Markus Babbel (l.) trat im Herbst 2008 beim VfB die Nachfolge von Armin Veh an
Markus Babbel (l.) trat im Herbst 2008 beim VfB die Nachfolge von Armin Veh an

Statistisch Spitzengruppe, faktisch Abstiegskampf

xwhatsappmailcopy-link

Der VfB Stuttgart mischt in der Spitzengruppe der Bundesliga mit - allerdings nur in der Statistik. Was die Schwaben in Sachen Zweikampfführung, Passspiel und Chancen-Erarbeitung abliefern, ist exquisit.

Die Crux an der Sache: Zählbares springt nicht heraus. Mit acht Punkten trennt den VfB nur noch das Torverhältnis von einem Abstiegsplatz.

"Die Tabelle lügt nicht"

Der angestrebte Startplatz im internationalen Geschäft ist in weite Ferne gerückt. Anstatt Bayern, Hamburg, Schalke und Leverkusen heißen die direkten Konkurrenten Gladbach, Nürnberg und Bochum. Anders gesagt: Die Realität heißt Abstiegskampf. "Das muss die Mannschaft auch so annehmen", sagt Vorstand Horst Heldt. "Wir müssen von nichts anderem träumen, denn die Tabelle lügt nicht."

Beim war das Phänomen erneut zu beobachten. 14:5 Torschüsse und knapp 60 Prozent Ballbesitz zugunsten der Schwaben zeugen von einer überlegen geführten Partie. Doch am Ende feierte Hannover drei Punkte.

In der Champions League gegen den FC Sevilla unter der Woche war die Situation ähnlich: Stuttgart spielte über weite Strecken auf Augenhöhe mit dem spanischen Starensemble. Doch am Ende reisten die Andalusier mit einem 3:1 Sieg und drei Punkten heim.

Passsicher und zweikampfstark

Aufwand und Ertrag stehen derzeit in keinem Verhältnis. Das Team von Markus Babbel spielte nach dem FC Bayern ligaweit die meisten Pässe in der gegnerischen Hälfte. Und mit 82,6 Prozent Pässen, die zum Mitspieler kamen, nach den Bayern auch die präzisesten.Beim Ballbesitz sind nur der HSV (56,5 Prozent) und der FC Bayern (63,1 Prozent) dominanter als die Schwaben mit 55 Prozent.

Die Ursachenforschung gestaltet sich angesichts solcher Werte komplexer als bei anderen Clubs, die in der Krise stecken. "Auch wenn es sich bescheuert anhört: Wir müssen genau so weitermachen", sagt Trainer Babbel: "Die Leistungskurve geht nach oben."

Und auch Heldt räumt ein: "Wenn man die Leistungen der Mannschaft in den vergangenen Spielen betrachtet, kann man nicht sagen, dass sie emotions- oder charakterlos agiert." Das mag einer der Hauptgründe sein, warum Babbel weiterhin Rückendeckung genießt. Heldt betont allerdings auch: "Wir benötigen jetzt endlich Ergebnisse."

Erst Fürth, dann das Südderby

Am besten schon am Dienstag: Da spielt der VfB im DFB-Pokal-Achtelfinale bei der SpVgg Greuther Fürth. Am kommenden Wochenende treten die Stuttgarter dann zuhause im Südschlager gegen den FC Bayern an.

Babbel braucht nun den kurzfristigen Erfolg - und neue Ideen, um das lahmende Offensivspiel zu beleben. Denn dort liegt die offensichtlichste Problemzone der Schwaben: Allerdings weniger beim Herausspielen von Möglichkeiten als im Abschluss selbst. 139 Mal schoss der VfB in dieser Saison schon aufs gegnerische Tor - nur sechs Teams gaben mehr ab - doch nicht einmal jeder zehnte Schuss saß.

"Den Knoten platzen lassen"

Die VfB-Angreifer knipsen schlicht zu selten. Auch die Abkehr vom 4-4-2-System mit "Doppelsechs" in den vergangenen Partien löste dieses Problem nicht. Nachwuchsmann Julian Schieber ist mit drei Toren noch der erfolgreichste Torschütze. Pavel Progrebnyak (2 Tore) ist nach ordentlichem Start aus dem Tritt gekommen. Der momentan verletzte Cacau (1 Tor) sucht noch nach der Form der Vorsaison. Zum Vergleich: In der vergangenen Spielzeit hatte allein Mario Gomez, mittlerweile beim FC Bayern, nach zehn Spieltagen fünf Treffer und zwei Assists auf dem Konto.

"Jetzt gilt es, sich mal zu belohnen und den Knoten platzen zu lassen", sagt Babbel. Es ist ein gordischer Knoten, den es schnell zu lösen gilt. Denn der Anspruch beim VfB ist die Spitzengruppe der Liga - nicht nur in der Statistik.

Andreas Messmer