Trotz, Stolz, Galgenhumor

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München - Nach der gerechten Punkteteilung im Spitzenspiel bei Bayer 04 Leverkusen hat sich der Rückstand des FC Bayern München auf die Tabellenspitze erneut vergrößert. 14 Punkte liegt der Rekordmeister nun schon hinter Borussia Dortmund. Doch noch wollen sich die Bayern nicht von ihrem offiziellen Saisonziel, dem Gewinn der Meisterschaft, verabschieden.

Eine eigenartige Stimmung war in den Katakomben der BayArena auszumachen. Die Spieler und Verantwortlichen des FC Bayern taten sich schwer, das 1:1 in Leverkusen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen einzuschätzen.

Van Gaal: Noch immer Chancen auf den Titel

Es war eine merkwürdige Mischung aus Niedergeschlagenheit, Stolz, Trotz, Galgenhumor, Realitätssinn und Optimismus. Und irgendwie hatten alle auch ein bisschen recht mit ihrer Sichtweise. Denn die Situation der Bayern gestaltet sich höchst unübersichtlich, die Medaille weist weit mehr als nur zwei Seiten auf.

So hat Sportchef Christian Nerlinger genauso recht wie Trainer Louis van Gaal. "Von der Deutschen Meisterschaft brauchen wir im Moment nicht reden", schätzt Nerlinger die Gegenwart realistisch ein. "Wir müssen uns erst weiter stabilisieren, weiter Punkte sammeln und uns Schritt für Schritt nach oben arbeiten."

Dem hält der Meistercoach entgegen: "Ich denke, dass wir noch immer eine Chance auf die Meisterschaft haben. Aber Dortmund hat natürlich die größte Chance." Für das im Moment utopisch anmutende Unternehmen hat der optimistische Niederländer schon vor Wochen seinen Masterplan vorgegeben. 30 Punkte müssen es bis zur Winterpause werden, dann erfolgt der bajuwarische Großangriff in der Rückrunde.

"Im Mai werden die Titel vergeben"

Noch sind die Ziele zu erreichen. 20 Punkte haben die seit sechs Bundesliga-Spielen unbesiegten Bayern auf dem Konto, 10 Zähler wollen sie aus den verbleibenden vier Partien gegen Frankfurt, in Schalke, gegen St. Pauli und in Stuttgart noch einfahren. Das erscheint machbar.

"Wir haben November, und im Mai werden die Titel vergeben", sagt Bastian Schweinsteiger trotzig. "Aber wir brauchen nicht über die Meisterschaft sprechen. Wir müssen auf uns selber schauen und versuchen, von Spiel zu Spiel bis zur Winterpause Punkte zu holen. Wir müssen in der Tabelle nach oben klettern."

Das wird schon schwer genug, vor allem dann, wenn die Münchener weiterhin so leichtfertig Punkte verschenken gerade in den Auswärtsspielen. Nur ein Erfolg gelang dem Tabellen-Achten auf fremden Terrain (2:1 in Hofenheim am 5. Spieltag), nur sechs Punkte in sechs Gastspielen stehen zu Buche. Und selbst eine Führung wie in Mönchengladbach oder in Leverkusen verleiht der angeschlagenen Mannschaft keine größere Sicherheit.

"Wir haben durch unsere eigenen Fehler viele Punkte liegen lassen", ärgert sich Bastian Schweinsteiger. "Wir sind unkonzentriert und machen leichte Fehler. So kommt der Gegner zu Toren. Wir mussten auch in Leverkusen als Sieger vom Platz gehen. Es tut weh, wenn man wieder zwei Punkte liegen lässt."

Und diese Nachlässigkeiten summieren sich. Genau genommen auf satte 14 Punkte Rückstand. "Das ist viel, keine Frage", gesteht Bayern-Torjäger Mario Gomez, der auch in Leverkusen seinen guten Lauf mit seinem achten Saisontreffer fortsetzte.

Hoffen auf BVB-Ausrutscher

"Unsere Hoffnung ist, dass Dortmund vielleicht einmal drei, vier, fünf Spiele verliert. Fünf müssen sie ja verlieren", rechnet Gomez vor. "Wir müssen dann fünf gewinnen. Dann sind immer noch zwei Mannschaften vorne, die wir dann auch einholen müssen. Aber wir glauben an uns. Wir haben eine sehr gute Serie hingelegt. Das geht bei den Dortmunder Erfolgen leider ein bisschen unter. Diese Serie wollen wir ausbauen."

Konfrontiert mit der Aussage von Bayern-Ehrenpräsident Franz Beckenbauer ("Nur eine Epidemie kann Dortmund noch stoppen.") versuchte sich Mario Gomez in Galgenhumor: "Wir haben es geschafft, in 13 Spielen 14 Punkte weniger zu holen als Dortmund. Vielleicht können wir das in den nächsten 13 Spielen umdrehen. Dann sind wir pari."

Aber selbst dann wäre der FC Bayern noch lange nicht am Ziel, weil auch ernst zu nehmende Teams wie Mainz oder Leverkusen gegenwärtig weit vor den Bayern rangieren. Es bleibt spannend.

Aus Leverkusen berichtet Tobias Gonscherowski