FCA-Torwart Mohamed Amsif (l.) parierte gegen die Bayern drei Torschüsse - zwei Mal war er machtlos
FCA-Torwart Mohamed Amsif (l.) parierte gegen die Bayern drei Torschüsse - zwei Mal war er machtlos

Von der Bank auf die internationale Bühne

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Augsburg - Manche Karrieren entwickeln sich im Schneckentempo, andere wiederum explosionsartig. Wenn Nobodys quasi über Nacht zum Star aufsteigen, wenn Sportler - obwohl eigentlich nichts darauf hingedeutet hat - plötzlich durchstarten, wird in der Regel getitelt: "Von Null auf 100."

Mohamed "Mo" Amsif trat bis vor wenigen Tagen auf der Stelle. Im Juni 2010 von Schalke 04 zum FC Augsburg gewechselt, stand der Torhüter nahezu eineinhalb Jahre im langen Schatten von Simon Jentzsch, war fast permanent Bankdrücker.

Berufung ins Nationalteam

Zwei Zweitligaspiele gegen den VfL Osnabrück (2:2) und den MSV Duisburg (0:1) in der vergangenen Saison, dazu in dieser die unlängst mit 1:0 gewonnene Pokalpartie beim Regionalligisten RB Leipzig - vom Rampenlicht bekam der Deutsch-Marokkaner nur ganz selten was ab. Doch mittlerweile ist der Name Amsif allgegenwärtig - in Funk, Fernsehen, Presse und Onlinediensten. Das Bundesligadebüt im bayerischen Derby am vergangenen Sonntag gegen den FC Bayern München hat den Keeper auf der Popularitätsskala weit nach oben katapultiert - trotz der 1:2-Niederlage des im zweiten Durchgang bärenstarken Klassenneulings.

Einmal in Fahrt gekommen, scheint die Karriere nun rasant zu beschleunigen. Wenn nicht im letzten Moment noch etwas dazwischen kommt, wird sich dem ersten Einsatz in der deutschen Eliteklasse die Premiere auf internationaler Bühne unmittelbar anschließen.

Marokkos belgischer Nationaltrainer Eric Gerets berief Amsif ins Aufgebot für die Länderspiele gegen Uganda (Freitag) und Kamerun (Sonntag). Bereits am Montag ging s mit dem Flieger von München aus nach Marrakesch.

Lob vom Manager

Beim FCA hofft man derweil, dass der Schlussmann wohlbehalten wieder in Augsburg eintreffen wird, denn: Die Rückkehr von Jentzsch in den Kasten ist bis auf weiteres kein Thema.

"Ich empfehle den Blick auf Simons Hand", sagte FCA-Manager Andreas Rettig nach dem Bayern-Spiel. "Dann leidet man erst mal mit." In einer Operation wurde der gebrochene Ringfinger, der Jentzsch nicht davon hatte abhalten können, gegen Werder Bremen (1:1) und in Köln (0:3) zwischen die Pfosten zu treten, mit drei Schrauben fixiert. Dem Debütanten Amsif attestierte Rettig, seine Sache "prächtig gemacht" zu haben. Lob gab's auch von Paul Verhaegh. "Eine super Vorstellung", sagte der Mannschaftskapitän. "Bei beiden Gegentoren war er machtlos."

Das erste, von Mario Gomez im Anschluss an eine Ecke erzielt, kreidete der ein oder andere Kritiker dem 22-Jährigen an. "Der Ball wird auf den ersten Pfosten gespielt und ich sehe ihn erst ganz spät", rechtfertigte sich der Torhüter. "Man hätte da etwas konsequenter ran gehen müssen, dann wäre van Buyten vielleicht nicht zum Kopfball gekommen." Bei der Aktion des Belgiers hatte Amsif noch reaktionsschnell klären können. Doch dann war eben Gomez zur Stelle.

Wiedersehen mit Neuer

Nach dem finalen Pfiff von Schiedsrichter Felix Zwayer traf Amsif sich im Mittelkreis zum Small Talk mit seinem Gegenüber Manuel Neuer. Beide verbindet eine "königsblaue" Vergangenheit, auf Schalke haben sie sich kennen und schätzen gelernt.

"Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu Manu", verriet Amsif. "Er ist sehr sympathisch und war ausgesprochen hilfsbereit. Er hat mich immer unterstützt und mir ein Feedback gegeben, was ich besser machen soll."

Ratschläge blieben diesmal aus. Stattdessen zollte der aktuelle deutsche Nationaltorhüter dem künftigen marokkanischen Anerkennung. Amsif: "Er hat mich beglückwünscht, mir gesagt, dass es ein gutes Bundesligadebüt war."

"Vielleicht hatte ich ein paar Schmetterlinge im Bauch"

Der Jentzsch-Vertreter selbst bezeichnete seinen ersten Einsatz bescheiden als "recht ordentlich" - und geriet beim Blick zurück dennoch ins Schwärmen. "Ich habe lang hingearbeitet auf diesen Moment, vor so einer großen Kulisse mein Debüt zu geben", sagte er. "Ich habe mich ganz sicher gefühlt, war überhaupt nicht angespannt. Vielleicht hatte ich ein paar Schmetterlinge im Bauch." Und: "Wenn ich jetzt die Augen schließe und alles Revue passieren lasse, dann muss ich feststellen: 'Besser hätte ich es mir nicht erträumen können.'"

Doch dann war Mo Amsif sofort wieder ganz Realist - und zukunftsorientiert. "Gegen die Bayern", beschied er, "kann man verlieren. Jetzt heißt es den Mund abwischen. In zwei Wochen in Stuttgart müssen wir da anknüpfen, wo wir heute aufgehört haben."

Aus Augsburg berichtet Reinhart Kruse