Beim ausgeschiedenen Titelverteidiger Spanien deutet sich ein Umbruch an. Bayerns Javier Martinez (l.) soll eine noch wichtigere Rolle spielen
Beim ausgeschiedenen Titelverteidiger Spanien deutet sich ein Umbruch an. Bayerns Javier Martinez (l.) soll eine noch wichtigere Rolle spielen

Spanien-Aus: Nach der Schmach folgt der Umbruch

xwhatsappmailcopy-link

Rio de Janeiro - Am 18 Juni um 22:45 Uhr war es amtlich: Die große "Seleccion" hat sich vorzeitig und völlig unerwartet aus dem WM-Turnier verabschiedet (Spielbericht). Die Titelverteidigung war die größte sportliche Herausforderung dieser goldenen Generation. Jeder Spieler wusste, dass ein Ausscheiden im Bereich des Möglichen war - das Aus nach den ersten beiden Gruppenspielen war allerdings keine Option.

WM-Kader im Fokus der Kritiken

Wäre man zum Beispiel im Viertel- oder Halbfinale gegen einen starken Gegner rausgeflogen, so wäre der Abgang um einiges schmerzloser gewesen. Die renommierte spanische Tageszeitung "El Pais" vergleicht die größte Blamage der spanischen Nationalmannschaftsgeschichte mit dem Untergang der Titanic. Und es ist auch etwas Wahres daran.

Die Iberer haben den Weltfussball in den letzten Jahren dominiert, auch im Nachwuchsbereich. Aus diesem Grund stellt das WM-Aus jetzt plötzlich vieles in Frage, insbesondere was die Kaderplanung und die Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft betrifft.

Schon im Vorfeld der WM hatten viele Medien und Experten einen Umbruch im Kader verlangt - speziell nach der 0:3-Niederlage im Confederationscup vor einem Jahr gegen Brasilien. Das war bereits ein Warnzeichen. Spanien konnte in diesem Finale sowohl körperlich als auch vom Tempo her nicht mit der brasilianischen "Selecao" mithalten. Parallel dazu hatte Spanien wenige Monate davor die U21-Europameisterschaft in Israel gewonnen, bei der auch Deutschland mit 1:0 geschlagen wurde.

Bei diesem Turnier stach insbesondere ein Spieler heraus auf den Vicente del Bosque verletzungsbedingt nicht zurückgreifen konnte: Bayern Münchens Mittelfeldstar Thiago Alcantara. Hätte sich der Sohn von 94er Weltmeister Mazinho nicht in der Endphase dieser Bundesligasaison verletz, wäre er sicher auf den WM-Zug aufgesprungen. Von dieser neuen Spieler-Generation nahm del Bosque letztlich nur Koke (Atletico Madrid) und als dritten Torwart David de Gea (Manchester United) mit.

Ende der Erfolgs-Generation?

Geforderte Akteure wie der Ex-Leverkusener Daniel Carvajal, Isco (beide Real Madrid), Alberto Moreno vom Europaleaguessieger FC Sevilla oder Christian Tello vom FC Barcelona wurden nicht berücksichtigt. Del Bosque hatte, abgesehen von wenig Veränderungen, dem Kader vertraut, der ihm innerhalb von zwei Jahren sowohl den WM- als auch den EM-Titel bescherte. Ob die "Seleccion" mit den jungen Wilden der U21 in den ersten beiden Spielen besser abgeschnitten hätte?

Diese Frage stellt sich jetzt ganz Spanien. Eines steht jedenfalls schon fest: Dieser Tiefschlag wird einige der heiligen Kühe wie Xavi, Xabi Alonso oder vielleicht sogar Iker Casillas treffen. Fans und Presse erwarten einen radikalen Umbruch beim noch aktuellen Weltmeister.

Umbruch mit Javier Martinez

Die einheimischen Medien hatten bereits nach der 1:5-Blamage im Auftaktspiel gegen die Niederlande förmlich nach Javier Martinez geschrien. Der Defensivmann von Bayern München sollte gegen Chile auflaufen und den schwächelnden Gerard Pique vom FC Barcelona ersetzen. Del Bosque, kein großer Freund von Rotationen, setzte tatsächlich auf den FCB-Star. Gegen die Chilenen sah man den Münchner bemüht und engagiert, doch auch er konnte die 0:2-Niederlage nicht verhindern.

Trotzdem: Martínez wird im Hinblick auf die nächsten Aufgaben in der Nationalmannschaft mehr Verantwortung übernehmen, mit seinen 25 Jahren hat er seine besten Fußballerjahre noch vor sich. Fraglich ist eigentlich nur, ob er als Manndecker oder im defensiven Mittelfeld agiert. Dieser Umbruch wird auch mit seinem Vereinskollegen Thiago Alcantara über die Bühne gehen - ganz unabhängig davon, wer der mögliche Nachfolger des jetzt angeschlagenen Vicente del Bosque wird.

Neuer Trainer, neue Hoffnung

Die Spatzen pfeifen es nämlich schon von den Dächern: Vicente del Bosque wird nach dem letzten Gruppenspiel gegen Australien zurücktreten und sein Amt zur Verfügung stellen. Auch wenn der Abgang unrühmlich ist: Niemand auf der iberischen Halbinsel kann dem Meistertrainer seine Meriten nehmen, selbst seine Kritiker werden nie vergessen, was der auch zweifache Championsleaguesieger mit Real Madrid für die spanische Nationalmannschaft geleistet hat. Del Bosque, so wird spekuliert, soll dem spanischen Verband RFEF als technischer Direktor oder Nationalmannschaftsmanager erhalten bleiben.

Die "Seleccion" braucht nach der Schmach vom Maracana-Stadion einen neuen Hoffnungsträger mit neuen Ideen und neuen Spielern. Die Spekulationen um die Nachfolge von del Bosque werden schnell beginnen. Sicher ist nur, dass Verbandspräsident Angel Maria Villar einen spanischen Trainer installieren wird.

Miguel Gutierrez