenten Torleuten. Umso mehr nehme ich das aber als Herausforderung, mich immer wieder neu zu beweisen. Entscheidend ist wohl, dass es mir meist gelingt, meinen Fokus auf das Wesentliche zu lenken.

bundesliga.deImmer wieder wird betont, dass sich das Torwart-Spiel stark verändert hat. Sie sind seit 14 Jahren Profi: Wie ist Ihr Eindruck?

Weidenfeller: Keine Frage, die Veränderungen sind enorm. Die Rolle des Torwarts hat an Einfluss für das gesamte Spiel gewonnen. Früher ging es fast ausschließlich darum, Bälle zu halten, am besten noch ausschließlich mit den Händen. Heute sind die Anforderungen komplexer. Selbstverständlich sollte ein Torwart noch immer seine Kernaufgabe beherrschen, Tore zu verhindern. Darüber hinaus aber muss der Torwart heute in der Lage sein, als eine Art Libero zu fungieren, um nach einem Angriff des Gegners den Gegenstoß der eigenen Mannschaft einzuleiten. Um das aber leisten zu können, muss er auch ein guter Fußballer sein.

bundesliga.deWie sehr haben Sie Ihr Spiel verändert?

Weidenfeller: Ich habe über die Jahre hinweg immer wieder versucht, mich den Gegebenheiten anzupassen. Selbstverständlich profitiere ich dabei von unserer jungen Mannschaft, die mich in ihren Entwicklungsprozess einbindet. Das funktioniert aber nur, wenn man bereit ist, die Möglichkeiten anzunehmen, die der Verein zur Verfügung stellt.

bundesliga.deDie Zeiten, als einem Torwart im Training vom Torwarttrainer lediglich 90 Minuten lang die Bälle um die Ohren geschossen wurden, sind also Vergangenheit?

Weidenfeller: Auf jeden Fall! Die Ballmaschine 'Footbonaut' etwa, die - soweit ich weiß - bisher nur Borussia Dortmund einsetzt, nutze ich so oft wie möglich, weil sie mir hilft, mein Passspiel bzw. die Schnelligkeit des exakten Passspiels immer noch zu verbessern. Die technische Entwicklung und die Erkenntnisse der Trainingslehre bieten immer wieder neue Möglichkeiten. Nur muss man sie als Profi auch nutzen. 

bundesliga.deIhr Vertrag beim BVB läuft noch bis 2016, dann werden Sie 35 Jahre alt sein; denken Sie schon weiter?

Weidenfeller: Nein. Ich bin völlig entspannt und genieße jeden Tag noch ein bisschen mehr. Ich bin sehr dankbar dafür, dass mein Körper mir die Chance gibt, noch weiter auf diesem Niveau Fußball spielen zu können. Auf jeden Fall möchte ich meinen Vertrag beim BVB erfüllen. Und wenn ich darüber hinaus noch helfen kann, dann gerne. 

Das Gespräch führte Andreas Kötter