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Am 10. Mai 2010 bestritt Bernd Schneider in der Leverkusener BayArena sein Abschiedsspiel
Am 10. Mai 2010 bestritt Bernd Schneider in der Leverkusener BayArena sein Abschiedsspiel

"Schweinsteiger war der Beste"

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München - Die WM 2010 ist Geschichte und doch immer noch allgegenwärtig. Mit riesigem Vorsprung wurde die deutsche Nationalmannschaft erst kürzlich zur Mannschaft des Jahres gewählt. Auch wenn es in Südafrika nicht zum Titel gereicht hat, begeisterte das Team von Bundestrainer Joachim Löw die Menschen nicht nur in Deutschland.

Im exklusiven Gespräch mit bundesliga.de blickt der 81-malige Ex-Nationalspieler Bernd Schneider, selbst Vizeweltmeister 2002, auf die ereignisreichen Wochen des Sommers dieses Jahres zurück.

bundesliga.de: Herr Schneider, was war Ihr erster Gedanke, als Sie von der schweren Verletzung und dem WM-Verzicht von Michael Ballack gehört haben?

Bernd Schneider: Ich habe trotzdem für die WM nicht schwarz gesehen. Sicher war Michael Ballack der absolute Leitwolf und Führungsspieler - das hat er oft genug eindrucksvoll bewiesen. Er verfügt über viel Turniererfahrung und hat immer noch sehr viel Qualität. Er ist immer vorneweg gegangen, auch außerhalb des Platzes, und hat auch die unangenehmen Sachen angesprochen. Aber Deutschland war schon immer eine Turniermanschaft. Wenn die Spieler sich über einen längeren Zeitraum auf ein Turnier vorbereiten und sich die Automatismen entwickeln konnten, hat Deutschland immer eine gute Rolle gespielt. Dazu kommt, dass der Bundestrainer sehr akribisch und professionell arbeitet und die Mannschaft topp vorbereitet. Ich war mir sicher, dass wir eine gute Rolle spielen würden.

bundesliga.de: Sie haben Ihre Meinung auch nicht geändert, als sich weitere Verletzungen häuften?

Schneider: Nein, durch die vielen Verletzungen sind die Erwartungen vielleicht ein bisschen gesunken. Aber ich habe trotzdem immer daran geglaubt, dass die Mannschaft mindestens ins Halbfinale kommt.

bundesliga.de: Was hat Sie so optimistisch gemacht?

Schneider: Ich habe das Team beim letzten Vorbereitungsspiel vor dem Abflug nach Südafrika besucht, beim Spiel gegen Bosnien-Herzegowina in Frankfurt. Da habe ich gesehen, dass sie auch mit einem Rückstand umgehen kann. Niemand ist hektisch geworden. Aus solchen Situationen kann man lernen. Das habe ich den Jungs dann auch gesagt.

bundesliga.de: Wie wichtig war der gute Start ins Turnier mit dem 4:0 gegen Australien?

Schneider: Sehr wichtig. Der Start gegen Australien hat mich an unseren Start 2002 erinnert, als wir 8:0 gegen Saudi-Arabien gewonnen haben. Da tankt man viel Selbstvertrauen und belohnt sich für die viele Arbeit im Vorfeld. Und dann schwimmt man auf einer Euphoriewelle. Wir haben damals auch im zweiten Spiel beim 1:1 gegen Irland einen kleinen Rückschlag erlitten und hatten dann unser Endspiel in der Gruppe. 2010 war es genauso. Vor dem Spiel gegen Ghana hatte die deutsche Mannschaft richtig Druck. Manuel Neuer hat dann ein paar Mal ganz stark gehalten, Mesut Özil ein tolles Tor geschossen.

bundesliga.de: Was war der Schlüssel zum Erfolg?

Schneider: Die Geschlossenheit der Mannschaft gepaart mit der Klasse der Spieler. Andere Mannschaften haben mehr individuelle Klasse, aber keine Geschlossenheit. Schauen Sie sich Argentinien an. Da spielten vier bis fünf Spieler vorne, vier oder fünf hinten. Die Mannschaftsteile haben für sich gespielt. Es gab große Lücken im Mittelfeld. Sie waren nicht geschlossen. Das macht ja gerade die Stärke von Spanien aus. Die haben überragende Einzelspieler wie Iniesta, Xabi oder Torres. Aber da beteiligt sich die ganze Mannschaft an der Defensive genauso wie an der Offensive. Da ist sich niemand zu schade, für den anderen mitzuarbeiten. Und wir reden hier von Weltstars, die Stammspieler bei den besten Vereinen auf der Welt sind.

bundesliga.de: Gegen England und Argentinien überragte die deutsche Elf in den ersten K.o.-Spielen. Warum?

