Mirko Slomka (r.) schwang von Januar 2006 bis April 2008 das Trainerzepter beim FC Schalke 04
Mirko Slomka (r.) schwang von Januar 2006 bis April 2008 das Trainerzepter beim FC Schalke 04

"Sie können den Balkon ans Rathaus schrauben"

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Nur noch sechs Spieltage in der Bundesliga-Spielzeit 2008/09 und das Titelrennen spitzt sich zu. Fünf Teams haben weiterhin die Chance, am 23. Mai als neuer Deutscher Meister gefeiert zu werden.

Mirko Slomka kennt die nervenaufreibenden Wochen im Schlusspurt einer Saison aus seiner Zeit als Trainer des FC Schalke 04. Der 41-Jährige zog mit den "Königsblauen" aber jeweils den Kürzeren: 2007 wurden sie Vizemeister und ein Jahr später Dritte.

Im Gespräch mit bundesliga.de spricht Mirko Slomka über die Anforderungen auf der Zielgeraden der Meisterschaft und blickt auf die Partie seines Ex-Clubs bei Bayern München am Samstag.

bundesliga.de: Herr Slomka, die entscheidenden Wochen im Titelrennen stehen an. Was müssen die fünf Meisterschaftsanwärter jetzt beherzigen?

Mirko Slomka: Wichtig ist, dass man in den Heimspielen keine Punkte lässt. Zuhause muss man gewinnen. Es ist ein Vorteil für die Bayern, dass sie im Vergleich zur Konkurrenz ein Heimspiel mehr haben. Darüber hinaus geht es darum, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Man darf sich nicht durch mediale Scharmützel oder durch Sprüche von den Gegnern, die zum Saisonende zunehmen, aus der Ruhe bringen lassen. Auch da sehe ich einen Vorteil für die Bayern, weil die wissen, wie man damit umgeht. Als Trainer muss man auf sein Team einwirken und die Mannschaft in der Balance halten.

bundesliga.de: Wie schafft man das?

Slomka: Wir haben es mit Schalke damals nicht geschafft, deswegen kann ich Ihnen das nicht sagen. (lacht) Nein, man muss die Spieler einfach darauf vorbereiten, dass man immer stärker in den Fokus gerät. Man muss ihnen klar machen, dass sie sich nur sachlich äußern und nicht polemisch gegenüber dem Gegner werden dürfen. Die Spieler müssen sich auf die ausstehenden Spiele konzentrieren und dürfen sich nicht durch äußere Einflüsse durcheinander bringen lassen.

bundesliga.de: Gelingt es dem Spitzenreiter VfL Wolfsburg, bis zum Ende oben zu bleiben?

Slomka: Den Wolfsburgern traue ich den Titel zu, weil sie sehr stabil sind. Auch wenn man in den vergangenen Spielen manchmal den Eindruck hatte, dass es auf ein Unentschieden hinausläuft, so waren sie im entscheidenden Augenblick da und schossen das Siegtor. Sie haben eine sehr hohe Qualität im Angriff mit zwei Topstürmern und einen äußerst erfahrenen Trainer Felix Magath. Von mir aus können sie schon damit anfangen, den Balkon ans Rathaus zu schrauben.

bundesliga.de: Wer sind die ärgsten Rivalen?

Slomka: Sehr stabil scheint mir auch der VfB Stuttgart zu sein, zumal er die Spiele derzeit mit einer Leichtigkeit gewinnt. Und Mario Gomez ist in überragender Form und trifft in den wichtigen Momenten. Aber auch die Bayern können es schaffen, weil sie im Titelkampf erfahren sind. Und wenn sie erst mal die Tabellenspitze erobert haben, dann werden sie sich diese nicht mehr nehmen lassen.

bundesliga.de: Viele sehen nach wie vor die Bayern als Topfavoriten. Was ist davon zu halten, wenn der Trainer des Tabellenführers betont, dass er an die Meisterschaft des ärgsten Verfolgers glaubt?

Slomka: Ich bin auch nur Hobbypsychologe, aber ich denke, dass Felix Magath diese Worte mit Absicht wählt, um den Fokus auf sich zu lenken, damit die Mannschaft von den Medien in Ruhe gelassen wird. Ein ganz geschickter Schachzug, weil seine Spieler ja keine so große Erfahrung darin haben, mit der plötzlich gesteigerten Medienpräsenz umzugehen. Ich könnte mir vorstellen, dass er intern der Mannschaft etwas anderes sagt, wie "Ihr seid stark genug" und sie mit Selbstvertrauen vollstopft.

bundesliga.de: Am Wochenende spielt der VfL Wolfsburg in Cottbus, während die Klinsmann-Elf gegen Ihren Ex-Club Schalke antritt. Dürfen sich die "Knappen" beim FC Bayern etwas ausrechnen? In den vergangenen zehn Jahren glückten in München zwei Siege.

Slomka: Mit drei Siegen am Stück haben die Schalker zuletzt genug Selbstbewusstsein getankt, um mit breiter Brust in München anzutreten. Sie müssen sich nicht verstecken. Kevin Kuranyi ist in guter Form und trifft in nahezu jedem Spiel. Die Mannschaft ist zusammengewachsen und ich glaube durchaus, dass Schalke eine Chance hat, etwas Zählbares zu holen.

bundesliga.de: Auch weil die Bayern nicht in Topform sind?

Slomka: Für beide Mannschaften wird es ein richtungweisendes Spiel. Schalke will in den UEFA-Pokal, und der FC Bayern Meister werden. Bei den Bayern ist es klar: Wenn sie die Partie verlieren und Wolfsburg gewinnt, haben sie schon sechs Punkte Rückstand. Und dann würde es bestimmt eine massivere Unruhe geben. Auch die Unsicherheit würde zunehmen.

bundesliga.de: Worauf führen Sie die Unsicherheit beim FCB zurück?

Slomka: Die Bayern hatten große Ziele mit bis zu drei Titeln. Im Pokal und in der Champions League sind sie schon ausgeschieden. Und in dieser Bundesliga-Saison waren sie noch nie Tabellenführer. Das kennt man von den Bayern nicht. Die Kontinuität, die die Bayern sonst auszeichnet, ist in dieser Spielzeit nicht vorhanden, was dazu führt, dass die Sicherheit fehlt. Und solche Ausfälle wie Miroslav Klose kann man nicht so einfach kompensieren.

bundesliga.de: Schalke kommt mit dem Trainertrio Mike Büskens, Youri Mulder und Oliver Reck, das in neun Partien noch ungeschlagen ist. Wie ist eine solche Erfolgsserie zu erklären?

Slomka: Man muss auch auf die Gegner schauen. Jetzt kommt der erste große Prüfstein für die Drei. Und: Sie haben erstmalig fast alle Mann an Bord und müssen Personalentscheidungen fällen, die nicht jedem gefallen werden. Jetzt wird sich zeigen, wie das Trainertrio, das ich persönlich positiv einschätze, funktioniert.

bundesliga.de: Sie selbst waren 2006 in Ihren ersten acht Partien als Schalke-Trainer ungeschlagen geblieben. Bis zum Spiel in München...

Slomka: Ja, das stimmt. Das Spiel haben wir mit 0:3 verloren. Aber ich kann mich auch noch an die Partie erinnern, in der wir durch ein Tor von Ivan Rakitic mit 1:0 in Führung gegangen waren und Chancen zum 2:0 hatten, aber am Ende 1:1 spielten (in der Saison 2007/08, Anmerk. d. Red.). In München ist immer viel möglich, wenn man mutig und entschlossen auftritt.

Das Gespräch führte Thorsten Schaff