Jens Keller (l.) soll die Talfahrt der Hinrunde vergessen machen und dem FC Schalke 04 neues Leben einhauchen
Jens Keller (l.) soll die Talfahrt der Hinrunde vergessen machen und dem FC Schalke 04 neues Leben einhauchen

Verrückte Halbserien - Teams mit zwei Gesichtern

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München - Trist sieht es aus für den FC Schalke 04, der sich derzeit in einer Art Winterdepression zu befinden scheint. Einen Grund zum Jubeln gab es in Gelsenkirchen nämlich schon länger nicht mehr. Der letzte Bundesliga-Sieg gelang den "Knappen" am 11. Spieltag. Aus den sechs verbleibenden Partien bis zur Winterpause gingen nur zwei der 18 möglichen Punkte an S04, das daraufhin Trainer Huub Stevens seines Amtes enthob und Jens Keller vom U-17-Coach zum Hauptverantwortlichen beförderte.

Die größten Tabellen-Sprünge

Doch auch Keller konnte den Negativ-Trend nicht stoppen. Im DFB-Pokal setzte es eine Niederlage gegen den 1. FSV Mainz 05 und auch die bittere 0:5-Pleite im Test gegen den FC Bayern München am Dienstag war so nicht eingeplant.

"Mit dem Spielverlauf insgesamt können wir natürlich nicht zufrieden sein", analysierte Keller die Partie auf der Vereinshomepage, "wir müssen schneller in die Ordnung kommen, aggressiver und kompakter verteidigen." Sorge bereite ihm das Ergebnis aber nicht: "Ich verliere dadurch nicht meine Zuversicht." Zu Recht, wie der Blick in die Datenbank beweist. Denn in der Geschichte der Bundesliga hat es immer wieder Mannschaften gegeben, die sich nach einer schlechten ersten Saisonhälfte gesteigert und die Liga in der Rückrunde aufgemischt haben.



So zum Beispiel der Hamburger SV in der Spielzeit 2006/07. Nach 13 Punkten und Platz 17 in der Hinrunde ging es in der zweiten Saisonhälfte steil bergauf. Nach dem Trainerwechsel von Thomas Doll zu Huub Stevens spielten die Norddeutschen die zweitbeste Rückrunde. Am Ende landete der HSV auf Platz 7 und schaffte über den UI-Cup sogar noch den Sprung in den UEFA-Cup.

Aber auch der FC Schalke selbst hat schon einmal ein ähnliches Kunststück vollbracht. Nachdem sich die "Königsblauen" am Ende des Jahres 1968 auf Platz 17 wiederfanden, präsentierten sie sich nach dem Jahreswechsel wie verwandelt und beendeten die Spielzeit 68/69 noch auf dem 7. Platz. Ebenso wie beim HSV brachte auch damals ein Trainerwechsel - Rudi Gutendorf ersetzte Günter Brocker - die Wende.

Aus dem Mittelfeld zur Meisterschaft



Genau 40 Jahre später gelang dem VfL Wolfsburg unter Felix Magath ein kleines Fußball-Wunder. Nach den ersten 17 Runden der Spielzeit 2008/09 rangierten die "Wölfe" im Mittelfeld der Tabelle. Trotz Platz 9 und neun Punkten Rückstand auf Herbstmeister Hoffenheim gelang den Niedersachsen der ganz große Coup: der Gewinn der Meisterschaft.

Ein Grund für den Aufschwung war der Formanstieg des damaligen VfL-Sturmduos Grafite und Edin Dzeko. Hatten die beiden Angreifer in der Hinrunde gemeinsam 16 Tore erzielt, schlugen sie in der Rückrunde 38 Mal zu. Allein Dzeko versenkte das Runde 21 Mal im Eckigen - eine Marke, die einzig von Gerd Müller übertroffen wird, der in der Saison 1971/72 sogar 23 Mal in der zweiten Saisonhälfte eingenetzt hatte.

Trügerische Sicherheit



Allerdings gab es in 50 Jahren Bundesliga auch einige Vereine, die die umgekehrte Erfahrung machen mussten, zum Beispiel Eintracht Frankfurt in der vorletzten Bundesliga-Spielzeit. Nach einer grandiosen Hinserie mit 26 Punkten kamen in der Rückrunde nur acht Punkte dazu und der Abstieg war besiegelt. Eklatant war zu diesem Zeitpunkt auch die Abschlussschwäche der Hessen, die in der zweiten Saisonhälfte nur sieben Tore erzielten.

Doch die größten Abstürze erlebten der MSV Duisburg und der Hamburger SV. Die "Rothosen" überwinterten in der Saison 1966/67 als Tabellenzweiter. Nach der Pause reichte es aber nur noch zu acht Punkten, was den Absturz auf den 14. Platz zur Konsequenz hatte.

Noch dramatischer verlief die Spielzeit 1991/92 für den MSV Duisburg. Die "Zebras" fielen von Rang 7 nach der Hinrunde noch auf Rang 19 und stiegen ab.

Frühjahr - gefürchtet und geliebt



Dieses Schicksal könnte in der aktuellen Saison 1899 Hoffenheim ereilen, sollten sich die Kraichgauer an ihre bisherige Bilanz halten. Seit dem Bundesliga-Aufstieg durchlebte die TSG in der Rückrunde stets ein Formtief und fuhr weniger Punkte ein als vor der Winterpause. Da die Mannschaft von Marco Kurz derzeit nur zwölf Zähler auf dem Konto hat, sollte sie ihre Gewohnheit schnell ablegen, weil es sonst mit dem Klassenerhalt eng werden könnte.

Zu einem regelrechten Rückrunden-Spezialisten hat sich auch der VfB Stuttgart entwickelt. Die Schwaben waren in den vergangenen sechs Spielzeiten in der Rückrunde jeweils besser als in der Hinserie. In 2007/08 und 2010/11 avancierte die Elf vom Neckar sogar jeweils zur besten Mannschaft der zweiten Saisonhälfte und wandelt damit auf den Spuren des 1. FC Nürnberg, der in 20 seiner 30 Bundesliga-Saisons in der Rückrunde besser abgeschnitten hat als an den ersten 17 Spieltagen.

Gregor Nentwig