Die Enttäuschung ist groß: Schalke kassierte die zweite Pflichtspielniederlage in Folge. Nach dem 1:6 gegen Real Madrid setzte es gegen...(© Imago)
Die Enttäuschung ist groß: Schalke kassierte die zweite Pflichtspielniederlage in Folge. Nach dem 1:6 gegen Real Madrid setzte es gegen...(© Imago)

Schalke nur Zuschauer im "Theater der Großen"

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München - Leerer Blick, Kopf gesenkt, Frust pur. Die Enttäuschung stand den Schalker Spielern und Verantwortlichen nach der 1:5-Pleite gegen Bayern München deutlich ins Gesicht geschrieben. Vor vier Tagen musste S04 bereits in der Königklasse gegen Real Madrid eine klare 1:6-Niederlage hinnehmen. Die Suche nach den Ursachen für elf Gegentore in zwei Pflichtspielen fällt schwer. Sportvorstand Horst Heldt ist bedient und stellt die Qualitätsfrage.

Boateng: "Ich habe keine Worte dafür"

Zu Beginn der Rückrunde hat man sich in Gelsenkirchen vor Verwunderung noch die Augen gerieben. Nach einer durchwachsenen Hinrunde schien die Mannschaft von Trainer Jens Keller endlich zu funktionieren. Aus fünf Ligaspielen holte Königsblau vier Siege, ein Unentschieden und Platz 4. Die Euphorie vor dem Champions-League-Achtelfinale gegen Real Madrid und dem darauffolgenden Topspiel gegen Bayern München war groß. Zwei Klatschen und elf Gegentore später ist S04 auf den bitteren Boden der Tatsachen gelandet. Die Gewissheit: Schalke ist im "Theater der Großen" lediglich nur Zuschauer.

Gegen Real Madrid offenbarten die Blau-Weißen bereits eklatante Schwächen im Verbund. Von "wehrlos" und "mutlos" war nach der 1:6-Pleite in der Königsklasse die Rede. Gegen Bayern wollte man ein anderes Gesicht zeigen. Dass das Team um Kapitän Benedikt Höwedes nach dem Nackenschlag von Ronaldo und Co. nicht gerade mit breiter Brust zum Tabellenführer fahren würde, lag auf der Hand. Allerdings kam es in München noch dicker.

Schon nach zweieinhalb Minuten landete ein abgefälschter Freistoß von David Alaba im Kasten - Königsblau ergab sich daraufhin dem Ligaprimus. Die weißen Schalker Auswärtstrikots standen stellvertretend für die Machtlosigkeit der Gelsenkirchener. Einzig Keeper Ralf Fährmann war es zu verdanken, dass die Partie nicht zweistellig verloren ging. "Ich habe keine Worte dafür. Es war eine Horrorwoche für uns", zeigte sich Mittelfeldspieler Kevin-Prince Boateng nach dem Spiel geschockt: "Wir waren zu ängstlich in der ersten Halbzeit. Das sind alles noch junge Spieler. Nach einer 1:6-Klatsche ist es nicht einfach, den Schalter einfach umzulegen."

Sportvorstand Heldt kündigt Maßnahmen an

Die zwei Tiefschläge auf die mögliche Unerfahrenheit der Mannschaft zurückzuführen, erscheint bei den gesteckten Saisonzielen der Schalker jedoch zu einfach, zumal die Startaufstellung zum größten Teil aus gestandenen Bundesliga-Spielern bestand. Sportvorstand Horst Heldt fand klare Worte und war bitter enttäuscht: "Wir hatten zu wenig Spieler auf dem Platz, die sich gewehrt haben. Das war mutlos und peinlich. Die Köpfe gingen nach dem ersten Gegentor sofort nach unten. Wir haben uns unserem Schicksal ergeben." Schalkes Manager war sauer und kündigte Maßnahmen an: "Man kann einen Spieler immer greifen. Der Zeitpunkt wird kommen. Als Verein hat man einen guten Hebel."

Welche Maßnahmen das genau seien, wollte er nicht weiter kommentieren: "Das lass ich einfach mal so im Raum stehen." Schon wird der Ruf nach Führungsspielern wieder laut. Davon mochte der S04-Manager aber nichts wissen: "Es ist die Frage, wie man Führungsspieler definiert. Gegen solche Mannschaften müssen alle elf Akteure Topleistung liefern, sonst hast du keine Chance."

Heldt: "Es ist auch eine Qualitätsfrage"

Kevin-Prince Boateng hat diese Rolle beim Revierclub inne, wirkte nach dem Bayern-Spiel aber ratlos: "Ich bin ja nicht alleine auf dem Platz. Natürlich versuche ich die Jungs zusammenzuhalten. Es ist nicht einfach." Ausgerechnet Boateng unterlief zum Schluss ein leichtfertiger Rückpass, der Mannschaftkollege Kyriakos Papadopoulos die Rote Karte bescherte: "Das war ein dummer Fehler von mir. Ich habe mich bei Papa entschuldigt."

Wo aber liegen die Ursachen für die Bruchlandung? Heldt geht in die Tiefe: "Am Ende ist es auch eine Qualitätsfrage." Vorbild sei die akribische Arbeit von Bayern und Real. Der Ex-Profi blickt ein wenig neidisch zu den beiden europäischen Schwergewichten: "Nicht jede Mannschaft hat die Möglichkeit mit Druck zu arbeiten. Die Spieler beim FC Bayern haben jeden Tag Druck. Cristiano Ronaldo schiebt Extra-Schichten im Kraftraum, um seinen Körper zu stählen. Dadurch ist er auch so dynamisch. Das ist pure Arbeit und gehört auch zur Qualität."

Charakterfrage stellt sich auch gegen Hoffenheim

An der nötigen Einstellung fehle es den Knappen jedoch nicht, laut Heldt: "Einem Sead Kolasinac kann ich nicht absprechen, dass er will. Der will immer. Allerdings hatte er vor großen Namen wie Arjen Robben einfach zu viel Respekt. Unsere Aufgabe muss es sein, den jungen Spielern diesen Respekt zu nehmen."

Inwieweit Schalke nun einen Knacks bekommen hat, bleibt abzuwarten. Die anstehende Länderspielpause macht die Situation nicht einfacher. "Es ist natürlich alles andere als hilfreich, dass die Hälfte der Mannschaft jetzt zur Nationalmannschaft fährt. Aber das müssen wir jetzt annehmen", fordert Heldt. Boateng würde sogar "am liebsten gar nicht zur Nationalmannschaft reisen, sondern die Fehler in der Mannschaft ansprechen".

"Da müssen wir gewinnen", fordet Schalkes Sechser für das kommende Ligaspiel daheim gegen 1899 Hoffenheim. Ein Gegner, der den Schalkern besser liegen sollte. Dennoch wird auch dieses Spiel erneut zur "königsblauen" Charakterfrage.

Aus München berichtet Yannik Schmidt