Marco Russ gewann seinen wichtigsten Kampf nicht auf dem Platz - © © gettyimages / Maja Hitij
Marco Russ gewann seinen wichtigsten Kampf nicht auf dem Platz - © © gettyimages / Maja Hitij

Köpfe der Saison: Marco Russ - Comeback des Veränderten

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Frankfurt - 39.000 Zuschauer blicken gespannt auf den Rasen der Commerzbank-Arena. Es läuft die Nachspielzeit im Viertelfinale des DFB-Pokals, und wo zuvor über 90 Minuten die Emotionen auf den Rängen hochkochten, sowie die lautstarken Gesänge der Fans in Richtung der Spieler schallten, wird es still im Stadion und das Ergebnis für einen Moment zur Nebensache. Trainer Nico Kovac stehen die Tränen in den Augen und die Zuschauer erheben sich – Marco Russ steht zur Einwechslung bereit! Die Rückkehr eines Veränderten.

Aus der Mitte der Fans

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Exakt 285 Tagen nach seiner Krebs-Diagnose betritt Marco Russ wieder in einem Pflichtspiel den Rasen. Der Befund knapp ein Jahr zuvor ein Schock, doch Russ ließ sich nicht aufhalten. Er ist ein Kämpfer: Auf dem Platz, aber auch im echten Leben. Eine höchst beeindruckende Geschichte und das absolute "Comeback der Saison 2016/17".

Wenn der Sport zur Nebensache wird

Angefangen hat die fußballerische Karriere von Marco Russ beim VfB 06 Großauheim, bei dem der gebürtige Hanauer bis zum elften Lebensjahr von seinem Vater trainiert wurde. 1996 schloss sich der Innenverteidiger der Jugend von Eintracht Frankfurt an. Der Start einer besonderen Beziehung.

Bei den Hessen schaffte er als Eigengewächs den Sprung zum Profi, ist mit seinen 264 Bundesliga-Spielen für die Eintracht längst unter den Top 10 der Spieler mit den meisten Einsätzen der Vereinsgeschichte. Seine Meinung wird im Verein und bei den Fans geschätzt. Russ ist einer von ihnen, der selbst im Fanblock stand. Einer der Spieler, dessen Liebe zum Club für jeden Fan offensichtlich ist und der als Innenverteidiger für Eintracht Frankfurt in jeder Partie mit vollem Einsatz und Kampfgeist dabei war.

Am Vortag des Relegationsspiels gegen den 1. FC Nürnberg im Mai 2016 geschah dann das Unvorstellbare. Bei einer Dopingkontrolle fanden die Ärzte zunächst das Wachstumshormon HCG im Blut, Russ wurde in der Folge eingehender untersucht, es folgte der niederschmetternde Befund: Hodenkarzinom. Innerhalb von wenigen Augenblicken änderte sich alles. Augenblicke, die einen Menschen tief verändern können.

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Marco Russ nahm den bevorstehenden Kampf an. Nur einen Tag nach der Diagnose stand er auf dem Rasen, wollte Mannschaftskollegen nicht im Stich lassen. Dass er ein Eigentor erzielte? Dass er die zehnte Gelbe Karte kassierte? Nebensache! Allein die Tatsache, dass er auf dem Platz stand, zeigt die unglaubliche Charakterstärke von Marco Russ. Das Sportliche rückte in den kommenden Monaten ohnehin in den Hintergrund.

Marco Russ kämpfte sich zurück: Am 28. Februar, im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Arminia Bielefeld, gab er sein Comeback. Standing Ovations, Jubelchöre. Nach einer monatelangen Achterbahnfahrt der Gefühle hat Russ die erste Etappe seines Kampfes gewonnen. Und auch in der Bundesliga kehrte er zurück auf den Rasen: Am 11. März gegen den FC Bayern München. Es folgten drei weitere Bundesliga-Einsätze bis zum Saisonende. Auch im DFB-Pokal-Halbfinale durfte der Rückkehrer ran, erzielte im Elfmeterschießen sogar ein Tor. Und auch wenn Eintracht Frankfurt das Finale in Berlin am Ende gegen Borussia Dortmund verlor: Marco Russ hat im vergangenen Jahr einen viel wichtigeren Kampf gewonnen.

Philipp Grabowski