Markus Gisdol spielte mit 1899 Hoffenheim die zweitbeste Saison seit dem Aufstieg
Markus Gisdol spielte mit 1899 Hoffenheim die zweitbeste Saison seit dem Aufstieg

Spektakulär sorgenfrei

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Sinsheim - Die Ansprüche werden kleiner, wenn man wie 1899 Hoffenheim sich in der letzten Saison erst am letzten Spieltag in die Relegation gerettet hat und erst in den Entscheidungsspielen gegen den Zweitligadritten 1. FC Kaiserslautern den Erstligaerhalt feiern durfte.

Bolzplatzmäßige Naivität

Dieser stand diesmal schon relativ früh in der Rückrunde fest, das Ziel, eine "sorgenfreie Saison" zu spielen, wurde am Ende souverän erreicht. Und durch ihre offensive Spielweise gewann die Mannschaft von Trainer Markus Gisdol ihre Anhänger wieder zurück, der Zuschauerschnitt stieg um 750 Zuschauer im Durchschnitt pro Partie auf 26.900 an.

Trainer Gisdol nahm das erfreut zur Kenntnis und bilanzierte: "Die Mannschaft hat einen eigenen Charakter entwickelt, der viel mit Herzblut und Leidenschaft zu tun hat. Wir spielen mutigen Fußball. Soweit ich das beurteilen kann, ist das bei den Leuten gut angekommen." Das Wort "Spektakel" wurde immer wieder in Verbindung mit Spielen der TSG gebraucht, das kuriose Torverhältnis von 72:69 zeigt deutlich die Stärken und die Schwächen dieser jungen Mannschaft: Spielt die Mannschaft nach vorne mit großer Energie und viel Spielwitz, so verteidigt sie mitunter zu sorglos, und verliert Bälle zu leichtfertig im Spielaufbau.

Diese bolzplatzmäßige Naivität ließ die Anhänger trotz des großen Offensivpotenzials nach der Vorrunde noch bang nach hinten blicken. Mit nur 18 Punkten rangierte die Mannschaft nach der Hälfte der Spielzeit nur vier Punkte besser als der SC Freiburg auf Relegationsrang 16. Doch auch das Ziel, mehr Balance zwischen Offensive und Defensive herzustellen, gelang, die Ergebnisse gerieten weniger eishockeyhaft wie in der Vorrunde (wie zum Beispiel das 4:4 gegen Werder Bremen).

Youngster machen den nächsten Schritt

Das lag auch am Lernprozess junger Defensivspieler wie beispielsweise dem erst 18-Jährigen Niklas Süle in der Innenverteidigung, der sich im Verlauf der Runde immer mehr stabilisierte - so wie die ganze Mannschaft. Ähnlich wie Süle machten auch Sebastian Rudy, 24, und Tobias Strobl, 23, einen weiteren Sprung in ihrer Entwicklung. Offensivspieler Kevin Volland, 21, spielte sich sogar in den vorläufigen WM-Kader von Bundestrainer Joachim Löw und Roberto Firmino in das Notizbuch von Brasiliens Nationalcoach Luiz Felipe Scolari.

Die schnelle Entwicklung zu einer Mannschaft, die begeistert und noch Hoffnung auf Verbesserung bei den Anhängern weckt, ist umso erstaunlicher, wenn man die Saison davor mitbewertet. Coach Gisdol rettete als vierter Trainer in zwölf Monaten die Mannschaft vor dem Abstieg und hatte zu Beginn der abgelaufenen Runde noch über 40 Spieler im Kader, mit vielen wollte er nicht mehr zusammenarbeiten.

Gisdol geht seinen Weg

Die sogenannte "Trainingsgruppe 2" mit prominenten Profis wie Tim Wiese, Eren Derdiyok oder Tobias Weis machte Schlagzeilen. Doch Gisdol ging den eingeschlagenen Weg der Verjüngung und der offensiven Spielweise konsequent und mit "Demut". Auch Rückschläge ließen Gisdol nie an seinem Weg zweifeln. Lediglich auf der Torwartposition konnte sich der Belgier Koen Casteels nicht klar als Stammtorwart behaupten, am Ende zog er sich einen Wadenbeinbruch zu.

Die Zugänge zeigten ihr Potenzial, Stürmer Anthony Modeste war mit zwölf Treffern erfolgreich, musste sich aber dem Konkurrenzkampf mit Sven Schipplock stellen. Die beiden, aus Skandinavien gekommenen Mittelfeldspieler Tarik Elyounoussi (Norwegen) und Jiloan Hamad (Schweden) müssen sich hingegen noch an die Wettkampfhärte der Bundesliga gewöhnen. Die Grundlage aber, um noch stabiler zu werden, haben die beiden und die Mannschaft in dieser sorgenfreien Saison gelegt - immerhin spielte die TSG mit 44 Punkten ihre zweitbeste Saison, seit dem Aufstieg vor sechs Jahren.

Tobias Schächter