Symptomatisches Bild: Cristiano Ronaldo dreht jubelnd ab - die Bayern-Stars sehen zu, wie der Ball im Tor landet
Symptomatisches Bild: Cristiano Ronaldo dreht jubelnd ab - die Bayern-Stars sehen zu, wie der Ball im Tor landet

Statisten in königlicher Nacht

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München - Für die große Show waren die Bayern am Dienstagabend nur vor dem Spiel gegen Real Madrid zuständig. Der FCB-Anhang empfing seine Stars mit einer prächtigen Choreographie. Mit farbigen Folien zauberten die Fans das Motto "Immer weiter" in großen Lettern auf die Nordkurve, auf der Südkurve war der Henkelpott zu sehen und die Gegentribüne zierte ein überdimensionales FCB-Logo.

Guardiola gesteht Fehler ein

Wenig später sorgten für Unterhaltung andere - zumindest auf dem Rasen. Die große Show lieferten nach Anpfiff nur noch die Gäste aus Madrid. Cristiano Ronaldo und Co. fügten dem Titelverteidiger eine denkwürdige 0:4-Niederlage zu. Eine Pleite, die nachwirken wird. "Natürlich wird etwas hängenbleiben", sagte Trainer Pep Guardiola. Als "enttäuscht und traurig" beschrieb er seine Gemütslage nach dem geplatzten Triple-Traum.

Der Katalane nahm die Niederlage persönlich - und auf seine Kappe. "Es war ein Riesenfehler des Trainers", gestand der 43-Jährige nach der Partie ein. Mit Taktik und Personalwahl lag der Spanier gegen das Ensemble von Carlo Ancelotti an diesem Abend daneben. Trotz 65 Prozent Ballbesitz und 9:3 Ecken gefährdeten seine Spieler das Tor von Iker Casillas nur selten. Das Spiel erinnerte stark an das Halbfinale vor einem Jahr, als die Bayern unter Jupp Heynckes den FC Barcelona mit 4:0 vorgeführt hatten - nur dieses Mal mit den Münchnern in der Verliererrolle.

Real erspielte sich in beiden Spielen die besseren Chancen - und nutzte diese gnadenlos effizient. Vier Tore resultierten aus 13 Torschüssen. Die Bayern gaben je 17 Torschüsse ab. Doch Großchancen? Fehlanzeige!

Die kamen gar nicht zustande, weil es die Münchner zu häufig mit Flanken ins Zentrum probierten, wo sich Mario Mandzukic gegen Reals Innenverteidiger aufrieb.Bezeichnend, dass der kleine und wendige Mario Götze kurz nach seiner Einwechslung die beste Bayern-Chance hatte. Der kantige Mandzukic blieb in beiden Spielen ohne Torschuss und gewann in München ganze drei seiner zehn Zweikämpfe. Denn bei Real räumten Pepe und Doppeltorschütze Ramos (16., 20.) überragend ab. Pepe gewann in München 18 von 21 Zweikämpfen, Ramos zehn von zwölf Duellen. 

Im System gefangen?

Eine positive Zweikampfbilanz bei den Bayern hatte aus der Startelf im Rückspiel nur David Alaba. "Wir haben unser Spiel viel zu offen gestaltet", analysierte Kapitän Philipp Lahm.

Es überraschte, dass Guardiola den kopfball- und zweikampfstarken Javi Martinez erneut 45 Minuten auf der Bank schmoren ließ. Der Spanier gewann nach seiner Einwechslung alle sieben Zweikämpfe. Die Präsenz des 1,90-Hünen hätte den Bayern auch bei Standardsituationen gut zu Gesicht gestanden.

Guardiola setzte lieber auf den spielstärkeren Toni Kroos und opferte damit möglicherweise Kompaktheit für Ballkontrolle. Kroos hatte im Hinspiel 133 Ballkontakte und im Rückspiel sogar 138, leitete mit seinen 271 Aktionen aber keine torgefährliche Szene ein. Und wenn Real konterte, fehlten sowohl Kroos als auch seinem Nebenmann Schweinsteiger die Dynamik, um die pfeilschnellen Stars Gareth Bale und Ronaldo zu bremsen. "Wir haben nicht mit den Spielern auf den Positionen gespielt, wo wir sie brauchen", meinte Guardiola. "Das hier ist das höchste Niveau Europas, hier werden solche Fehler sofort bestraft."

Einbruch nach der frühen Meisterschaft

Es waren allerdings Fehler, die vor wenigen Monaten noch undenkbar schienen, als alle Welt nur von den Rekord-Bayern schwärmte. Ihren Rhythmus verloren haben die Bayern nach der gewonnenen Meisterschaft im März. Nach dem meisterschaftsentscheidenden 3:1 in Berlin absolvierten die Bayern noch zehn Pflichtspiele - dabei holten sie mit häufig veränderter Formation vier Siege, zwei Remis und kassierten vier Niederlagen. Nur in einem dieser zehn Spiele fingen die Münchner kein Gegentor. Auffällig dabei die Konteranfälligkeit: In sechs der letzten zehn Pflichtspiele setzte es je einen Kontergegentreffer.

"Es ist Tatsache, dass uns zu diesem Zeitpunkt ein bisschen die Form abhanden gekommen ist", gestand Thomas Müller ein, der in der frühen Meisterschaft aber nicht den Grund für die zwei frühen Gegentreffer sah (zum Interview). Ist nach dem bitteren Aus nun das ganze Jahr ruiniert? Auf keinen Fall, darin waren sich Müller und seine Teamkameraden einig. "Wenn wir das Pokalfinale gewinnen sollten, haben wir auf dem Papier eine exzellente Saison gespielt", sagte der 24-Jährige. Arjen Robbens pragmatische Lösung: "Akzeptieren, weinen, nach Hause gehen. Dann geht’s wieder weiter." Immerhin ist noch das Double möglich. Am 17. Mai in Berlin können die Münchner gegen Dortmund vor großer Kulisse ihre überragende Bundesliga-Saison krönen.

Am Dienstag allerdings gehörte die große Bühne bis zum Schluss anderen. Doppeltorschütze Cristiano Ronaldo (34., 89.) stolzierte um kurz nach 23 Uhr im feinen Zwirn durch die Interviewzone in Richtung Mannschaftsbus, wo ihn hunderte kreischende Fans  empfingen. Ein Hiwi trug ihm den mit glitzernden Klunkern besetzten Rucksack hinterher. Ein paar Meter weiter standen ein paar verbliebene FCB-Profis zerknirscht den Journalisten Rede und Antwort. Ronaldo würdigten sie keines Blickes. Von königlicher Unterhaltung hatten sie an diesem Abend genug.

Aus München berichtet Andreas Messmer