Am 32. Spieltag begegneten sich Borussia Dortmund und der FC Bayern noch in der Bundesliga - in einem hitzigen Spiel stand es nach 90 Minuten 1:1-unentschieden
Am 32. Spieltag begegneten sich Borussia Dortmund und der FC Bayern noch in der Bundesliga - in einem hitzigen Spiel stand es nach 90 Minuten 1:1-unentschieden

Thierry Marchand: "Zweifel an Bayern"

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München - Am Samstagabend wird im neuen Wembley-Stadion zu London das Finale der Champions League angepfiffen (ab 20:15 Uhr im Live-Ticker). Dass der Titel nach Deutschland gehen wird, steht fest, wird das Endspiel doch von zwei deutschen Mannschaften bestritten. Ein Umstand, um den ganz Fußball-Europa die Bundesliga beneidet.

Auch in Frankreich macht das Duell zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund Eindruck, wie Thierry Marchand, verantwortlich für den internationalen Fußball bei FRANCE FOOTBALL, im Interview mit bundesliga.de verrät.

Marchand hält das gute Abschneiden der deutschen Clubs im Europapokal für mehr als eine bloße Momentaufnahme und erklärt, warum trotz der guten Leistungen auch der Weltfußballer 2013 wohl aus der Primera Division kommen wird.

bundesliga.de: Monsieur Marchand, wie beurteilen Sie diese Champions-League-Saison?

Thierry Marchand: Ich habe viel Spaß gehabt. Es gab viele Spiele mit zahlreichen Toren und die Qualität war fast immer vorhanden. Nichtsdestotrotz kann ich mich nicht an eine bestimmte Partie erinnern, die in die Geschichte einging. Ich finde, dass die Champions-League-Kampagne 2011-2012 spannender war, u.a. mit gigantischen Partien zwischen Chelsea und dem SSC Neapel im Achtelfinale sowie die Dramaturgie im Halbfinale bei Chelsea gegen Barca und im Finale zwischen Bayern München und Chelsea. Aber im Großen und Ganzen bleibt die Qualität der Spiele hoch und die Art und Weise wie beide spanischen Top-Teams im Halbfinale ausgeschieden sind war überraschend. Ich habe das Gefühl, dass Barcelona nicht mehr die Nummer eins ist und dass kein Engländer im Viertelfinale vertreten war, ist auch ein Zeichen. Der große Gewinner ist die Bundesliga.

bundesliga.de: Begrüßen Sie, dass zwei Teams aus der Bundesliga im Champions-League-Finale stehen?

Marchand: Absolut, ich bin völlig begeistert. Viele Leute in Frankreich unterschätzen noch das Kollektiv von Borussia Dortmund, wahrscheinlich, weil es dort keine Top-Stars gibt. Mir gefällt vor allem Jürgen Klopp, der mindestens genauso charismatisch ist wie Mourinho, wenn nicht mehr, weil er sympathischer wirkt. Diese Mannschaft wurde in den letzten Jahren immer stärker. Diese Saison hat sich der BVB eher auf den Europapokal fokussiert. Und die Bayern treten seit mehreren Jahren wie ein Monster auf. Sie sind noch stärker als in der vergangenen Saison. Ich bin nicht besonders überrascht, dass wir ein reines Bundesliga-Endspiel haben.

bundesliga.de: Ist das nur eine Momentaufnahme oder glauben Sie, dass die Bundesliga in den kommenden Jahren in der Champions League die Hauptrolle spielen wird?

Marchand: Die Bundesliga-Teams werden weiterhin die Hauptrolle spielen. Bayern hat nun zum dritten Mal in vier Jahren das Endspiel erreicht. Das ist alles andere als ein Zufall. Vor zwei Jahren stand auch Schalke 04 im Halbfinale und diese Saison im Achtelfinale. Nächste Saison werden wir die vier besten Bundesliga-Vereine mit den Bayern, Dortmund, Bayer Leverkusen und Schalke 04 in der Champions League haben. Es erinnert mich an die Dominanz der Engländer vor circa zehn Jahren. Diese Teams dominieren die Bundesliga und sie sind regelmäßig international vertreten. Zwar hat kein Bundesliga-Team mehr seit 2001 den Europapokal gewonnen, aber fast jedes Jahr stand eine deutsche Mannschaft im Halbfinale. Vielleicht wird dieser Durchbruch dazu führen, dass andere deutsche Clubs europäische Titel holen.

bundesliga.de: Kann ein Bayern- oder ein Dortmund-Spieler im Januar 2014 den Ballon d'Or, den Sie mit der FIFA zusammen organisieren, gewinnen?

Marchand: Ich befürchte, dass eher wieder Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo gewinnen wird, außer ein Arjen Robben oder ein Franck Ribery bestreiten ein unglaubliches Finale. Aber die Chancen sehe ich gering. Beim BVB sind die Chancen noch kleiner. Im besten Fall sehe ich einen Bayern-Spieler oder einen Dortmunder auf dem Podium, mehr aber nicht. Das Problem der deutschen Teams: Es gibt keinen Top-Star, sondern eher das Kollektiv ist der Star, genauso wie in der deutschen Nationalmannschaft.

bundesliga.de: Was für ein Finale kann man erwarten?

Marchand: Beide Teams werden ihr normales Spiel spielen und ich denke nicht, dass sie durch die Brisanz dieser Partie gehemmt werden. Bayern gilt als Favorit, aber die einzige Mannschaft, die den Bayern in ganz Europa weh tun kann, ist Borussia Dortmund. Seit drei Jahren hat der BVB gegen die Münchner in der Bundesliga nicht mehr verloren. Das ist kein Zufall. Der BVB weiß, wie man Bayern bezwingt. Bayern hat bessere Einzelspieler, aber der BVB kann die Sensation schaffen. Seit der Nachspielzeit gegen Malaga im Viertelfinal-Rückspiel ist in den Köpfen der BVB-Spieler was passiert. Da herrscht eine gewisse Euphorie. Vor allem hat diese Mannschaft nichts zu verlieren. Was die Bayern betrifft habe ich leichte Zweifel, denn in den entscheidenden Momenten treten sie immer wieder enttäuschend auf. Das beste Beispiel ist das Finale vor einem Jahr zuhause. Gegen Juve und Barca waren die Bayern unglaublich. Aber sie können auch mental manchmal nicht auf der Höhe sein. Mental ist Dortmund stärker und das könnte entscheidend sein. Aber egal: Der Champion 2013 wird ein fantastischer Sieger sein.

Das Gespräch führte Alexis Menuge