Nach der 0:1-Pleite gegen Borussia Mönchengladbach musste Michael Oenning seinen Trainerstuhl beim Hamburger SV räumen
Nach der 0:1-Pleite gegen Borussia Mönchengladbach musste Michael Oenning seinen Trainerstuhl beim Hamburger SV räumen

Vertretbare Entscheidung an der Elbe

xwhatsappmailcopy-link

Hamburg - So unerwartet wie Trainer Michael Oenning nach dem 0:1 am vergangenen Spieltag gegen Borussia Mönchengladbach mit Durchhalteparolen der Rücken gestärkt wurde, so überraschend kam am Montag dann auch die Trennung: Der Hamburger SV zog nach 13 sieglosen Spielen in Folge die Reißleine und entließ seinen Coach.

"Es war keine leichte Entscheidung. Michael passte als Person zum HSV und auch zu den Zielen, die wir ausgegeben haben. Es tut mir weh, er hat alles probiert und sich um alles gekümmert. Aber es ist eine Entscheidung, die ich für den HSV getroffen habe", erklärte Sportchef Frank Arnesen auf der vereinseigenen Webseite.

Jener Arnesen, der Oenningnoch am Samstag vorerst eine Jobgarantie ausgesprochen hatte. "Wir haben am Freitag ein Spiel gegen Stuttgart, und da sitzt Michael Oenning neben mir im Flugzeug und fährt auch wieder mit zurück", hatte der Däne in den Katakomben der Imtech Arena gesagt.

"Entscheidung für den Verein"

Wenige Tage später gab er eine plausible Erklärung für seinen Meinungsumschwung an: "Am Samstag war ich davon überzeugt, also habe ich mich auch dahingehend geäußert. Jetzt habe ich nicht nur mit dem Herz gedacht, sondern auch mit dem Verstand. Wir haben diese Entscheidung für den Verein getroffen, nicht für Frank Arnesen oder für Michael Oenning."

Sportlich ist die Entscheidung absolut vertretbar. Denn die "Rothosen" sind so schlecht in die Saison gestartet wie noch nie zuvor in der Vereinsgeschichte. Lediglich 1972/73 stand bei fünf Niederlagen ebenfalls nur ein Remis zu Buche. Das Torverhältnis war aber etwas besser.

Angst vor dem ruhenden Ball

Heiko Westermann fasste es nach der Partie gegen die "Fohlen" treffend zusammen. "Jetzt ist es zappenduster, jetzt stehen wir mit dem Rücken zur Wand. Wir haben noch kein Spiel gewonnen. Schlimmer kann es nicht mehr kommen", sagte der Kapitän der Hanseaten.

Dabei sind die Gründe für die Misere offensichtlich. Da ist zum Beispiel das desolate Abwehrverhalten bei Standardsituationen. Gleich acht Treffer kassierten die Hamburger nach ruhenden Bällen - jeweils vier nach Eck- und Freistößen.

Harmloser HSV ergibt sich

Das "Goldene Gegentor" gegen die Elf vom Niederrhein resultierte ebenfalls aus einem Freistoß, bei dem der nicht gerade als "Kopfball-Ungeheuer" bekannte Heung-Min Son den Torschützen Igor de Camargo sträflich aus den Augen ließ.

"Es ärgert mich maßlos, dass wir das Gegentor wieder durch einen Standard bekommen haben", analysierte Oenning auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. Mehr noch echauffierte sich der 45-Jährige darüber, dass es "meine Mannschaft nicht geschafft hat, dass Spiel nach dem Rückstand zurückzuholen."

Kaum Vorwärtsdrang

Aber wie auch. Dafür fehlt es dem "Bundesliga-Dino", der als einzige Mannschaft von Beginn an im Oberhaus vertreten ist, derzeit einfach an Führungsspielern. Jeder ist zu sehr mit sich und seiner eigenen Leistung beschäftigt.

Zwar hatte Oenning bis zuletzt versucht, mit einer defensiven Ausrichtung die nötige Sicherheit ins Spiel der Hausherren zu bringen. Doch dieser Gedanke fiel, wie schon im Spiel zuvor im Nordderby bei Werder Bremen (0:2), deutlich zu lasten des Offensivspiels, das zumindest in der ersten Halbzeit gegen Gladbach gar nicht stattfand. Magere zwei Torschüsse wurden abgefeuert.

Ratloser Petric

Stürmer Mladen Petric, dem man dank seiner Torjägerqualitäten noch am ehesten zutraut, die Wende zum Guten einzuleiten, resignierte nach dem Schlusspfiff schon fast: "Wir erzählen immer das Gleiche, Woche für Woche, aber es passiert immer wieder. Ich weiß gar nicht mehr, was ich sagen soll."

Vielleicht schafft es Rodolfo Esteban Cardoso, den Hamburger SV wieder auf die Erfolgsspur zurückzuführen. Der 42-Jährige Argentinier übernimmt vorerst als Interimscoach das Ruder.

Cardoso als Hoffnungsträger

Cardoso weiß auf jeden Fall, wie sich das Siegen anfühlt. Mit der Reserve der Hamburger führt er nach sechs Spieltagen die Tabelle der Regionalliga Nord an. Gleich fünf "Dreier" fuhr die Nachwuchsmannschaft dabei ein. Vielleicht ist das ja ein gutes Omen für die Partie am Freitag beim VfB Stuttgart.

Der Rückendeckung Arnesens kann sich Cardoso auch gewiss sein. "Bis ein endgültiger Nachfolger gefunden ist, wird er die Mannschaft übernehmen. Rodolfo kennt das Team, steht mit der U 23 auf dem ersten Tabellenplatz und kann uns durch seine Erfahrung im Moment sehr gut helfen. Er hat jetzt unsere volle Unterstützung."

Aus Hamburg berichtet Michael Reis