Trotz des Sieges gegen Augsburg ist bei Schalke nicht alles gut, besonders nicht für Kevin-Prince Boateng (© Imago)
Trotz des Sieges gegen Augsburg ist bei Schalke nicht alles gut, besonders nicht für Kevin-Prince Boateng (© Imago)

Sorgenfalten trotz Sieg

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Gelsenkirchen - Der Trainer stolz, die Spieler erleichtert - und doch ist auch nach dem nicht alles eitel Sonnenschein beim FC Schalke 04. Die Stimmung macht Sorgen. "Wenn man nicht so spielt wie Barcelona oder Bayern, dann wird es immer ein bisschen kritisch", hat Kevin-Prince Boateng nach dem Spiel fast launig angemerkt. Doch so richtig lustig findet die Situation eigentlich niemand.

Anspruch und Wirklichkeit

Am lautesten wurde es am Samstagnachmittag in der Arena auf Schalke, als auf dem Anzeigenwürfel der Zwischenstand aus Mönchengladbach eingeblendet wurde: Gladbach 1, Dortmund 0. Das feierten die Zuschauer nahezu enthusiastisch - und fast ausgelassener als die Tore des eigenen Teams. Das waren am Ende gegen den FC Augburg zwar gleich vier Stück, doch selbst das konnte die Anhänger nicht komplett zufrieden stellen.



Es ist die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die in den Pfiffen der eigenen Fans zum Ausdruck kommt. Auf Augenhöhe mit dem BVB wollte Schalke sich vor der Saison gern sehen, doch weder tabellarisch noch spielerisch kann man diesen eigenen Vorgaben nachkommen. International läuft es gut, doch in der Bundesliga fehlt die Konstanz und mitunter auch die Qualität.

Siege allein wie gegen Augsburg sind kein Allheilmittel, weil die Zuschauer zurecht mehr erwarten. Die Mannschaft aber lebt noch zu sehr von den Ideen eines Boateng, Draxler oder Farfan. Im Kollektiv mangelt es offensiv oft an konstruktivem, druckvollem Spiel, zudem entstehen defensiv immer wieder Lücken.

Draxler: "Mit dem Kopf noch nicht am Platz"



Gegen Augsburg wäre das beinahe schief gegangen, weil die Gäste in der Anfangsphase schwungvoller, mutiger und zielstrebiger zu Werke und folgerichtig auch in Führung gegangen waren. "Da waren wir wieder unkonzentriert", merkten Marco Höger und Roman Neustädter fast unisono an. Oder um es mit Julian Draxler zu sagen: "Da waren wir mit dem Kopf noch nicht auf dem Platz."

Das hatte erstmals Unmut auf den Rängen provoziert. Der keimte später wieder auf, weil es die Schalker nach dem frühen Augsburger Platzverweis selbst 75 Minuten lang in Überzahl und mit einer 2:1-Führung im Rücken nicht schafften, den Gegner und das Spiel klar zu dominieren. "Wir waren ein Mann mehr und haben kein berauschendes Spiel gemacht", musste auch Sportvorstand Horst Heldt eingestehen.

Pfiffe ärgern Höger



Zwar erspielten sich die Blau-Weißen am Ende 70 Prozent Ballbesitz, doch die Produktivität blieb sehr überschaubar. 13:10 Torschüsse, 2:3 Ecken und 12:14 Flanken und Standards sprechen eben keine deutliche Sprache. Dass Kevin-Prince Boateng mit Knieproblemen schon nach 68. Minuten den Platz verlassen hatte und trotzdem die meisten Torschüsse verbuchte (3), passt ins Bild. Das Umschaltspiel war zu schwerfällig, die Angriffsversuche blieben oft uninspiriert - Schalke tat sich schlicht und ergreifend schwer.

Dass mussten zwar auch die Spieler zugeben, doch mit der kritischen Haltung des Publikums wollten sie sich so gar nicht anfreunden. "Dass die Fans am liebsten Offensivfußball sehen wollen, ist klar. Aber du musst auch mal hinten herum spielen", meinte Benedikt Höwedes. Marco Höger wählte im Gespräch mit bundesliga.de noch deutlichere Worte: "Über die Pfiffe ärgern wir Spieler uns schon. Damit sind wir ganz bestimmt nicht einverstanden. Offen gesagt, kommt das unten bei uns sehr schlecht an. Teilweise ist es schlicht unverständlich."

Keller sieht es pragmatisch



Horst Heldt bemühte sich im Disput um Schadensbegrenzung und stellte lieber das Ergebnis in den Mittelpunkt. "Es war sicher kein Zauberfußball, aber was hängen bleibt, das ist eine erfolgreiche Woche mit zwei Siegen. Und das zählt!" Christian Keller merkte zudem im Sinne seines Teams entschuldigend an, "dass man nicht vergessen darf, dass die Mannschaft jetzt in 20 Tagen sieben Spiele absolviert hat, dass wir nicht so viele Wechselmöglichkeiten haben und dass die Mannschaft unter enormem Druck stand."

Außerdem, so wollte der Trainer wohl klar machen, könnte man sich auch einfach mal über ganz andere Sachen freuen. Er jedenfalls sei stolz gewesen, dass "wir am Ende der Partie fünf Spieler aus dem eigenen Nachwuchsbereich auf dem Rasen hatten." Dass sich aus diesem Quintett mit Höwedes, Draxler, Meyer, Kolasinac und Ayhan kurz vor dem Abpfiff der erst 18-jährige Max Meyer erstmals als Bundesliga-Torschütze feiern lassen konnte, war ein zusätzliches Schmankerl. Und zumindest der Youngster war mit sich und der Schalker Welt restlos zufrieden: "Das macht mich überglücklich - es kann eigentlich keinen schöneren Tag geben!"

Aus Gelsenkirchen berichtet Dietmar Nolte