Ein "Kind" der Bundesliga: Michael Frontzeck absolvierte 436 Partien in der höchsten deutschen Spielklasse
Ein "Kind" der Bundesliga: Michael Frontzeck absolvierte 436 Partien in der höchsten deutschen Spielklasse

"Unerwartete Ergebnisse entscheiden"

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Hamburg - Michael Frontzeck hat als junger Trainer schon jede Menge Erfahrungen im Kampf gegen den Abstieg gesammelt. Mal war er mit seiner Mannschaft erfolgreich, wie zum Beispiel mit Arminia Bielfeld 2007/08. Mit Alemannia Aachen reichte es 2006/07 dagegen nicht - der Gang in die 2. Bundesliga konnte nicht vermieden werden.

Frontzeck, der in der Bundesliga als Spieler für Gladbach, Stuttgart, Bochum und Freiburg aktiv war, kennt den Druck, der nun auf den Teams lastet. "Der Druck ist für alle, sowohl Spieler als auch Verantwortliche, enorm groß. Aber das ist schon von Beginn der Saison an der Fall", sagte er im bundesliga.de-Interview.

Der 47-Jährige nimmt die Mannschaften am Tabellenende unter die Lupe und erklärt, worauf es in der Rückrunde nun besonders ankommt.

bundesliga.de: Herr Frontzeck, entspricht der bisherige Saisonverlauf Ihren Erwartungen?

Michael Frontzeck: Zumindest entspricht er den Erwartungen der meisten Experten. Oben spielen die Bayern und Dortmund um den Titel. Dahinter lauern wie gewohnt die Teams aus Leverkusen, Bremen und Schalke. Die Platzierung der Gladbacher ist natürlich etwas überraschend. Die Mannschaften am Tabellenende durften zum großen Teil auch im Vorfeld dem Kampf gegen den Abstieg zugeordnet werden. Aber auch da gibt es natürlich die ein oder andere Überraschung.

bundesliga.de: Den Hamburger SV hatte wohl auch keiner da unten auf der Rechnung.

Frontzeck: Der HSV hatte vor der Ankunft von Trainer Thorsten Fink mit unruhigen Zeiten, vor allem auch im Umfeld, zu kämpfen. Und das über einen längeren Zeitraum. Aber die Mannschaft hat gezeigt, dass sie die sportlichen Qualitäten hat, um sich aus einer misslichen Lage zu befreien. Der HSV hat wieder Anschluss ans Mittelfeld gefunden. Die Tendenz zeigt nach oben. Ganz sicher sollten sie sich aber noch nicht sein.

bundesliga.de: Ist am Tabellenende denn schon eine Tendenz abzusehen?

Frontzeck: Keine Mannschaft ist jetzt schon abgestiegen. Gladbach und Stuttgart hatten in der vergangenen Saison auch nur zehn bzw. zwölf Punkte. Das hat wieder gezeigt, dass sich im Fußball alles schnell in beide Richtungen wenden kann. Das negative Beispiel ist Eintracht Frankfurt, das 2010/11 in der Rückrunde eingebrochen und letztlich dann abgestiegen ist.

bundesliga.de: Ist der Erfolgsdruck im Saisonfinale zu groß? Und könnte da vielleicht ein Mentaltrainer helfen?

Frontzeck: Der Druck ist für alle, sowohl Spieler als auch Verantwortliche, enorm groß. Aber das ist schon von Beginn der Saison an der Fall. Die Vereine, die als Ziel den Klassenerhalt ausgeben haben, wissen darum. Ein Mentaltrainer würde da aber auch nicht mehr helfen. Entweder man setzt diese Hilfe gleich ein oder man lässt es ganz bleiben.

bundesliga.de: Kaiserslautern und Nürnberg waren in der vergangenen Saison oben mit dabei. Nun läuft es nicht mehr rund. Woran liegt das?

Frontzeck: Bei beiden Vereinen ist es in der vergangenen Saison einfach perfekt gelaufen. Aber die aktuelle Spielzeit zeigt, wie schnell sich die Ansprüche verändern können. Die Nürnberger konnten den Aderlass mit den Abgängen von Mehmet Ekici, Ilkay Gündogan und Julian Schieber nicht kompensieren. Solche Spieler sind schwer zu ersetzen. Für jeden Trainer ist es dann eine Mammutaufgabe, eine neue Mannschaft aufzustellen, die für die Bundesliga gewappnet ist. In solchen Fällen ist es dann keine Überraschung, wenn es gegen den Abstieg geht.

bundesliga.de: Ähnlich wie bei den Mainzern…

Frontzeck: Ja, aber dass die Mainzer den vielen Abgängen nicht teuren Spielerkäufen entgegen gewirkt haben, ist genau richtig. Denn das ist der Mainzer Weg und sie verfolgen diesen Weg konsequent. Ein Andre Schürrle ist nun einmal nicht adäquat zu ersetzen. Dazu fehlen die finanziellen Mittel. Es ist absolut lobenswert, dass man der Vereinsphilosophie treu bleibt, auch wenn dann die Gefahr eines Abstieges besteht. Fahrlässiger wäre es aber, sich durch wilde Transaktionen in die Bredouille zu bringen.

bundesliga.de: Und wie stellt sich die Situation in Freiburg und Augsburg dar, die ja zum Rückrundenauftakt gleich aufeinandertreffen?

Frontzeck: Für die Freiburger ist jede Saison ein Überlebenskampf. Das wissen die Verantwortlichen auch. Sie müssen sich mit dem neuen Trainer weiter als Kollektiv beweisen. Augsburg dagegen traue ich noch mehr zu. Der FCA ist zum Ende der Hinrunde in der Bundesliga angekommen. Es ist beachtlich, wie sie die letzten Spiele im vergangenen Jahr angegangen sind. Die Außendarstellung des Vereins war von Beginn an klasse. Sie haben früh den Trainer aus der Schusslinie genommen und haben ihm so ein ruhiges Arbeiten ermöglicht. Und der Erfolg gibt dem FCA Recht. Sie haben den Anschluss hergestellt.

bundesliga.de: Wie sollten sich die Teams in der Winterpause auf die Rückrunde vorbereiten?

Frontzeck: Ich habe meinen Spielern immer auf den Weg gegeben, in den wenigen freien Tagen komplett abzuschalten, um sich danach zusammen mit der Mannschaft neu aufzustellen. Wenn dann alle 100 Prozent Leistung und Leidenschaft abrufen, sind die Hausaufgaben gemacht.

bundesliga.de: Welche Mannschaften steigen in dieser Saison ab?

Frontzeck: Das kann ich nicht sagen. Denn das hängt einfach von zu vielen Faktoren ab, die man nicht vorhersehen und schon gar nicht beeinflussen kann. Da fällt mal ein Leistungsträger verletzt aus oder ist gesperrt. 40 Punkte sind sicher nicht von Nöten. Da haben in den vergangenen Jahren auch mal 32 gereicht. Ich rechne wieder damit, dass im letzten Drittel die unerwarteten Ergebnisse kommen, die den Kampf gegen den Abstieg dann meist entscheiden.

Das Gespräch führte Michael Reis