Schneider: Bei den 50:50-Spielen hängt immer auch viel von der Tagesform ab. Und man braucht neben der guten Form auch das Quäntchen Glück wie etwa gegen England, als das Tor von Frank Lampard nicht gegeben wurde. Die Taktik war maßgeschneidert. Aber auch die deutschen Tugenden waren gefragt, der absolute Wille. Und dann hat die Mannschaft in den Spielen gegen England und Argentinien im genau richtigen Moment die Tore gemacht und den Gegner gebrochen. Die Leistung war hervorragend, absolut beeindruckend. Die Ergebnisse gegen England und Argentinien gingen auch in der Höhe in Ordnung.

bundesliga.de: Welche deutschen Spieler sind Ihnen bei der WM besonders positiv aufgefallen?

Schneider: Da kann man eine ganze Menge aufzählen, eigentlich jeden. Thomas Müller war natürlich überragend oder Mesut Özil. Ich habe mich auch besonders für Miroslav Klose gefreut, dass der Bundestrainer an ihm festgehalten hat und er das Vertrauen mit Toren zurückzahlte. Arne Friedrich hat eine absolut positive WM gespielt, auch Per Mertesacker, Philipp Lahm oder Sami Khedira.

bundesliga.de: Haben Sie da bei Ihrer Aufzählung nicht einen Spieler vergessen?

Schneider: Nein, nein. Den besten Spieler wollte ich mir bis zum Schluss aufheben: Bastian Schweinsteiger. Er war der Beste, er war der Taktgeber. Er hat das Spiel schnell gemacht, er hat Bälle erobert. Er ist zum absoluten Führungsspieler gereift. Er hat sich sehr positiv entwickelt und die tolle Saison mit Bayern München noch einmal bestätigt. Schweinsteiger hat die entscheidende Rolle gespielt. Er profitierte auch, wie gesagt, von der Euphoriewelle, auf der die Bayern-Spieler geschwommen sind. Egal, wie viele Spiele die Bayern absolvieren mussten, er ist einfach immer weiter und immer mehr gelaufen.

bundesliga.de: Haben Sie damit gerechnet, dass Bundestrainer Löw seine geplatzte Vertragsverlängerung so völlig beiseite schieben und sich nur auf die WM konzentrieren können konnte?

Schneider: Ich kenne Joachim Löw als einen sehr akribisch und konzentriert arbeitenden Menschen, der das ausblenden konnte. Das hat keine Rolle gespielt.

bundesliga.de: Welche WM-Teilnehmer haben Sie enttäuscht?

Schneider: Enttäuscht haben vor allem Frankreich und Italien. Man kann ja verlieren, aber wie sich die Franzosen insgesamt präsentiert haben, war enttäuschend. Auch Brasilien hat nicht überzeugt. Überrascht war ich ein bisschen von den Holländern. Das Halbfinale hätte ich ihnen zugetraut, das Finale nicht.

bundesliga.de: Ist Spanien ein würdiger Weltmeister?

Schneider: Absolut, Spanien ist ein würdiger Weltmeister, keine Frage. Das ist ein Team, bei dem sich die großen Persönlichkeiten eingefügt und in den Dienst der Mannschaft gestellt haben. Sie lassen den Ball sehr gut laufen. Im Halbfinale sind wir immer einen Schritt zu spät gekommen. Das war zermürbend. Und doch hatte Toni Kroos die große Chance zum 1:0 für Deutschland. Aber die Spanier sind schon eine Klasse für sich und nicht von ungefähr auch schon vorher Europameister geworden. Es ist sehr schwer, sie zu schlagen.

bundesliga.de: War für Sie Diego Forlan auch der beste Spieler der WM?

Schneider: Darüber kann man streiten. Es hätten auch Iniesta, Xabi oder Schweinsteiger werden können.

Das Gespräch führte Tobias Gonscherowski