Lucien Favre übernahm die Gladbacher im Februar 2011 auf Tabellenplatz 18
Lucien Favre übernahm die Gladbacher im Februar 2011 auf Tabellenplatz 18

So knackt man die Bayern

xwhatsappmailcopy-link

München - Was haben Lucien Favre, Jürgen Klopp, Mirko Slomka und Thomas Tuchel gemeinsam? Alle vier gehören der Gattung "Konzepttrainer" an, und alle vier haben in dieser Saison mit ihren Mannschaften den FC Bayern geschlagen. Purer Zufall? Keineswegs: Bei allen fünf Saisonniederlagen des Rekordmeisters verfolgten die gegnerischen Teams eine vergleichbare Taktik. Gladbach lieferte beim eine Blaupause, wie der FC Bayern zu knacken ist.

Die Gladbacher Viererkette verteidigte hoch und machte die Räume im Mittelfeld eng. Durch konsequentes Verschieben bei gegnerischem Ballbesitz ließen die "Fohlen" kaum Steilpässe auf die torgefährlichen Außenbahnspieler Robben und Kroos zu. Und leistete sich ein Bayern-Spieler bei der resultierenden Querpass-Orgie einen Fehler, wie etwa Arjen Robben vor dem 0:2, spielten die Hausherren schnell und vertikal die in die Spitze, wo die flinken Marco Reus und Patrick Herrmann lauerten ().

Kein Gegenmittel

Für dieses taktische Rezept erntete Lucien Favre Schulterklopfer von allen Seiten. Und ein Sonderlob vom gegnerischen Coach: "Die Borussia hat das hervorragend gemacht, was sie am besten kann: sehr gut organisiert verteidigen und exzellenten Konterfußball spielen", sagte Bayern-Trainer Jupp Heynckes.

Heynckes' Mannen waren zum Rückrundenauftakt weniger an mangelnder Erkenntnis gescheitert, es fehlte ihnen schlicht ein wirksames Gegenmittel. "Die Mannschaft hat in der zweiten Halbzeit alles versucht", erklärte Bayern-Kapitän Philipp Lahm: "Wir haben viel investiert, in Sachen Einstellung kann man uns keinen Vorwurf machen."

Das Geheimnis liegt in der Defensive

64 Prozent Ballbesitz wiesen die Bayern gegen Gladbach auf. Das klingt nach Dominanz, spiegelte sich aber nicht in der Anzahl von Chancen wider. Eine einzige Großchance erspielte sich der FCB im Borussia-Park. Das war auch bei den vier anderen Niederlagen das Manko. Gegen Hannover erarbeiteten sich Mario Gomez und Co. drei, gegen Mainz eine, gegen Dortmund und im Heimspiel gegen Gladbach gar keine Großchance. In den anderen 13 Partien erspielte sich der Tabellenführer insgesamt 45 Großchancen, was 3,5 Möglichkeiten pro Spiel entspricht.

Das Geheimnis des gegnerischen Erfolgs lag vor allem in deren Abwehrarbeit. Alle vier Teams zermürbten die Bayern durch konsequentes Verschieben und Doppeln bei gegnerischem Ballbesitz. Die gefährlichsten Waffen der Bayern, ihre Außenbahnspieler, wichen notgedrungen vermehrt ins Zentrum aus, wo sie wirkungslos blieben.

Das erfordert hohen Laufeinsatz: Bei den fünf Bayern-Niederlagen liefen die Gegner im Schnitt 120,6 Kilometer, während die Bayern 113,6 Kilometer zurücklegten - sieben Kilometer weniger also. Favre hob später nicht umsonst die "fantastische Ordnung" und das "Defensivverhalten einer Top-Mannschaft" hervor.

Offensiv ideenlos nach Rückstand

In die Karten spielte seinem Team die frühe Führung durch Marco Reus nach einem Schnitzer von Manuel Neuer in der 11. Minute. Reus' Tor war der fünfte Gegentreffer in dieser Spielzeit, den die Bayern nach eigenem Ballverlust im Spielaufbau kassierten.

Liegen die Bayern erst einmal hinten, tun sie sich schwer, zurück zu kommen. Lediglich beim drehten die Münchner ein 0:1 noch zu einem Sieg. Bei allen fünf Niederlagen geriet der FC Bayern 0:1 in Rückstand und punktete anschließend nicht mehr.

In Mönchengladbach fanden Heynckes und seine Bayern keine taktische Antwort auf Favres Konzept. Bastian Schweinsteiger und Co. spielten selbst nach dem 0:2 geduldig weiter, mit viel Ballbesitz und der vagen Hoffnung, dass es vorne irgendwann klingeln würde.

Fehlt das kämpferische Element beim FCB?

Ohne ihren gesperrten Freigeist Franck Ribery fiel den Münchnern in der Offensive jedoch wenig Inspirierendes ein. Dabei passte der Einsatz nicht zu den eigenen Ansprüchen nach der "perfekten Vorbereitung" (Schweinsteiger). Mühelos verteidigten die Gladbacher in der zweiten Hälfte, leisteten sich nur sieben Fouls. Mehr war nicht nötig.

Die Bayern warfen sich nicht konsequent in die Zweikämpfe, acht der zehn Feldspieler aus der Bayern-Startelf beendeten die Partie mit negativer Zweikampfbilanz. Philipp Lahm gewann drei Zweikämpfe, Arjen Robben nur zwei. "Wir haben ohne viele Fouls sehr gut verteidigt", stellte Favre später fest (). Im kämpferischen Bereich lagen beim FCB die Defizite.

Trainer-Urgestein Udo Lattek analysierte den Auftritt der Bayern im bundesliga.de-Interview schonungslos: "Sie haben einfach das Potenzial nicht abgerufen", meinte der 77-Jährige und empfahl, was weniger nach "Konzepttrainer" als nach alter Schule klang: "Man muss die Spieler mal richtig zusammenfalten."

Andreas Messmer