Rüdiger Abramczik arbeitete zuletzt als Manager Sport beim Regionalligisten Hessen Kassel
Rüdiger Abramczik arbeitete zuletzt als Manager Sport beim Regionalligisten Hessen Kassel

"Unentschieden wäre am schlimmsten"

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München - Am 8. Spieltag ist es wieder so weit: Im Dortmunder Signal Iduna Park steigt das Revierderby. Bereits zum 81. Mal stehen sich Borussia Dortmund und der FC Schalke 04 in der Bundesliga gegenüber. Rüdiger Abramczik, der für beide Vereine auf dem Platz stand, erläutert im Gespräch mit bundesliga.de vor dem Duell des Tabellenvierten gegen den -dritten die Situation der Revier-Rivalen.

bundesliga.de: Herr Abramczik, die Tabellensituation verspricht ein Topspiel - was erwarten Sie?

Rüdiger Abramczik: Ich hoffe, dass einer von beiden gewinnt. Ansonsten beherrscht Bayern mit weiten Schritten ganz schnell die Liga. Wenn Dortmund zuhause gegen Schalke verlieren sollte, wäre es für den BVB umso schlimmer. Jetzt sind sie neun Punkte weg, bei einem Bayern-Sieg in Düsseldorf wären es zwölf. Das wäre ein Hammer! Das nochmal aufzuholen hat Bayern München vor zwei Jahren auch probiert - und nicht geschafft. Wenn die Schalker gewinnen, sind sie oben mit dabei. Ein Unentschieden wäre für beide Vereine am schlimmsten.

bundesliga.de: Das heißt, ein Unentschieden wäre eine gefühlte Niederlage...

Abramczik: Ja, für beide Mannschaften. Diesmal müssen sowohl Schalke als auch Dortmund gewinnen.

bundesliga.de: Wem trauen Sie denn eher den Sieg zu?

Abramczik: Wenn Dortmund zuhause spielt, haben sie natürlich größere Chancen. Wenn Dortmund auf Schalke gespielt hätte, hätte ich natürlich auch auf Schalke getippt, ist ja ganz klar.

bundesliga.de: Allein der Heimvorteil soll also entscheidend sein?

Abramczik: Auf jeden Fall. Obwohl ich Schalke trotzdem nicht unterschätzen würde. Sie haben in Hannover ordentlich gespielt und in Düsseldorf ebenfalls. Nur kurz vor Schluss sind sie unkonzentriert gewesen und haben Gegentore bekommen.

bundesliga.de: Dortmund hat vor dem Revierderby mit Verletzungssorgen zu kämpfen. Mats Hummels und Sven Bender drohen auszufallen - Jakub Blaszczykowski wird aufgrund einer Sprunggelenksverletzung nicht dabei sein können. Der Pole ist auf der Außenbahn zuhause - Ihre Stammposition zu Ihrer aktiven Zeit. Wie beurteilen Sie den Ausfall von Kuba für das Dortmunder Spiel insgesamt?

Abramczik: Das ist für Dortmund sehr negativ, weil ich dort weit und breit keinen sehe, der das so gut spielen kann wie er. Ich sehe da keinen Stärkeren. Jürgen Klopp muss sich etwas Neues einfallen lassen - vielleicht bietet er einen Stürmer mehr auf. Die rechte Offensivseite mit Kuba ist sicherlich zur Zeit die Beste, die Klopp hat. Wenn er sechs Wochen ausfällt, ist das für Dortmund sicher negativ.

bundesliga.de: Würden Sie zustimmen, dass die Position des offensiven Außenbahnspielers, der gefährliche Flanken schlägt, im modernen Fußball wieder an Bedeutung gewonnen hat?

Abramczik: Dortmund hat mit Robert Lewandowski einen guten Kopfballspieler vorne drin. Wenn man über außen keine Flanken reinschlägt, ist es sicherlich schwierig für die Jungs vorne. Das ist bei uns auf Schalke genau das Gleiche. Klaas-Jan Huntelaar ist auch ein sehr guter Kopfballspieler. Meistens spielen Dortmund und Schalke nur mit einer Spitze - gerade dann ist es natürlich schwer, ohne Flanken aus dem Spiel heraus für Torgefahr zu sorgen.

bundesliga.de: Auf der anderen Seite muss auch Schalke mit Julian Draxler möglicherweise einen Ausfall auf der Außenbahn verkraften. Meinen Sie, die "Knappen" könnten es eher kompensieren, sollte Draxler nicht spielen können?

Abramczik: Ja, das glaube ich schon. Mir täte es natürlich leid für den Jungen. Immer wenn er reingekommen ist oder nach einer kleinen Pause wieder gespielt hat, dann hat er wirklich sehr gut gespielt. Ich bin allerdings skeptisch, ob Draxler wirklich auf dieser linken Seite sein ganzes Potential zeigen kann. Ich bin nicht immer einer Meinung mit Huub Stevens oder den Trainern, die vorher dort waren. Für mich ist Draxler ein Spieler für die Zentrale. Aufgrund seiner Schnelligkeit und seiner guten Dribblings könnte er dort wahrscheinlich noch viel mehr machen und noch besser spielen.

bundesliga.de: Zumal Schalke sich auf der Außenbahn mit Ibrahim Afellay verstärkt hat.

Abramczik: Ja, genau. Afellay kann ja dort spielen, dafür haben sie ihn geholt. Deswegen fände ich es schade, wenn Julian Draxler auf der Außenposition bleiben würde. Ich sehe Draxler nicht als Stammspieler auf dieser Position. Denn dort muss er auch viel nach hinten arbeiten und Julian ist nicht unbedingt einer, der in der Defensive sehr gut ist. Deswegen sehe ich ihn eher im zentralen Mittelfeld.

bundesliga.de: Er hat Sie als jüngsten Schalker Bundesliga-Profi und -Torschützen abgelöst. Sehen Sie Ihn als Ihren legitimen Nachfolger?

Abramczik: Nein, wir sind im Grunde zwei ganz verschiedene Spielertypen. Wir haben beide das Glück gehabt, frühzeitig spielen zu dürfen. Aber so wie ich gespielt habe und wie er spielt, sind wir beide schon unterschiedlich. Dass er mich jetzt abgelöst hat nach 27 Jahren als jüngster Spieler, das ist gut so und wenn man 27 Jahre solch einen Rekord hält, reicht das ja auch.

bundesliga.de: Das heißt, Sie sehen es als wichtig an, dass junge Fußballer frühzeitig in der Bundesliga debütieren?

Abramczik: Es kommt darauf an, ob man Talent hat und ob man körperlich schon soweit ist. Dann hängt es auch vom Trainer ab, inwieweit er einen fördert. Mit 17 ist man noch naiv. Ich habe mit Ivica Horvat als Trainer Glück gehabt. Es ist wichtig, dass der Trainer einen führen kann und dann schon mal genau sagt: 'Pass mal auf, stell dich mal so hin, dann verletzt du dich weniger.' Ich glaube, das macht Stevens auch ganz gut.

bundesliga.de: Und lassen Sie sich zum Abschluss doch noch zu einem Tipp hinreißen?

Abramczik: Also ich muss ehrlich zugeben, dass ich am liebsten unentschieden tippen würde. Mein Herz hängt natürlich an beiden Mannschaften, deswegen sage ich 1:1!

Das Gespräch führte Maximilian Lotz